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Die Haut des Trolls schimmerte ölig. Sie war graugrün mit hellen Einsprengseln, wie ein mit Flechten bedeckter Fels. Der Blick des Hünen hatte etwas Zwingendes. Kadlin hatte das Gefühl, dass der Bogen in ihrer Hand schwer wie ein Baumstamm wurde.

Björn war wieder zu sich gekommen. Er stöhnte vor Schmerzen und rief leise ihren Namen.

Langsam kam der Troll auf sie zu. Sie wollte schießen! Doch bevor sie den Bogen auch nur halb gespannt hatte, war der Troll über ihr und wand ihr die Waffe aus der Hand. Er beugte sich tief zu ihr hinab. Seine Naseflügel bebten. Wie ein Raubtier nahm er ihre Witterung auf.

»Maidchen«, sagte er unbeholfen. Sein Atem roch nach Kräutern. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wiegte sie hin und her, als halte er ein kleines Kind.

»Maidchen! Lecker Maidchen!« Er klopfte sich auf die Brust.

»Brud! Brud Jaiger.«

Die dem Herzen glaubt

Alvias schnippte ein Staubkorn von seinem schwarzen Umhang und blickte zur großen Flügeltür, die zum Thronsaal führte. Er wünschte, er hätte es schon hinter sich. Er hatte den Aufbruch aus Feylanviek um einen Tag hinausgezögert, weil er nicht wusste, wie er ihr sagen sollte, was geschehen war. Vielleicht wusste sie es auch durch die Silberschüssel? Aber hätte sie dann diesen Brief geschrieben? Er blickte zu dem prächtigen Springbrunnen, dessen Statuen den Augenblick von Falrachs Tod zeigten. Wer der Königin zu nahe kam, war in Gefahr, dachte Alvias. So war es schon immer gewesen. Emerelle überstand auf wundersame Weise jeden Sturm. Aber wehe denen, die sie begleiteten.

Die hohen Bronzepforten des Thronsaals schwangen auf. Eine Gestalt ganz in Schwarz trat heraus. Sie war also wirklich gekommen, dachte der Hofmeister bitter. Alathaia! Sie ging geradewegs auf ihn zu. Ein eisiger Luftzug eilte ihr voraus.

Der Luftzug kommt aus dem Thronsaal, redete er sich ein.

Das Kleid der Fürstin war schlicht und schmucklos. Sie lief barfuss! Ihr Gesicht war ein blasser Schemen hinter einem Gazeschleier. Als sie vor ihm stand, war ihr Antlitz gut zu erkennen. Ihr Schleier zog die Blicke an, doch verbarg er letztlich nur wenig. Deutlich sah er ihre dunkelgrünen Augen. Alathaias fein geschwungene Lippen waren von einem tiefen Rot. »Willkommen zurück, Hofmeister.« Ihre Stimme hatte einen warmen, sinnlichen Klang. »Ich hoffe, du bringst gute Nachrichten vom Schlachtfeld. Hat der Schwertmeister das Heer unserer Feinde zerschmettert?«

Alvias hatte das Gefühl, dass es eine rein rhetorische Frage war und sie längst wusste, wie die Kämpfe ausgegangen waren. Angeblich vermochte sie Geister herbeizurufen. Nicht die Seelen verstorbener Elfen, sondern jene, für die es nach dem Ende des Lebens nur die Finsternis gab.

»Du wirst verstehen, dass ich zuerst der Königin Bericht erstatte«, sagte er steif.

Sie schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln. »Ich habe schon gehört, dass du dich stets an die Etikette hältst, Meister Alvias. Würdest du mir die Freude bereiten, mich in meinen Gemächern aufzusuchen, nachdem du deine Pflichten gegenüber der Königin erfüllt hast?«

Sie schaffte es, das in einem Tonfall zu sagen, als gehe es dabei um irgendetwas Anzügliches. Was bildete sich dieses Weib ein! Alathaia beugte sich vor und hauchte ihm durch den Schleier einen Kuss auf die Wange. Ein schwerer, verstörender Duft stieg aus ihren Kleidern auf. Obwohl Alvias sich gut mit Parfüms auskannte, vermochte er diesen Geruch nicht zuzuordnen. »Ich erwarte dich, Alvias.« Mit einem Lächeln ging sie davon.

Welch ein überhebliches Miststück, dachte Alvias. Er beherrschte sich und sah ihr nicht nach. Stattdessen suchte er auf seinem Umhang noch einmal nach einem Staubkörnchen. Seine Finger strichen über den glatten Stoff. Die Flügeltür zum Thronsaal stand noch immer weit offen. Er zögerte, doch das weite Tor schrie ihm förmlich seinen Namen entgegen. Emerelle erwartete ihn.

Der Hofmeister straffte sich. Mit etwas steifen Schritten trat er ein. Leise rauschten die Wasserschleier an den Wänden. Emerelle saß auf ihrem Thron. Sie war allein in dem weiten, runden Saal. Ein Abendhimmel in Rot und Gold spannte sich über der offenen Kuppel.

