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Der Junge nickte, so gut das mit Tankrets Hand im Nacken ging.

»Du würdest sicher alles tun, um mir zu helfen. Wenn du mich heilen könntest, würdest du mich dann im Stich lassen?«

»Nein, bestimmt nicht«, stieß Jean unter heftigen Schluchzern hervor.

»Dann, bitte, hör auf zu weinen. All diese Tränen wegen eines Missverständnisses ...«

Jean kämpfte mit sich. Es dauerte eine Weile, bis er sich beherrschte und sein Tränenstrom versiegte. Aber seine Angst war noch nicht vergangen, das sah man deutlich. Der Kleine spürte, dass etwas zutiefst nicht in Ordnung war.

»Du willst mir also helfen?« Jean nickte heftig.

»Komm her.« Der alte König drehte sich ein wenig in seinem Bad. Rosenblätter wirbelten durch das Wasser. »Siehst du dort die kleine Einbuchtung auf dem Rand des Beckens?«

Wieder nickte der Junge. Ein tiefer Schluchzer entstieg seiner Brust, aber er schaffte es, seine Tränen zurückzuhalten.

»Leg dort deinen Kopf hin, mein Kleiner. Der Platz ist sehr bequem. Die Stelle wurde von meinem Steinmetz dafür geschaffen, dort seinen Kopf zur Ruhe zu betten. Ich mache das auch oft.«

Der Junge gehorchte. Er war so arglos, dachte Balduin bitter. Das waren sie alle. Er erlebte dies nicht zum ersten Mal. Kaum hatte Jean den Kopf in die Ausbuchtung gelegt, stemmte ihm Tankret sein Knie in den Rücken, packte die blonde Perücke, riss sie hinab und schleuderte sie von sich, um dann nach den echten Haaren des Jungen zu greifen. Er bog Jean den Kopf weit in den Nacken, zog den Dolch und schnitt dem Knaben tief in die Kehle. Ein Strom von Blut spritzte hervor und ergoss sich in das Badewasser, wo es in Wirbeln in schauriger Harmonie mit den Rosenblättern tanzte.

Der Junge brachte keinen Ton hervor. Tankret ließ ihn wie ein Stück Vieh ausbluten.

Cabezan aber lehnte sich im Wasser zurück und seufzte zufrieden. »Weißt du, Balduin, die Alchemisten faseln vom Wasser des Lebens und suchen seit Jahrhunderten mit größter Verbissenheit nach diesem wundersamen Elixier. Dabei ist es so leicht zu finden! Das Wasser des Lebens rinnt durch unsere Adern. Es ist Blut.

Junges Blut vermag all meine Leiden besser zu lindern als jede Paste oder Tinktur, die je ein Quacksalber auf meine Haut aufgetragen hat.«

»Wenn Ihr es sagt, Majestät.« Balduin kämpfte gegen Übelkeit an. Wie sehr er dieses Ungeheuer verachtete! Aber er wagte es nicht, seine Hand gegen Cabezan zu erheben oder sich zu verschwören. Dutzende hatten das schon versucht, und alle waren sie gescheitert.

»Du siehst wirklich nicht gut aus, Balduin. Du solltest auch in dieses Bad steigen.

Natürlich erst, nachdem ich es verlassen habe. Tankret tut es auch manchmal. Die Kraft des Blutes glättet und verjüngt deine Haut. Und sie stärkt deinen Körper. Wenn du es über dich bringst, etwas von dem Wasser zu trinken, dann wirst du merken, wie es auch deine Gedärme und deine Leber stärkt. Kinderblut ist wahrlich ein Allheilmittel!«

»Ich weiß nicht ... «, brachte Balduin unter Mühen hervor. In Wahrheit wusste er es ganz genau! Er wollte sich nicht noch tiefer in die Verbrechen seines Königs verstri-cken. »Ich denke, es war nicht klug, ausgerechnet Jean zu töten. Seine Schwester wird seine Briefe erwarten ... «

Cabezan winkte ab und drehte sich wie ein Aal im blutigen Wasser. Mit beiden Händen schlug er es sich ins Gesicht, damit es jeden Flecken seiner kranken Haut benetzte. Balduin sah mit Schrecken, wie der König tatsächlich davon trank! Er gurgelte es in der Kehle.

»Du wirst die Briefe schreiben, Balduin«, sagte er schließlich. »Der Junge konnte ohnehin nur ein paar Heiligennamen schreiben. Sie hat noch nie einen Brief von ihm bekommen. Also male die Buchstaben sehr ordentlich, so wie es Kinder tun, und schreibe ihr, wie schön das Leben bei Hof ist.«

»Aber wenn sie misstrauisch wird? Ich weiß fast nichts über die beiden. Ich könnte kaum eine Frage nach ihrer Vergangenheit beantworten.«

Der König schenkte ihm ein blutiges Lächeln. »Ich ver traue ganz deinem Einfallsreichtum, Balduin. Du machst das schon. Ich weiß, wie sehr dir daran gelegen ist, mich nicht zu enttäuschen.«

Der Hofmeister verneigte sich. »Darf ich nun gehen, Majestät?«

»Du darfst dich auskleiden.«

Eisiger Schrecken fuhr ihm durch die Glieder. »Ich ...«

»Schämst du dich? Ich halte es schon aus, den ausgemergelten Körper eines alten Mannes zu sehen. Er wird nicht schlimmer aussehen als meiner.«

»Ich … Danke, aber ich …«

»Mein lieber Freund, ich möchte, dass du nach mir in dieses Bad steigst. Es wird dir guttun. Ich weiß es. Manchmal muss man gute Freunde zu ihrem Glück zwingen.

