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Verwundert betrachtete er das blutverschmierte Stück Sternenstahl. Sollte er es wie ein Amulett tragen? »Ich danke dir dafür, dass du mir helfen wolltest.«

»Du hast es verdient. Du bist anders als Emerelle. Ich wünschte, ich hätte je die Liebe eines Mannes, wie du es bist, gewinnen können. Ich bin sicher, dann hätte mich mein Schicksal nicht hierher verschlagen.«

»Sie wird dich gehen lassen. Ich rede mit ihr.«

Die Gazala schenkte ihm ein melancholisches Lächeln.

»Das wird sie nicht. Ich weiß, dass du nun zu ihr gehen wirst. Ich weiß sogar, worüber du mit ihr reden wirst.«

Es war ihm unangenehm, so tief durchschaut zu sein. »Warum hast du mich gerufen, wenn du schon wusstest, wie ich mich entscheiden würde?«

»Aus zwei Gründen. Du musstest die Wahl gehabt haben und klar wissen, welche beiden Wege es für dich gibt.« Sie senkte ihren Blick.

»Und der zweite Grund?«

»Der ist ganz egoistisch.« Sie sah ihn eigenartig an. Die Traurigkeit war aus ihrem Blick gewichen. Sie wirkte jetzt gefasst. »Ich wollte einmal einem Mann begegnen, der sein Leben für seine Liebe gegeben hat. Du bist nicht Olowain, aber wer glaubt, dass du nicht ritterlich bist, der kennt dich nicht.«

»Ich ... « Er räusperte sich verlegen. »Ich werde dann gehen. Ich ... «

»Geh nur zu ihr. Sie wird dich in dieser Nacht brauchen. Du findest sie in der alten Veste im Zimmer ihrer Mutter. Dort, wo meine Nachricht lag. Und noch etwas. Sag dem Lutin, nachts gehen im Tal Geschöpfe um, denen er gewiss nicht begegnen will.

Er ist bei den Ställen und denkt darüber nach, ob er sich den feiernden Grauhäuten anschließen soll.«

Er nickte. Er wusste nicht mehr, was er noch sagen sollte. Firaz trat einen Schritt von ihm zurück. Er verstand das als Aufforderung, zu gehen. Also zog er sich zurück und watete durch das dunkle Wasser, das den Thronsaal überflutet hatte.

»Falrach!«

Überrascht sah er sich um. Sie stand am Rand der Insel. Unendlich einsam. »Ich weiß, dass du mich belogen hast. Es lag die blanke Seite oben. Ich bin Seherin. Es ist meine Gabe zu wissen.«

Wieder räusperte er sich. Früher war er weniger leicht aus der Fassung zu bringen gewesen.

»Es ist alles gesagt, Falrach. Du kannst ruhigen Gewissens gehen. Ich bin nicht verärgert, weil du mich angelogen hast. Im Gegenteil. Deine Lüge hat mich noch mehr für dich eingenommen. Ich wünsche dir Glück …«

»Du könntest mit mir kommen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann nicht. Ich erwarte in dieser Nacht noch eine Besucherin.« Mit diesen Worten wandte sie sich ab.

Falrach sah zu, wie sie sich niederkniete und damit begann, die blutbenetzten Schwertsplitter einzusammeln. Sie sah nicht mehr zu ihm hinüber. Erst als er ging, spürte er ihre Blicke im Rücken.

Als er dem Tunnel entkommen war, machte er sich ohne Umweg auf den Weg zur alten Veste. Er lauschte auf die singenden und ausgelassen grölenden Grauhäute. Bald erstickte das Lied des Dschungels den Festlärm. Er fühlte sich ein wenig beklommen.

Und er war froh, dass der Weg zur Veste weit war. So konnte er noch einmal über seinen Entschluss nachdenken. Er versuchte, sein Leben auf eine Aufstellung auf einem Falrach-Tisch zu reduzieren. Er überdachte sein Ziel. Und dann war es wie früher. Ganz deutlich sah er die Züge vor sich, die er machen musste. Das war seine Begabung!

Tatsächlich stand der Lutin auf dem Weg vor der Veste und blickte zum Tal hinab.

»Du solltest nicht zu den Grauhäuten gehen.«

»Und warum sollte ich das nicht tun, Bruder Ollowain?«, fragte der Kobold hitzig.

Falrach ignorierte, dass der Kleine sich nach wie vor weigerte, ihn mit dem richtigen Namen anzusprechen. »Dort unten im Tal lauert etwas, das sogar einen haarigen Lutin fressen würde.«

»Ich werde nicht so dämlich sein, an einem der Teiche mit den Krokodilen vorbeizulaufen.«

»Es ist deine Entscheidung, Nikodemus. Ich überbringe nur eine Nachricht.«

Der Kobold schnaubte verächtlich. »Wessen Nachricht?«

»Es ist der Rat einer Seherin.« Falrach bemerkte, wie sich dem Kleinen das Fell sträubte.

