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Alvias atmete tief aus. »Ich glaube, das habe ich eher gesagt, um mir Mut zu machen. Manchmal hilft es, die eigene Stimme zu hören. Da scheint eine Reiterattacke im Gange zu sein. Glaubst du, die hauen uns hier heraus?« Der Kobold kletterte auf einen umgestülpten Weidenkorb, um über die hölzerne Seitenwand zu blicken. Auch er zog trotzig sein Messer. »Du solltest dir keine Hoffnungen machen, Hofmeister. Wir sind die letzten Reserven. Es gibt niemanden mehr zum Heraushauen, es sei denn, wir bekommen das selbst auf die Reihe.«

Alvias trat an Mishts Seite. Die Kämpfenden hatten sich wieder ein Stück von den Wagen entfernt. Die Hörner klangen jetzt ganz nahe.

»Kentauren«, sagte der Kobold, als sei damit alles erklärt, was sich dort unten abspielte.

Alvias sah, wie einige Trolle vom Hügel fortliefen. Dann wurden es mehr. Der aufgewirbelte Staub raubte ihm die Sicht.

»Schirrt die Pferde an!«, rief ein Elf in verbeulter Rüstung.

»Wir ziehen uns zurück.« Erschöpfte Krieger kamen den Hang hinauf. Ihre Umhänge hingen in Fetzen. Die Rüstungen waren mit Staub und Blut bedeckt.

Eine Gruppe aus drei Kentauren und zwei Elfen kam den Hügel hinauf. Eine Elfenkriegerin mit kurzem, blondem Haar deutete zu Alvias und sagte dann etwas zu ihren Begleitern. Jetzt erkannte Alvias den Fürsten Elodrin. Der Heerführer lenkte sein Pferd zum Fuhrwerk herüber. »Ein ungewöhnlicher Ort, um dem Hofmeister der Königin zu begegnen.«

»Ich suche den Schwertmeister.« Alvias tastete nach dem ledernen Zylinder an seinem Gürtel. »Ich habe eine dringende Nachricht von der Königin für ihn.«

Elodrins Blick wurde härter. Die übrigen Krieger vermieden es, Alvias in die Augen zu sehen.

»Wo finde ich den Schwertmeister?« Der Fürst von Alvemer deutete auf das Schlachtfeld hinaus. »Irgendwo dort draußen. Du kommst zu spät.«

»Kann mich jemand zu ihm bringen?«

»Verstehst du nicht?«, fragte Elodrin grob. »Er wird deine Botschaft nicht mehr lesen. Er ist tot.«

»Das muss ein Irrtum sein. Er ist der Schwertmeister! Er ...«

Alvias stockte. Er hob den ledernen Zylinder, der das Siegel der Königin trug. »Er ist doch ...«

»Einer meiner Krieger hat ihn sterben sehen«, sagte ein Kentaur mit silbernen Strähnen in seinem Bart. Er kämpfte darum, die Fassung zu wahren, und sprach schnell und abgehackt.

»Ein Veteran aus Phylangan. Er kannte Ollowain gut. Es ist ausgeschlossen, dass er sich irrte. Der Schwertmeister hat sein Pferd aufgegeben, damit die Gräfin Caileen vom Schlachtfeld gebracht werden konnte. Die Trolle haben ihn umringt und niedergemacht. Er hat nicht einmal ...« Der Kentaur schüttelte den Kopf. »Es war mehr eine Hinrichtung als ein Kampf.« Alvias sah unschlüssig den Lederzylinder an.

»Gib mir die Nachricht«, forderte Elodrin. »Bis wir Feylanviek erreichen, werde ich wieder das Kommando führen. Ich sollte wissen, was die Königin Ollowain mitzuteilen hatte.«

Der Hofmeister zögerte. »Emerelles Befehl war eindeutig. Diese Nachricht ist allein für Ollowain bestimmt.«

»Bist du so schwer verletzt, dass du nicht mehr erkennst, was um dich herum geschieht?«, fragte der Fürst von Alvemer eisig.

»Du siehst hier ein Heer, das am Ende seiner Kräfte ist. Jeden Augenblick kann sich unser halbwegs geordneter Rückzug in eine wilde Flucht verwandeln. Wäre Nestheus nicht gewesen, der mit seinen Kentauren den Trollen in den Rücken gefallen ist, würden auf diesem Hügel nur noch Leichen liegen. Weißt du, dass es nur hundert Kentauren waren, die die Trolle vertrieben haben? Sie haben einen Lärm gemacht, als rückten alle Reiter der Steppe an. Sobald die Trolle bemerken, wie schwach wir sind, werden sie wieder angreifen. Deshalb räumen wir den Hügel und werden uns so schnell wie möglich zurückziehen. Ich muss wissen, welche dringende Nachricht Emerelle hat. Du weißt, dass sie in die Zukunft sehen kann! Will sie uns vor einem Feind in unserem Rücken warnen? Gibt es einen Hinterhalt? Oder sind Verstärkungen auf dem Weg zu uns? Willst du verantworten, dass noch mehr Krieger Albenmarks sterben, nur weil du dich an die Etikette hältst, Alvias?«

