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Falrach schloss sich ihr an. Auch er half, die Kobolde zum Sonnentor zu begleiten.

Einige waren so mutig, den Weg allein zu machen, nun, da sie die gefährlichen Winde nicht mehr fürchten mussten.

Nachdem die Grauhäute anfangs noch angespannt gewesen waren, scherzten sie bald. Emerelle schwieg. Sie sang leise ihr Lied. Sie genoss es, wie Falrach sie ansah. Sie hatte ihn überrascht und seine Anerkennung gewonnen.

Sie selbst aber war überrascht, wie viel ihr seine Blicke bedeuteten. Seine Blicke! Nicht Ollowains.

Nur Nikodemus Glops blieb mürrisch. Er wirkte, als wolle er etwas sagen. Aber er wagte es nicht, zu ihr zu kommen. Wahrscheinlich war er erzürnt darüber, dass sie Madras Tod mit keinem Wort gewürdigt hatte. Sie hatten die Höhle bei Sonnenaufgang zügig verlassen. Emerelle war aufgefallen, dass Amulette und sogar ein paar Kinderspielzeuge rings um den toten Troll gelegen hatten. Die Grauhäute würden ihn nie vergessen.

Als der letzte Kobold die Himmelsbrücke überschritten hatte, fühlte sie sich erleichtert.

Wie ein junges, verliebtes Mädchen hatte sie auf ihrem letzten Weg im Vorübergehen Fairachs Hand gestreift. Ihr Lohn war wieder einer dieser Blicke gewesen, die ihr Herz schneller schlagen ließen. Im Jadegarten würden sie beide endlich allein sein können.

Das Tal war groß genug, um einen einsamen Ort zu finden.

Die Sonne stand schon tief am Himmel. Das Abendlicht tauchte die weißen Felskämme in weiches, rosa Licht. Im Tal unter ihnen wuchsen Schatten von blassblau bis tiefschwarz.

Keiner der Kobolde hatte das Sonnentor durchschritten. Emerelle vermochte nicht einzuschätzen, ob sie ihr den Vortritt lassen wollten oder ob sie fürchteten, hinter dem seltsamen Felstor erwarte sie ein neuer Schrecken. Sie konnte es verstehen. Das Sonnentor lag höher als die Felsen der Tafelberge dahinter. Und auch höher als die Himmelsbrücke. Von dort, wo sie standen, sah es aus, als würde das Tor in den Himmel und nirgendwo sonst hinführen.

Die Grauhäute begegneten ihr immer noch mit Misstrauen. Also ging sie voran. Sie trat, ohne zu zögern, in das weite Rund des Tores. Erst wenn man dort stand, vermochte man auf den Jadegarten hinabzublicken. Viele Meilen erstreckte sich das von Tafelbergen eingefasste Tal. Eine weiße Pyramide erhob sich majestätisch über das Grün der verwilderten Gartenlandschaft. Funkelnd brach sich das Licht der Abendsonne in der goldenen Spitze des gewaltigen Baus. Al en Schutzzaubern zum Trotz, die vor Jahrhunderten bei der Errichtung der Pyramide gewirkt worden waren, wucherte Unkraut in den Steinritzen, und an einigen Stellen hatten sogar junge Bäume Halt im Gemäuer gefunden.

Die übrigen Prachtbauten im Tal waren unter üppigem Grün verschwunden. Das Drachenfeld, jener weite Platz nahe der Pyramide, auf dem die einstigen Herren der Welt in einem vergangenen Zeitalter mit ihrem Gefolge gelandet waren, wenn sie den abgelegenen Jadegarten besuchten, war nicht mehr auszumachen. Ein Teil von ihm schien von einem neuen See bedeckt zu sein. Aber sicher war sich Emerelle nicht, so sehr hatte sich das Tal verändert.

Die langen Schatten der östlichen Tafelberge griffen bereits nach der Pyramide, als die ersten Grauhäute zögerlich durch das Sonnentor traten. Sie betrachteten das Tal mit Staunen und auch ein wenig Furcht. Nie zuvor hatten sie so üppiges Grün und so viel Wasser gesehen. Sie waren Geschöpfe der Wüste. Vom Ufer des großen Teiches stieg ein Schwärm großer, weißer Vögel auf und flog zu seinen Nestern irgendwo am nördlichen Ende des Tals.

Die Dämmerung ging rasch in Dunkelheit über, und Emerelle bedrängte die Kobolde, ihr zu folgen. Diesseits des Sonnentors führte eine weite Treppe entlang der Steilwand, die von Terrassen unterbrochen wurde, die stets neue, fantastische Ausblicke auf das Tal boten. Die eingestürzten Dächer der Aussichtspavillons, große Felsbrocken auf den Terrassen und Treppen und klaffende Spalten im Weg lieferten Zeugnis von Erdbeben, die die Tafelberge erschüttert hatten.

