Ein Ritter, der aussah, als habe er in einem Schlammloch gebadet, das war er. Er sah in seinen vor Schmutz starrenden Kleidern so schäbig wie der niederste Tagelöhner aus!
Aber er machte Fortschritte. Bevor Jules ihn fand, war er ein Dieb und Bettler gewesen.
Nun war er jemand, der genau wusste, wo er in der nächsten Nacht schlafen würde, und der jeden Tag zwei reichliche Mahlzeiten bekam. Und wenn Jules dachte, dass es gut für ihn war, Löcher zu graben, dann sollte er sich nicht den Kopf darüber zerbrechen.
Deutlich besser gelaunt kehrte er zu seiner Grube zurück. Es war klüger, sich an dem zu erfreuen, was man hatte, statt darüber nachzugrübeln, was fehlte.
Mit frischer Kraft schwang er die Hacke und arbeitete sich zur Wand der Grube hin vor. Er hatte sich ihr bis auf etwa einen halben Schritt genähert, als seine Spitzhacke ungewöhnlich tief in den Boden eindrang. Er rüttelte am Stiel des Werkzeugs, um das Geröll zu lockern, doch stattdessen sackten die Bruchstücke weg. Vor seinen Füßen hatte sich ein eckiger Schacht aufgetan, der eine Elle im Quadrat maß. Etwas funkelte darin im grauen Licht. Neugierig beugte sich Adrien vor, um es näher in Augenschein zu nehmen.
Der Schacht führte senkrecht in die Tiefe und war aus roten Ziegeln gemauert.
Schlieren von erstarrtem geschmolzenen Gestein zogen sich an den Wänden entlang.
Ein Anblick, der Adrien inzwischen wohlvertraut war. Aber dazwischen war noch etwas anderes. Dick wie einer seiner Finger, funkelte ein Goldstreifen. Vorsichtig machte er sich mit der Hacke daran zu schaffen. Sein Herz schlug schneller. Er hatte noch nie Gold in Händen gehalten. Er konnte nicht einschätzen, wie viel es wert war, aber er wusste, dass man sich schon mit einer einzigen Münze die meisten Träume erfüllen konnte. Und dieser Goldstrang, der sich verästelt wie eine Efeuranke an den Schacht klammerte, hatte sicherlich das Gewicht vieler Münzen.
Ungeduldig warf er die Hacke zur Seite. Das Gold war mit dem geschmolzenen Gestein hier hinabgelaufen. Adrien erinnerte sich an die Geschichte, die Jules erzählt hatte. Dass auch der goldene Dachschmuck der Tempel und Paläste in den Flammen vergangen war und sich durch Abflussschächte tief in die verschütteten Zisternen der Stadt ergossen hatte.
Der Junge packte den Goldast mit beiden Händen und zerrte daran. Der Stein knirschte. Adrien stellte sich einen See aus erstarrtem Gold vor, der irgendwo unter seinen Füßen verborgen lag. Sie waren reich! Er würde das Blumenmädchen suchen und ihr sein Gold schenken. Nie wieder müsste sie zum Fleischhauer gehen. Sie könnte sich ein schönes Stadthaus kaufen und Diener anstellen. Und dann dürfte er es auch wagen, sie nach ihrem Namen zu fragen.
Mit einem Ruck kam der Goldast frei. Adrien landete im Dreck. Triumphierend streckte er das Gold der Sonne entgegen. Er lachte, ließ sich nach hinten fallen und lachte noch lauter. Das Schicksal hatte endlich auch ihn beschenkt!
»Was machst du da unten?« Jules war am Rand der Grube erschienen und sah mit gestrenger Miene zu ihm herab. »Mir scheint, dein Tagwerk ist noch nicht vollendet, und es ist noch nicht an der Zeit, faul seine Glieder auszustrecken.«
»Gold!« Adrien streckte dem Priester seinen Fund mit einem breiten Grinsen entgegen.
»Wir sind reich!«
»Wir streben nach anderen Reichtümern als diesen, Junge. Wirf das weg. Wir brauchen es nicht.«
Adrien traute seinen Ohren nicht. Zum einen sprach Jules in freundlichem Ton. Ganz anders als in den letzten Wochen, in denen er stets den gestrengen Lehrmeister herausgekehrt hatte. Und zum anderen war vollkommen verrückt, was er sagte! Gold wegwerfen! »Was für Reichtümer übertreffen den Wert von Gold?«
»Dich das zu lehren, wird meine schwerste Aufgabe in den Jahren sein, die noch vor uns liegen. Komm aus der Grube. Deine Arbeit endet für heute.«
Adrien befürchtete eine Tracht Prügel. Aber was hatte er schon für eine Wahl? Er verbarg seinen Schatz unter Sand und Geröll, dann kletterte er die beiden Leitern hoch.