Die Argumente des Fürsten waren nicht von der Hand zu weisen. Und dennoch fühlte sich Alvias wie ein Verräter an Emerelle und Ollowain, als er das Siegel des Zylinders brach und die Botschaft herausgleiten ließ. Er kannte die Handschrift der Königin gut, doch hätte er nicht daneben gestanden, als sie die Botschaft verfasste, er hätte nicht geglaubt, dass sie von Emerelle stammte. Die Schrift war fahrig, die Buchstaben stark geneigt und undeutlich.

Verzeih mir, ich habe mich geirrt.

Gib auf dich Acht.

Komm zurück.

Lebe!

Alvias atmete schwer aus. Dann zerriss er den Zettel. »Was hat sie geschrieben?«, drängte Elodrin.

»Nichts, was jetzt noch eine Rolle spielte.« Der Hofmeister hatte gesehen, wie niedergeschlagen Ollowain gewesen war, als er den Thronsaal verlassen hatte. Er wandte sich an den Kentauren mit den silbernen Strähnen im Bart. »Was, sagtest du, hat dein Krieger berichtet? Es sei mehr eine Hinrichtung als ein Kampf gewesen?«

Der Pferdemann nickte. »Ja. Offenbar hat der Schwertmeister nicht einmal versucht, sich zu verteidigen. Schon der erste Hieb hat ihn gefällt. Er hat ...« Der Kentaur stockte. »Das war ... Ich...« Er konnte nicht mehr weiter sprechen.

»Stand etwas in der Nachricht, was sein Verhalten erklären würde?«, fragte die blonde Kriegerin.

»Nein«, log Alvias.

Drittes Buch

Der Enthauptete

Das Schwert

Äußerst zufrieden polierte Nikodemus die Klinge seines neuen Schwertes. Er würde die Waffe nicht wirklich im Kampf benutzen können. Es war ein Elfenschwert und folglich viel zu groß und schwer für einen Kobold. Aber eine Weile würde er es behalten. Allein, weil es so prächtig war. Er könnte es sich wie einen Zweihänder auf den Rücken schnallen. Und wenn er sich entschied, es zu verkaufen, dann wäre er ein gemachter Mann. Obwohl ... Nein, es wäre unrecht, das Geld für sich zu behalten. Nicht, solange der Freiheitskampf seines Volkes nicht entschieden war. Die Drucke beim Schwarzen kosteten ein Vermögen!

Doch heute war ein guter Tag für alle Unterdrückten! Auf dem Schlachtfeld lag ein Vermögen. Aber die Trolle interessierten sich wie die Krähen nur für das Fleisch. Überall auf der Ebene und den Hügeln brannten kleine Feuer. Der breite Buschstreifen am Bach, dort wo sich der Rudelführer Brodgrim mit seinen Männern versteckt hatte, war fast völlig gerodet. Die zerstörten Streitwagen, Kleiderreste, sogar Knochen, alles wurde genutzt, um die Feuer zu schüren. Über der ganzen Ebene hing der Duft nach gebratenem Fleisch.

Nikodemus schnürte es die Kehle zu, wenn er daran dachte, was für Fleisch da gebraten wurde. Und morgen schon würden sie wandern müssen, um so viel wie möglich von dem Fleisch zu den geheimen Vorratslagern zu bringen. Bei dem Gedanken daran schauderte es den jungen Kommandanten der Lutin. Bisher hatten sie nur Büffelfleisch, Schweinehälften, Mammutschinken und dergleichen in die Vorratskammern gebracht. Diesmal würde es anderes Fleisch sein ... Aber Geschäft war Geschäft! Elija hatte sich mit den Trollen eingelassen, und bei allem, was man über diese stinkenden Kannibalen auch Übles sagen mochte, sie hielten sich an ihr Wort.

Nikodemus betrachtete sich in der spiegelnden Schwert-

klinge. Er sah gut aus. Die feine lange Schnauze mit dem dichten roten Haar, die schmalen Lippen, auf denen keine einzige Warze wucherte, die spitzen, makellos weißen Zähne. Er freute sich darauf, bald wieder durch die Lande zu ziehen, um für die Sache der Rotmützen zu werben.

Verstohlen blickte er zu Ganda hinüber. Kommandantin Schlüsselchen kümmerte sich um einige der verwundeten Kobolde, die sie auf dem Schlachtfeld gefunden hatten. Es waren sehr wenige. Aber sie waren äußerst dankbar! Den Kerlen war klar, was ihnen widerfahren wäre, wenn die Trolle sie gefunden hätten. Hatte Elija sich erst mal ein paar Abende mit ihnen unterhalten, würden sie sicherlich treue Rotmützen werden.