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Der Befehl

Brodgrim blickte auf das Hügelland und konnte immer noch nicht fassen, was er sah. Sie hätten doch siegen sollen! Das Banner des jungen Königs war verschwunden. Der Rauch und der Staub erlaubten keine klare Sicht. Im Kampfgetümmel würden die Trolle siegen! Da war er sich ganz sicher. Sie durften nur nicht davonlaufen. Ein Trollkrieger konnte einen Elfenkopf in seiner Faust zerquetschen! Sie brauchten diese wieselflinken kleinen Schwertschwinger nicht zu fürchten.

Verdammte Feiglinge da oben, die sich von ein bisschen Feuer und Rauch einschüchtern ließen! Skangas Befehle waren klar und unmissverständlich gewesen. Die da oben sollten ihren Schildwall halten.

»Rudelführer?« Slarag, der Anführer seiner Späher, kam geduckt zu ihm herübergeschlichen. Trotz der Hitze trug er das Fell eines Schneelöwen um die Schultern. Er hatte es mit Dreck eingerieben, damit ihn der helle Pelz nicht verriet, wenn er sich anschlich. Aber ablegen mochte er es nicht. Er behauptete überall, er habe die Bestie mit bloßen Händen erschlagen. Brodgrim hatte Zweifel daran. Aber einmal abgesehen von dieser Geschichte war Slarag ein zuverlässiger Späher.

»Wir bekommen Probleme, Rudelführer.«

Brodgrim grunzte abfällig. »Ich sehe, was auf den Hügeln vor sich geht. Verdammte Weichlinge! Führen sich auf wie Welpen, die zum ersten Mal den Rauch eines Feuers wittern. Wie kann man nur so feige sein! Mit Kriegern wie denen hätten wir niemals den Königsstein erstürmt. Wir hätten die Wache des Königs sein sollen!«

»Das meine ich nicht, Brodgrim. Es gibt etwas anderes, das mich beunruhigt. Komm mit, ich zeige es dir.« Der Späher führte ihn zum Rand des Dickichtstreifens, der sich an einem Bach entlang erstreckte. Dort deutete er nach Osten. Deutlich konnte man eine riesige Staubfahne über der Steppe sehen. Sie war noch viele Meilen entfernt.

Brodgrim spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Wer ist das?«

»Jedenfalls kein Wind, der den Staub aufgewirbelt hat.«

Brodgrim nahm den Wasserschlauch von seiner Schulter und trank einen tiefen Schluck. Durstig sollte man keine Entscheidungen treffen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht und auf seine mit Schmucknarben bedeckte Brust. »Was denkst du, Slarag?«

»Wir erwarten keine Verstärkungen. Da kommen Elfen oder Kentauren.« Brodgrim schüttelte den Kopf. »Woher sollten sie kommen? Ausgeschlossen!«

»Dann erklär mir die Staubwolke.«

»Du bist der Späher. Das ist deine Aufgabe.«

Slarag schnitt verärgert eine Grimasse. »Du hast mir alles beigebracht. Du weißt, was das da bedeutet.«

»Wir haben Befehle.« Brodgrim fühlte sich zunehmend unwohl. Alles lief anders an diesem Tag. Dabei waren sie so siegessicher gewesen. Auch hatte er das Gefühl, dass es an seiner Entscheidung hängen könnte, ob sich das Schicksal noch einmal zu ihren Gunsten wendete. Etwa fünftausend Trolle verbargen sich in dem breiten Buschstreifen, und die Elfen schienen keine Ahnung zu haben, dass sie hier waren. Er blinzelte mit zusammengekniffenen Augen zum Horizont. Oder wussten sie doch etwas? Kamen diese Truppen deshalb geradewegs auf ihn zu? Hilflos blickte er zu dem Feldherrenhügel, von dem das Banner seines Königs verschwunden war. Gilmarak sollte den Befehl zum Angriff geben. Brodgrim wusste genau, was zu tun war. Er brauchte nur den verdammten Befehl. Oder den Befehl, sich zurückzuziehen.

»Was tun wir, Rudelführer?«

Er hätte Slarag erwürgen können! Diese Fragerei machte nichts besser! Er könnte seine Krieger einfach im Buschland lassen und abwarten, was weiter geschah. Aber sie alle waren ein großes Wolfsrudel. Kein Wolf, der noch Zähne besaß, sah einfach nur zu, wie sein Rudel jagte. Und wenn er es doch tat, dann hatte er kein Anrecht auf einen Anteil der Beute. Der Plan von Skanga war gut gewesen. Sie wussten doch, wie wenige die Elfen waren! Selbst wenn dort hinten noch ein paar tausend Kentauren kämen, wären die Elfen und ihre Verbündeten immer noch erbärmlich in der Unterzahl.