»Hast du Angst, ich könnte dich bestehlen?«, fragte Jules belustigt.
Der Junge sah ihn verwundert an. »Nein ... «
»Außer mir gibt es hier niemanden.«
»Aber es könnte sich doch jemand hierher verirren. Das ist ein großer Schatz! Man kann das Gold doch nicht einfach so herumliegen lassen!«
»Niemand wird hierher gelangen.« Er breitete die Arme aus, als wolle er das ganze Tal umfassen. »Dieser Ort gehört uns allein. Und jetzt sag mir, was willst du mit deinem Gold kaufen? Den Felsen dort drüben? Ein besseres Abendessen? Glaubst du, wenn du mir ein Stück Gold in die Hand drückst, dann werde ich ein besserer Koch?« Er deutete zu den Wolken hinauf. »Willst du dir ein Stück Himmel kaufen? Welchen Wert hat Gold hier? Wie macht es dein Leben reicher? Was wird besser, weil du es besitzt?«
Adrien fühlte sich überrollt. Es war doch verrückt, den Besitz von Gold infrage zu stellen. »Wir können es mitnehmen, wenn wir das Tal verlassen. Wenn ich Ritter werde, dann brauche ich ein Pferd, ein Schwert und eine Rüstung. Das wird uns niemand schenken.«
»Du willst ein Ritter Tjureds werden und vertraust lieber auf ein Stück Gold als auf deinen Gott!«
»Ich kann ja nicht erwarten ... « Der Junge seufzte. Er fühlte sich plötzlich undankbar.
Aber er hatte doch Recht! »Wird Tjured ein Pferd aus dem Boden wachsen lassen, wenn wir es brauchen?«, brachte er schließlich mürrisch hervor.
»Ja, wenn auch er davon überzeugt ist, dass wir es brauchen werden, um ihm zu dienen. Zu den Dingen, die du lernen musst, mein Sohn, gehört Gottvertrauen. Tjured lenkt unsere Wege.«
»Vielleicht war es sein Plan, dass ich das Gold finde!«
Jules lachte leise. »Vielleicht. Du kannst es gern aufheben. Lassen wir uns überraschen, welchen Nutzen es bringen wird. Vielleicht hast du es auch gefunden, um zu erkennen, was wirklich wichtig in deinem Leben ist. Manchmal führt Tjured uns auch in Versuchung, Junge. Er will uns auf einen falschen Weg locken, um die Festigkeit unseres Glaubens und unserer moralischen Grundsätze zu prüfen. Denn was ist dein Glaube wert, wenn er sich nie beweisen musste?«
»Du meinst, ein Gläubiger, der einer Versuchung widerstand, ist mehr wert als einer, der immer nur ein vorbildliches Leben führte, weil es nichts gab, das ihn vom rechten Pfad ablenkte? Wenn Gott für jeden von uns einen Plan hat, dann erschafft er selbst Gläubige, die sich beweisen konnten, und andere, denen dies stets verwehrt blieb. Ist das nicht zutiefst ungerecht?«
Jules packte ihn bei den Schultern und blickte auf ihn hinab. »Gut! Wirklich gut gesprochen, mein Sohn. Ich sehe, dein Kopf dient dir nicht allein als ein Platz, um ein paar Büschel Haare unterzubringen. Ich weiß nicht, was für ein Ritter aus dir werden wird, aber in dir steckt ein guter Priester, der scharfsinnig denkt und einmal mit großer Überzeugungskraft das Wort Tjureds predigen wird.«
Der Priester sagte das mit solchem Stolz, dass es Adrien ganz warm ums Herz wurde.
Nie zuvor war er so gelobt worden.
»Weißt du, Junge, leider geht es im Leben nicht um Gerechtigkeit. Das Einzige, worauf wir hoffen dürfen, ist, dass wir stark genug sind, uns selbst und unserem Glauben treu zu bleiben. Nur das liegt in unserer Hand.«
Blutmagie
Ein Schrei riss ihn aus seiner Ohnmacht. Falrach war orientierungslos. Die warme Decke aus Sand war fortgezogen worden. Er lag auf Fels. Sein Gesicht und seine Hände schmerzten. Überall um ihn herum waren Kobolde. Manche versuchten, über ihn hinwegzuklettern. Einer trat ihm auf die Hand. Es fühlte sich an, als wolle ein glühender Hammer seine Hand zerquetschen. Falrach stieß den Kerl zurück. Der Elf zog die Hand hoch und sah fassungslos auf das blutige Etwas. Einen Augenblick lang war er überzeugt, die falsche Hand vor Augen zu haben, bis er langsam begriff. Der Sturm! Er hätte die Höhle nicht wieder verlassen dürfen!