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Eine Unebenheit im Boden ließ den Eissegler einen Sprung machen. Veleif stieß einen schrillen Schrei aus. Der Skalde war begeistert! Er wagte es sogar, ein Halteseil loszulassen und den Truppen zuzuwinken. Verdammter Bastard! Wie würde es aussehen, wenn er hinter dem Dichter zurückstünde?

Alfadas winkte mit beiden Armen. Hoffentlich reichten die Bodenlaschen allein, ihn zu halten. Die Fahrt war wie ein Rausch! Das Gefühl für die Geschwindigkeit ging langsam verloren. Ob man wohl auf so einem Segler herumlaufen konnte, wenn man sich an die Geschwindigkeit gewöhnte? Ulric und Kadlin würde es sicher gefallen, mit so einem Boot eine Fahrt über den vereisten Fjord zu machen.

Der Herzog blickte nach vorn. Sie hatten ihr Ziel fast erreicht. Am Tor der Bergfestung erwartete sie ein hoch gewachsener Elf auf einem Schimmel. Das weiße Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Er trug ein langes Gewand in der Farbe von frischem Rahm. Das Gesicht des Elfen wirkte abgezehrt. Nie war Alfadas einem Mann begegnet, der so müde aussah. Eine Ehrengarde begleitete den Fürsten von Phylangan. Krieger in weißen Waffenröcken mit langen silbernen Kettenhemden flankierten das Tor und bildeten eine weite Gasse in die große Höhle, die sich geöffnet hatte.

Ollowain bremste den Eissegler ab und drehte das Segel aus dem Wind. Hufschlag erklang. Orimedes, Lysilla und Fenryl preschten heran.

»Ich heiße euch im steinernen Garten willkommen«, sagte der Elfenfürst feierlich und machte die Andeutung einer Verbeugung.

Alfadas sah, wie selbst Männer, die weit entfernt standen, aufblickten, obwohl Landoran nur leise gesprochen hatte. Vielleicht lag es am Tal, vielleicht hatte der Elf auch einen Zauber gewirkt. Jedenfalls hatte der Herzog den Eindruck, dass ein jeder Landoran verstehen konnte, obwohl er in der Zunge seines Volkes sprach. »Ich danke unseren Verbündeten, den Menschen und den Kentauren, die mit ihrem Mut Leid und Tod von meinen Brüdern und Schwestern abgewendet haben. Und ich trauere mit euch um eure Gefährten, die für ihre Tapferkeit mit dem Leben bezahlt haben. So kehrt nun ein in unsere lichten Hallen und bettet eure müden Häupter zur Ruhe. Und wenn der Tag kommt, an dem euer Mut erneut auf die Probe gestellt wird, dann wisset, dass der steinerne Garten noch nie erobert werden konnte. Ganz gleich wie stark die Angreifer auch scheinen mögen, sie müssen erst den Berg bezwingen, bevor sie mit uns kämpfen können. Und was ist selbst ein Troll im Vergleich zu einem Berg?«

Alfadas wünschte im Stillen, der Fürst hätte mit seiner Rede ein wenig mehr Lambis Ton getroffen. Sicherlich waren es freundliche Willkommensworte, doch sie lösten keine sonderliche Begeisterung aus. Er sah sich in der Halle um. Ollowain hatte ihm davon erzählt; er hatte gesagt, sie würden zunächst in den Schneehafen gelangen, wenn sie über den Gletscher nach Phylangan reisten. So sehr sich der Schwertmeister auch bemüht hatte, ihm die Halle zu beschreiben, hatte sich Alfadas‘ Verstand dagegen gesträubt, sich einen Hafen in einem Berg vorzustellen. Nun sah er sich staunend um, denn einen Ort wie diesen hatte er selbst in Albenmark noch nicht gesehen.

Der Schneehafen war eine Höhle, so weit, dass man vergaß, ins Innere eines Berges getreten zu sein. Die Normirga hatten einen seltsamen Zauber gewirkt, der die Höhlendecke verschwinden ließ. Stattdessen gab es dort ein unstetes, blausilbernes Licht, das flackerte wie eine Fackel im Sturm. Es ließ Menschen und Elfen blasser erscheinen, als sie wirklich waren. Und der Atem, der ihnen in hellen Wolken vor den Mündern stand, bekam etwas Unwirkliches, Magisches.

