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Ganda betrachtete die Hand, die auf dem Samttuch lag. Wenn sie ihr früheres Leben wieder aufnahm, dann würde sie ihre beiden Hände brauchen.

»Bruder Breitnase, ich bin bereit für deinen Zauber.«

Der Mausling strahlte. »Du wirst sehen, Kommandantin, deine neue Hand wird besser als deine alte sein.«

Rika reichte ihr eine der Schnapsflaschen, die sie aus der verborgenen Truhe geholt hatte. »Du solltest einen Schluck trinken. Es wird wehtun.« »Das muss ich dann wohl aushalten. Ich wünsche, dass ihr mich zum nächsten Albenstern bringt, sobald die Hand mit mir verschmolzen ist.«

»Du wirst sehr geschwächt sein. Das ist nicht klug, Ganda«, wandte die Hexe ein.

»Ich habe mehr als vierzehn Jahre verloren. Elija kann nicht noch länger warten. Ich muss ihn wiedersehen.«

»Vergiss deine Zweifel«, sagte Breitnase ergriffen. »Hast du das gehört, Rika? So spricht nur eine wahre Kommandantin. Sie ist eine Heldin.«

Die Hexe hob die Silberhand auf und löste die Schutzkappe über Gandas Armstumpf. »Dafür, dass du vierzehn Jahre verloren hast, hast du es verdächtig eilig. Was zählt da noch ein Tag oder zwei? Und was den Elfen angeht, rate ich dir, frage dein Herz nach der Wahrheit. Ich hoffe, das hast du nicht zugleich mit deiner Hand verloren. Worte legen sich manchmal wie ein Schleier vor die Wirklichkeit. Sie blenden den Verstand. Das Herz zu täuschen ist schwieriger. Das ist meist unser eigenes Werk. Und nun beiß die Zähne zusammen und setz dich, sonst kommt Breitnase nicht an deinen Stumpf heran.«

Ollowains Versprechen

Der Schwertmeister zog den Vorhang zur Seite. Blasse Lichtfinger tasteten in das Zimmer. Nardinel kniete noch immer neben Obilee. Die Heilerin zitterte vor Erschöpfung.

Kalte Wut packte Ollowain, als er die vielen blutigen Fußabdrücke sah. Sie hatten die Elfe einfach zur Seite gezogen und das Zimmer ausgeräumt. Dabei waren sie immer wieder durch die große Blutlache gelaufen.

Es war ein Wunder, dass Obilee noch lebte! Der Armbrustbolzen hatte sie in einem glücklichen Winkel getroffen und war am Schädel entlanggeschrammt. Sie hatte sehr viel Blut verloren. Wären sie nur eine halbe Stunde später gekommen, wäre es vermutlich zu spät gewesen. Der Kobold, der Melvyn benachrichtigt hatte, hatte Obilee das Leben gerettet.

Ollowain machte sich Vorwürfe, weil er nicht in Erwägung gezogen hatte, dass Shandral flüchten könnte. Und er machte sich Vorwürfe, weil er sich überhaupt dazu hatte hinreißen lassen, die Intrige um den vermeintlichen Unfall des Fürsten zu spinnen. Das Lügen und Ränkeschmieden war nicht seine Welt! Aber Shandral kannte sich damit gut aus, wie er wohl alle dunklen Seiten der Seele ausgelotet hatte. Natürlich hatte der Fürst durchschaut, was auf dem Festplatz wirklich geschehen war. Jedenfalls beinahe, denn er ging gewiss davon aus, dass man ihm nach dem Leben getrachtet hatte. Dabei war es Ollowain nur darum gegangen war, ihn mit einem gebrochenen Arm oder Bein für jene Verbrechen zu bestrafen, die sich der Gerechtigkeit elfischer Gesetze entzogen.

Nardinel erhob sich. Ihr Gesicht wirkte eingefallen, und ihre Haut war fast durchscheinend. »Sie wird es überleben. So etwas habe ich noch nie gesehen. Der Armbrustbolzen hat eine tiefe Furche durch den Knochen gezogen, und das auf einer Länge von mehr als einer Hand. Aber er ist nicht durchgeschlagen. Sie wird schlimme Kopfschmerzen haben, wenn sie erwacht. Wahrscheinlich wird sie sich auch an den vergangenen Abend nicht mehr erinnern können. Aber sonst wird von der Wunde nichts zurückbleiben. Ich habe den Knochen wieder hergestellt und die Wunde geschlossen.« Die Heilerin lächelte müde. »Für eine Kriegerin war sie mir sehr zart erschienen, aber sie ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Dickschädel. Wenn du von deinem Feldzug zurückkehrst, wird sie wahrscheinlich schon wieder herumlaufen und jeden Rat von mir, sich zu schonen, in den Wind schlagen.«