»Wo sollte ich denn stattdessen sein? Diesen finsteren Saal voller Toter werde ich jedenfalls nicht mehr betreten.«

»Wie wäre es mit den Ställen? Die sind doch ganz passabel.«

Der Lutin fluchte leise. »Was ein paar geflügelte Gäule passabel finden und was mir gefällt, geht leider nicht ganz überein.«

Falrach war des Gesprächs überdrüssig. »Wie gesagt, es ist deine Entscheidung«, sagte er und trat durch das Tor der alten Veste. Er spürte ein leichtes Prickeln, als er den unsichtbaren Albenpfad kreuzte, der mitten über den Hof lief. Und er dachte daran, wie es wohl wäre, mit Firaz eine Partie Falrach zu spielen. Konnte man jemanden schlagen, der alle Züge schon im Voraus ahnte? Er konnte im Grunde verstehen, dass Emerelle Firaz und ihre Schwester verbannt hatte. Welcher Herrscher mochte schon einen Untertanen, der all seine Züge durchschaute? Auch wusste er nicht, ob Firaz vielleicht gegen Emerelle intrigiert hatte. Gewiss war sie sehr geschickt darin, die Figuren für ihr Spiel aufzustellen.

Als er sich durch den dunklen Saal tastete, fragte er sich, ob auch er eine Figur auf ihrem Spieltisch war. Dann hörte er Emerelle. Sie ging wieder rastlos in dem Zimmer ihrer Mutter auf und ab.

Obwohl er sich bemühte, lautlos zu sein, hörte er, wie ihre Schritte verharrten, kaum dass er in den Flur vor ihrem Zimmer trat.

»Ich will allein sein!«, sagte sie harsch.

Früher einmal hatte ihn Zurückweisung nur angestachelt. In diesem Punkt hatte er sich verändert. Er fühlte sich unsicher, als er in die Tür trat. Emerelle hatte sich völlig in der Gewalt. Aber die feuchten Bahnen im zerbrökelnden Lehm auf ihren Wangen verrieten sie. Er durfte jetzt nicht gehen! Sie brauchte ihn, auch wenn sie das niemals zugeben würde. Und als er sie so sah, wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Für seine Liebe zu ihr zu sterben, war sein Schicksal. Dazu war er auch in seinem zweiten Leben verdammt.

»Ich muss mit dir reden.«

»Worüber?«

»Über Ollowain. Erzähl mir von ihm. Was machte ihn so herausragend? Was war an ihm, dass du ihn so tief in dein Herz geschlossen hast?«

Emerelle sah ihn misstrauisch an. Aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihn nicht mehr fortschicken würde. Er sah es an der Art, wie sie ihn anschaute. Es machte ihm das Herz schwer. Dieser Blick hatte sich in vierzig Jahrhunderten nicht verändert. So wenig wie seine Liebe zu ihr.

»Du wirst nie sein wie er«, sagte sie kühl.

»Ich weiß. Aber ich möchte ihn verstehen können«, log er mit der glatten Zunge des erfolgreichen Spielers.

Das letzte Lächeln

Sie hatte den goldenen Pfad gefunden. Den richtigen inmitten des riesigen Gespinsts, das sich durch das Nichts zog. Sie spürte, wie die Bestie sich in ihr regte. Der Schatten, den sie eingeatmet hatte, um mit ihm zu verschmelzen. Er war klug. Er hatte sich nicht geregt, seit sie Skanga verlassen hatten. Er hatte ihr die Suche überlassen. Aber jetzt wollte er das Töten genießen. Er versuchte, ihren Verstand niederzuringen. Sie war müde. Er nutzte es aus, wenn sie schlafen musste. Ihr neuer Leib kannte solche Bedürfnisse nicht! Er brauchte keine Ruhe. Und wenn sie das Biest nicht an die Kette legte ... Sie wusste nicht, was geschehen war, wenn sie schlief, aber sie ahnte, dass er getötet hatte. Einmal war sie erwacht, als er eine Gruppe Kobolde niedermachte. Ihnen das Licht zu entreißen, war ein unvergleichliches Gefühl. Sie hatte die Bestie gewähren lassen. Sie ahnte, sie würde der Bestie unterliegen. Aber noch nicht jetzt.

Alyselle widerstand dem Drängen. Alathaia und die Trollschamanin hatten sie, ebenso wie ihre beiden Jagdgefährten, genau unterwiesen. Sie wussten, wo Emerelle vor zwei Tagen gewesen war. Es wäre leicht, ihrer Spur zu folgen. Sie hatten klare Befehle.

Aber sie war kein Hund! Ganz gleich, welche Gestalt sie jetzt hatte. Sie konnte denken.

Sie würde nicht hündisch einer Fährte folgen! Sie konnte sich noch gut an die Karten des Verbrannten Landes erinnern. Sie hatte sie studiert wie alle anderen auch, die mit Alathaia geritten waren, um die Lutin zu stellen, die ihre Fürstin bestohlen hatte.