Tankret wird mir dabei gewiss behilflich sein, wenn mein Zureden allein nicht hilft.«

Der Leibwächter bedachte Balduin mit einem gehässigen Lächeln. Ihre Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit.

»Du warst mir immer ein guter Berater, Balduin. So gut, dass ich mir meinen Hof nicht ohne dich vorstel en kann. Also werde ich mich um deine Gesundheit kümmern. Ein kleines Blutbad wird dich kräftigen. Vertrau mir.«

Die Botschaft

Nikodemus drängte sich zwischen den Grauhäuten hindurch. Er war froh, dem Tunnel entronnen zu sein. Ihm kam dieses Tal nicht gut vor. Er war schon in anderen Oasen im verbrannten Land gewesen. Aber keine war wie diese hier! Es war ein unheimlicher Ort. Ein Ort, an dem die Vergangenheit nicht ruhen wollte.

Er blickte hinüber zu der Festung in der weiten Felsnische. Zu den Lichtern. Drei der Fenster waren erleuchtet. Und es gab noch ein viertes Licht. Im Felsboden vor der Festung.

Es gab nur einen einzelnen Albenpfad hier. Der Lutin hatte eine Karte der magischen Pfade im Kopf. Seine Sippe hatte sie gefertigt. Es war eines ihrer Geheimnisse. Sie kannten das Goldene Netz besser als jeder andere. Zu oft mussten sie dorthin fliehen.

Nikodemus wusste, dass es hier nur einen einzigen Albenpfad gab. Er schnitt längs durch das Tal. Mitten durch die unheimliche Pyramide. Theoretisch konnte man an einer beliebigen Stelle einen Albenpfad verlassen. Aber es zu tun, war der blanke Leichtsinn. Dafür waren sie nicht geschaffen. Man brauchte einen Schnittpunkt. Und je mehr Pfade sich an einem Punkt kreuzten, desto besser! Durch einen Stern zu gehen, der nur aus zwei Linien gebildet wurde, war ebenfalls gefährlich. Man mochte einen Sprung durch die Zeit machen oder sogar ganz verlorengehen. Kein Lutin, der etwas auf sich hielt, würde einen Albenstern nutzen, an dem sich weniger als vier der magischen Pfade kreuzten.

Nikodemus blickte zweifelnd zu den Lichtern. Skanga und ihre Häscher konnten noch nicht hier sein. Es war kaum einen Tag her, dass das Amulett verschwunden war.

Andererseits, sie war Skanga, die mächtigste Schamanin aus dem Volk der Trolle. Wer wusste schon, über was für dunkle Kräfte sie gebieten mochte, von denen er keine Ahnung hatte?

Emerelle wandte sich ihnen zu. »Dort drüben ist unser Nachtlager. Folgt mir!« Mit weiten Schritten betrat sie den Weg, der entlang der Bergflanken hinüber auf die andere Seite führte. Im Sternenlicht konnte man ihn nur undeutlich erkennen. Es lag noch mindestens eine halbe Stunde Fußmarsch vor ihnen, schätzte Nikodemus.

Der Lutin musste laufen, um zu der Elfe aufzuschließen. Die übrigen Kobolde folgten.

Sie waren fast am Ende ihrer Kräfte. Emerelle verlangte ihnen zu viel ab!

Wieder blickte er zu den Lichtern in der Festung. Erwartete Skanga sie dort?

Endlich erreichte er die Königin. »Herrin, auf ein Wort.« »Nicht jetzt!« Sie sagte es freundlich, aber bestimmt. »Aber ...«

»Nicht jetzt, Nikodemus! Ich muss all meine Sinne offen halten und auf das Tal lauschen. Ich kann jetzt nicht reden. Später.«

Auf das Tal lauschen? Die Elfe beschleunigte ihre Schritte noch einmal, und er gab den Versuch auf, mit ihr Schritt halten zu wollen. Was fürchtete sie? Konnte sie Skanga spüren? Oder wartete etwas anderes in der Festung auf sie? War es hier so gefährlich, dass man in einer Festung übernachten musste?

Der Lutin blickte auf das Tal hinab. Seltsame Laute drangen aus dem Wald. Waren das Tiere? Was für Geschöpfe lebten hier? Er hatte die Grauhäute viel über Geister reden hören. Gab es sie wirklich? Wenn ja, dann war das hier ein Platz, den Geister lieben würden. Wieder dachte er, dass dies ein Ort war, an dem die Vergangenheit nicht ruhen wollte.