Melvyn war die ganze Zeit über unruhig im Zimmer auf und ab gegangen. »Sie war hier, nicht wahr?« In den Holzdielen des Bodens konnte man die Abdrücke von Bettpfosten sehen. Warum Shandral das ganze Bett hatte mitnehmen lassen, war Ollowain schleierhaft. Es fehlten zwar auch andere Möbel im Haus, aber keine Betten. Auf einer hastigen Flucht belastete man sich doch nicht mit so etwas! Auch waren draußen im Flur offensichtlich Vorhänge abgenommen worden. Kein einziger Kobolddiener war zurückgeblieben, der ihnen Antwort geben konnte, was in den letzten Stunden im Stadtpalast vor sich gegangen war. Sogar die Kobolde, die in der Schmiede am Wehr gearbeitet hatten, waren verschwunden.

»Warum hängen hier überall diese grässlichen Masken?« Melvyn ballte die Hände zu Fäusten. »Ich wünschte, ich hätte diesen Mistkerl aufgeschlitzt. Ich ...« Tränen der Wut standen ihm in den Augen. »Ich war in der Schmiede. Ich hab sie mir angesehen. Warst du einmal dort, Ollowain? Hast du die Hämmer gesehen?«

»Wir werden ihn finden. Und wir werden auch Leylin wieder finden.«

»Schöne Worte! Wölfe schützen die Schwächsten im Rudel. Und wir ... Wir finden schöne Worte. Wer weiß, was er Leylin noch alles antun wird? Ich kann doch nicht hier sitzen und ...«

»Was willst du stattdessen tun? Wo willst du sie suchen?«, fuhr Ollowain ihn an. »Glaubst du, Shandral ist so dumm und flüchtet in seinen Fürstenpalast? Das wäre ja wohl der erste Ort, an dem du ihn suchen würdest. In Arkadien hat seine Familie dutzende großer Landhäuser. Und das ist nicht alles. Er ist ein Schüler Alathaias gewesen. Er könnte auch irgendwo in Langollion sein. Seine Meisterin würde ihm gewiss Zuflucht gewähren. Durch das goldene Netz kann er an hunderte von Orten gelangen, von denen wir nicht einmal ahnen, ob er dort vielleicht Freunde hat. Wie willst du ihn finden? Dir bleibt keine andere Wahl, als zu warten, bis du Nachricht von deinem Gefährten Nossew erhältst. Und da er kein Zauberer ist und die Pfade der Alben nicht aus eigener Kraft beschreiten kann, wird es Wochen dauern, bis du von ihm hörst.«

»Du willst nur, dass ich mit dir komme«, sagte Melvyn voll kalter Wut. »Das ist alles, worum es dir geht, nicht wahr? Du willst nicht noch mehr Krieger verlieren.«

»Du bist in der Tat sehr wichtig, Melvyn. Ich brauche dich, um die Späher der Trolle aufzuspüren und daran zu hindern, Nachrichten zu ihrem Heer zu bringen. Vor allem am letzten Tag, wenn wir dem Mordstein schon sehr nahe sind. Ihr könnt viele Leben retten, wenn ihr mir helft. Ich hatte auf dich vertraut. Natürlich kannst du auch deine Männer und deine Adler nehmen und nach Shandral suchen. Ich glaube zwar nicht, dass du ihn finden wirst, aber ich werde dich nicht zwingen, mir zu dienen. Shandral hat fünfhundert Armbrustschützen mitgenommen, die unser Heer gebraucht hätte. Deine Kriegerschar ist kleiner, aber nicht weniger bedeutsam. Geh Leylin suchen, und viele werden mit ihrem Leben dafür bezahlen. Das wird Blut sein, das nicht Shandral vergossen hat, sondern du. Du erzählst doch gern von deinem Wolfsrudel. Würde ein einzelner Wolf für eine aussichtslose Jagd sein Rudel verlassen? Würde er das ganze Rudel gefährden? Sag es mir! Ich weiß nur wenig über Wölfe.«

Die langen Stahlkrallen glitten aus Melvyns Armschienen. Der Elf starrte auf die barbarischen Waffen. Ganz langsam hob er die rechte Krallenhand.

Nardinel stellte sich schützend vor Obilee, die bewusstlos am Boden lag.

Melvyns Rechte zitterte. Der Stahl berührte seinen nackten Oberarm. Vier blutige Furchen blieben zurück. »Ich kann sie doch nicht einfach im Stich lassen ... Sie nicht und mein Rudel auch nicht. Ich kann nicht ...« Wieder schnitten die Krallen in seine Haut. Der Stahl drang nicht tief ein, doch die Wunden bluteten stark.