»Komm herauf zu mir«, sagte Emerelle leise. »Lassen wir die Förmlichkeiten.« Alvias widersprach ihr nicht. Er widersprach ihr niemals. Aber es wäre ihm lieber gewesen, vor dem Thron zu knien. Dicht vor ihr zu stehen machte es schlimmer, die Nachricht zu überbringen, auch wenn sie ihren Schmerz sicher verbergen würde.

»Ich glaube, es besteht Grund zu der Annahme, dass wir den Angriff der Trolle um viele Wochen verzögert haben«, begann er seinen Bericht. Alvias erzählte vom Ablauf der Schlacht und vom Rückzug. Auch verheimlichte er nicht, dass sich das Heer der Verbündeten in Feylanviek wohl bald auflösen würde.

Emerelle hörte ihm aufmerksam zu. Manchmal stellte sie Zwischenfragen, um sich ein besseres Bild machen zu können. Besonderes Interesse hatte sie an Melvyn und Nestheus, dem jungen Kentauren, dessen tollkühner Angriff die Verteidiger auf dem Hügel vor dem Untergang bewahrt hatte.

Alvias lobte Ollowains Plan. In aller Ausführlichkeit erzählte er von den schwarzen Seidenballons. Nie zuvor hatte er von so etwas auch nur gehört. Der Schwertmeister war ein überragender Feldherr gewesen. Niemand würde ihn ersetzen können. Es hatte etwas Obszönes, sich zu vergegenwärtigen, dass an jenem Tag, an dem tausende gestorben waren, der Tod eines einzelnen Elfen das Schicksal Albenmarks besiegelt hatte.

»Trotz aller Verluste sind die Trolle immer noch stark. Sie werden sich schon bald von dieser Niederlage erholt haben, Herrin, und ich weiß nicht, wie wir sie dann aufhalten sollen. Ich fürchte, wir sollten darüber nachdenken, Feylanviek zu evakuieren.«

»Die Trolle fangen an, Fehler zu machen. Wie es scheint, hat Skanga einige Shi-Handan beschworen. Sie nutzt sie, um jene Albenkinder zu bestrafen, die nicht mit ihr paktieren wollen. Das wird das Bündnis stärken. Sie zeigt damit allen, was für eine Art Herrschaft uns erwartet, wenn die Trolle das Herzland erobern. Ich hoffe, ich werde neue Truppen senden können, wenn sich die Kentauren auf ihre Winterweiden zurückziehen. Im Übrigen bin ich zuversichtlich, dass Ollowain uns wieder mit einem Plan überraschen wird, der die Übermacht der Trolle bedeutungslos werden lässt.«

Nun war es also so weit, die Wahrheit ließ sich nicht länger hinauszögern. »Herrin, ich fürchte, wir können nicht mehr mit Ollowains Plänen rechnen. Er gehört zu jenen, die nicht zurückgekehrt sind.« Alvias konnte der Königin nicht länger in die Augen sehen. »Deine Nachricht hat ihn nicht mehr erreicht, Herrin. Ich bin zu spät gekommen.«

Nie zuvor hatte sich Alvias im weiten Thronsaal so einsam gefühlt. Nur das leise Rauschen des Wassers war zu hören. Nicht einmal das Lied der Nachtigallen störte die Ruhe. Sie waren verstummt, seit die Schatten die Burg heimsuchten.

Schließlich tat Emerelle einen tiefen Atemzug. »Du musst dich irren, Alvias.«

»Herrin, ich selbst sprach mit einem Kentauren, der ihn sterben sah. Glaube mir, dass ich nicht leichtfertig Nachricht über einen Tod bringe. Er gab sein Leben, um Caileen, die Gräfin von Dorien, zu retten. Er starb, wie er lebte. Wie ein Ritter.«

Alvias räusperte sich verlegen. Seit Tagen hatte er versucht, sich die Worte zurechtzulegen, mit denen er es Emerelle sagen konnte, und nun redete er solch pathetischen Unsinn!

»Gab es ein Feuer?«

Emerelle schien ihm ein wenig blasser geworden zu sein. Alvias verstand ihre Frage nicht. »Ein Feuer, Herrin? Wie meinst du das?«

»Kam er in Flammen um?«

»Nein, Herrin. Er wurde von Trollen umringt und niedergemacht.« Jetzt lachte die Königin. »Du weißt, dass er der beste Schwertkämpfer Albenmarks ist, Alvias. Das wäre niemals geschehen.« Der Hofmeister sah Emerelle fest an. Er hatte es ihr ersparen wollen. Wahrscheinlich hätte auch er nicht begriffen, was wirklich geschehen war, hätte er nicht um den Streit zwischen der Königin und ihrem Schwertmeister gewusst und nicht jene Zeilen gelesen, die Ollowain unbedingt noch vor der Schlacht hätten erreichen sollen. »Herrin, bitte glaube mir. Er ist den Trollen entgegengegangen und hat nicht einmal versucht, sein Schwert gegen sie zu erheben. Es war kein Kampf. Es war eine Hinrichtung. Das sind die genauen Worte des Kentauren Senthor, der Ollowain sterben sah. Ich habe ihn überzeugen können, diese Geschichte nicht weiterzuerzählen, damit der Tod eines Helden nicht von Gerüchten und unziemlichen Geschichten besudelt wird.«