Wenn ein Wolfsrudel einen großen Elchbullen jagte, dann mochte es Rückschläge geben. Ein guter Jäger konnte von den mächtigen Schaufeln getötet werden. Ein zweiter würde durch einen Tritt des Elchbullen lahmen. Aber das Rudel würde nicht aufgeben. Es wäre immer um den Elch herum. Es würde ihn müde machen, bis der Erste ihm die Fesseln durchbiss. Und wenn der Elch stürzte, dann würden sie ihm an die Kehle gehen.

Genauso war es mit dem Heer der Elfen. Es würde den jagenden Trollrudeln nicht entgehen, wenn er, Brodgrim, sich an den Plan hielt. Er musste das trockene Flussbett erreichen und den Weg über die Berge versperren. Der nächste Pass, den die Elfen dann erreichen konnten, war zwei Tagesmärsche entfernt.

Und zwei Tage würden sie nicht überleben, wenn sich die Rudel der Trolle erst einmal vom Schock des Flammenangriffs erholt hatten.

Es lag an ihm. Aber er durfte seinen König nicht einfach für den Sieg opfern. Wenn diese Flanke völlig ungeschützt gegen die anrückenden Reiter blieb, dann mochten die Elfen vielleicht Gilmarak gefangen nehmen.

»Ich lasse dir fünf starke Rudel hier, Slarag. Du hältst das Buschland.« Brodgrim deutete auf die Staubwolke in der Ferne.

»Sie können nicht wissen, dass wir hier sind. Halte diese Flanke. Und wenn sie ganz nah heran sind, dann pack sie! Hol dir ihre Herzen! Und schütze den König. Sie dürfen unserem Heer nicht in die Flanke fallen. Du weißt, wie Wölfe jagen. Haben sie sich erst einmal in der Flanke ihrer Beute verbissen, dann ist die Jagd entschieden. Schütze den König.«

Slarag machte ein Gesicht, als habe ihn eine Grasviper gebissen. Brodgrim roch seine Angst. Ganz schwach nur, aber sein Späher fürchtete sich.

Der Rudelführer lachte. »Bepiss dich nicht! Du tust, was du auch als Späher tust. Du liegst hier auf dem Bauch in den Büschen und wartest darauf, dass deine Beute näher kommt. Und wenn sie so nahe ist, dass sie dir nicht mehr entkommen kann, dann schlägst du zu.«

Im Herzen des Chaos

Ganda drosch mit der Reitgerte auf die Flanken des Esels ein und fluchte. Hätte sie nur auf den Schwarzen gehört! Der fette Drucker hatte sie gewarnt, nicht hierher zu kommen.

»Bist du blind, du räudiges Hinkebein?« Verzweifelt zerrte sie an den Zügeln und versuchte den Esel nach links zu bringen.

Eine ganze Reihe von Streitwagen kam über den Hügelkamm vor ihnen und raste mit halsbrecherischem Tempo auf sie zu. Einige Trolle liefen vor den Wagen davon. Ganda konnte sehen, wie die Bogenschützen der Elfen kaltblütig zielten. Ein Troll, dessen wulstige Schmucknarben auf der Brust einen Wolfskopf zeigten, kam geradewegs auf sie zugelaufen.

»Mach Platz, du Hohlschädel!« Ganda warf die Gerte fort und schlug dem Esel jetzt mit der flachen Hand auf die Kruppe.

»Los doch!«

Doch das sture Tier lief unbeirrt geradeaus.

Eine kleine, rote Zunge wuchs aus einer Falte im Hals des Trolls. Vorwitzig streckte sie sich Ganda entgegen. Der Krieger riss die Arme hoch. Nein, das war keine Zunge! Eine Pfeilspitze lugte aus dem Hals des Trolls.

Jetzt erst sah die Lutin die mörderischen Sicheln an den Radnaben der Streitwagen. Sie mähten das hohe Steppengras nieder. Die Wagen fuhren so dicht beieinander, dass sich die Sicheln fast berührten. Noch zehn Schritt, dann waren sie hier. Und der verdammte Esel rannte auf die vermeintliche Lücke zwischen zwei Streitwagen zu.

»Nicht, du blödes Vieh!«, schrie sie verzweifelt. Ihre Finger krallten sich in die schwarze Mähne. Sie schlug ihm mit der Faust auf den Kopf, doch der Esel lief jetzt in blinder Panik weiter.

Ganda suchte nach der Kraft der Albenpfade. Sie rief die Worte der Verwandlung. Zu spät! Sie schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Wäre sie doch nur in Talsin geblieben!

Der Esel stieß einen grässlichen Schrei aus. Nie hatte sie ein Tier einen solchen Laut von sich geben hören. Es gab einen Ruck. Ganda wurde aus dem Sattel geschleudert. Sie riss die Hände hoch, um ihren Kopf zu schützen. Die Welt schien nur noch aus Lärm zu bestehen. Hart schlug sie auf den Boden auf. Da war ein zischendes Geräusch, das im Trommeln der Hufe fast unterging. Sie drückte sich flach in den heißen Staub. Ihre Hände wühlten darin. Sie wünschte, sie wäre klein wie ein Mausling.