Emerelle wusste, dass sie den Talgrund nicht mehr erreichen konnten, bevor er völlig im Dunkel lag. Sie hatte ein anderes Ziel. Bald wählte sie zur Überraschung der Kobolde einen Weg, der erneut bergan führte. Das leise Murren der Grauhäute ignorierte sie. Die Elfe wusste, wie kalt es an den Bergflanken bei Nacht wurde. Es war wichtig, einen gut geschützten Lagerplatz zu finden.

Die neue Treppe, der sie folgten, mündete in einen Tunnel, der einen weiten Felsvorsprung durchstach. Die Bronzetore, mit denen sein Eingang einst hatte verschlossen werden können, standen weit offen. Blaugrüne Edelpatina überzog das Metall und hatte auch verwaschene Spuren auf dem Steinboden hinterlassen. Die Reliefs zweier steigender Pegasi, die das Tor flankierten, hatten die Jahrtausende besser überstanden.

Der fünfzig Schritt lange Tunnel war von den Erdbeben weitestgehend verschont geblieben. Putzbrocken, die aus seiner Decke gebrochen waren, knirschten unter Emerelles Füßen. Ein leicht muffiger Geruch lag in dem Gang.

Die Elfe wusste, wie nah sie ihrem Ziel nun waren. Sie beschleunigte ihre Schritte. Als sie aus dem Tunnel trat, standen erste Sterne am Nachthimmel. Ihr Weg hatte sie erneut auf eine Aussichtsterrasse geführt. Doch diese war nicht erbaut worden, um den Blick über die Pyramide, die Gärten und verschwundenen Paläste schweifen zu lassen. Die Terrasse lag auf einem weiten Felssims, von dem man auf eine große Nische in der gegenüberliegenden Steilwand sah. Dort, im Schutz der Felsnische, lag die alte Veste, das ehemalige Quartier der Drachenelfen. Massige, würfelförmige Bauten drängten sich aneinander. Fenster gab es nur in den oberen Etagen der Gebäude. Und auch sie waren nur so schmal wie Schießscharten.

Einige der Gebäude sahen aus, als seien sie von schweren Katapultgeschossen getroffen worden. Mauern waren eingestürzt und gaben den Blick frei in die Eingeweide der Festung. Wo die Außenmauern intakt waren, konnte man erkennen, dass sie einmal mit großformatigen Flachreliefs bedeckt gewesen sein mussten. Reste von Farben hatten sich auf den Steinbildern erhalten. Haushohe Krieger, gewappnet mit nach unten spitz zulaufenden Langschilden, hielten auf den Mauern der Veste ihre Äonen dauernde Wacht. Sie sahen nicht nach schmucken Palastwachen, sondern eher nach kampferfahrenen Veteranen aus. Ihre Köpfe blickten herausfordernd der Terrasse entgegen. Sie wirkten beunruhigend. Noch beunruhigender war jedoch, dass in dreien der Fenster Licht glomm. Damit hatte Emerelle nicht gerechnet.

Das Bad

Balduin war ins Bad des Königs berufen worden. Er hasste es, Cabezan in all seiner Nacktheit zu sehen. Den ausgemergelten, alten Leib, bedeckt von schwärenden Wunden. Aber er verstand es, seine Gefühle wohl zu verbergen.

Schon auf dem Flur schlug ihm die schwüle Hitze des Wassers entgegen. Er hoffte, dass das Schlimmste schon vorüber war. Balduin war keineswegs zartbesaitet. Vor einigen Jahren noch war er einer der Befehlshaber von Ca-bezans Truppen gewesen. Er hatte bei Avron und Ruon-nes gekämpft. Er hatte alle Schrecken des Krieges gesehen und sich an so manchen Taten beteiligt, auf die kein Mann stolz sein konnte.

Ein blasser Diener öffnete ihm die Tür zum Bad und eilte davon. Cabezan saß auf dem Rand eines Marmorbeckens, von dem Wasserdampf aufstieg. Blutrote Rosenblätter schwammen auf dem Wasser. Tankret, der Leibwächter des Königs, stand nahe dem Bad. Wie sein König war er nackt bis auf ein Tuch, das lose um seine Hüften geschlungen war. Im Gegensatz zu seinem Herrn trug er jedoch einen Dolch, eine schlanke Ritualwaffe mit einem prächtigen Rubin als Knauf. Scheide und Gürtel waren aus scharlachrotem Leder mit Goldbeschlägen. Für den Wert der Waffe konnte man wahrscheinlich ein ganzes Bauerndorf bekommen.

Neben Tankret stand ein schlanker Knabe. Er war keine zehn Jahre alt, schätzte Balduin. Trotz der Hitze im Bad zitterte der Junge. Sein Gesicht war stark geschminkt.

Man hatte ihm eine Perücke aus blondem Lockenhaar aufgesetzt. Erst auf den zweiten Blick erkannte der Hofmeister, wer das war. Sie hatten sich Elodias kleinen Bruder geholt. Das war ein Fehler!