Der Boden der weiten Halle bestand aus zerschrammtem Eis, und die fernen Wände schienen von Raureif und Eisblumen bedeckt zu sein. Am nördlichen Ende lagen steinerne Hafenmolen. Mächtige Eissegler, groß wie Handelsschiffe, lagen dort vertäut. Manche von ihnen hatten drei Masten. Ihre Segel waren gerefft, und von der Takelage und den Rahen hingen lange Eiszapfen, als seien diese Schiffe des ewigen Winters schon lange nicht mehr ausgelaufen.

Entlang der Piers warteten Ladekräne mit haushohen, hölzernen Laufrädern. Dunkle Öffnungen im Felsen mochten zu Lagerhallen führen.

So wie Delfine zuweilen von kleineren Fischen begleitet wurden, so waren auch diese großen Eissegler umlagert von kleineren Booten, die aussahen wie jenes, auf dem Alfadas in den Schneehafen gekommen war. Ihre Masten standen dicht wie ein Wald. Alfadas schätzte, dass es fast hundert sein mussten.

Auf der anderen Seite der weiten Halle fand sich ein Fuhrpark von Schlitten in allen Formen und Größen. Einige waren so riesig, dass Alfadas sich nicht vorstellen konnte, welche Tiere sie wohl ziehen mochten. Landorans Rede war von feierlicher Stille unterstrichen worden, doch als nun die Flüchtlinge vom Rosenberg in den Schneehafen kamen, erklang in der weiten Felshalle bald ein Lärmen, wie es Alfadas aus der Königsstadt Gonthabu kannte, wenn dort im späten Frühjahr Händler aus aller Herren Länder eintrafen. Hunderte Kobolde halfen, die Schlitten und kleinen Eissegler zu entladen. Und während Familien sich begrüßten und die Elfen einander in beredtem Schweigen umarmten, veranstalteten die Kobolde einen ohrenbetäubenden Lärm mit Zupfgeigen, seltsamen Blasinstrumenten und Handtrommeln. Ein Zauberer unterhielt die Kinder mit wirbelnden bunten Lichtern und wurde mit schallendem Gelächter belohnt.

Der Einmarsch der Menschen verlief erstaunlich geordnet. Die Kriegsjarls hatten ihre Gruppen in Fünferreihen aufgestellt und dafür gesorgt, dass jeder Mann seine Waffen polierte. Doch all diese Mühen mochten nicht über das abgerissene Aussehen der Verbündeten aus dem Fjordland hinwegtäuschen.

Die Männer sahen sich mit großen Augen um. Sie nahmen entlang der Eissegler Aufstellung, wo sie niemandem im Wege waren.

Nur Lambis Truppe schlenderte lässig in den Schneehafen. Sie hielten sich an keine Formation und gaben sich etwa so diszipliniert wie ein Haufen Seeleute, die nach wochenlanger Fahrt endlich das Hurenviertel einer Hafenstadt betreten durften.

Alfadas wandte sich an den Elfenfürsten, der an der Seite Ollowains den Auftritt von Lambi und seinen Männern mit feierlicher Gelassenheit ertrug.

»Wozu dienen die großen Segler dort?«

»Wir haben sie benutzt, um Versorgungsgüter, die von der Walbucht zum Rosenberg geschafft wurden, über die große Eisebene zu bringen. In den letzten Jahren lief allerdings der Großteil unseres Handels über das Windland, und er wurde von den Yak-Karawanen der Kentauren bestritten. Die Schiffe waren lange nicht mehr im Einsatz. Warum fragst du, Menschensohn?«

»Würdest du mir drei der Segler überlassen?«

Landoran runzelte ärgerlich die Stirn. »Ich wüsste nicht, welchen Nutzen du davon haben solltest. Du kannst gern drei Schiffe haben, doch kann ich keinen Windsänger unter dein Kommando stellen. Sie sind im Augenblick unabkömmlich. Ohne einen dieser Zauberer ist es nicht zu verantworten, eines der Schiffe auf die Ebene zu bringen. Sie wären den Launen des Winters hilflos ausgeliefert.«

»Würdest du mir denn einige Männer überstellen, die meine Krieger in der Bedienung der Schiffe unterrichten?«, beharrte Alfadas.

Landoran maß ihn nun mit eisigem Blick. »Ich vermag keinen Nutzen darin zu erkennen, den Umgang mit Eisseglern zu erlernen, die diesen Hafen nicht verlassen werden.«

»Schick mir die Männer, und ich werde dich beim Kriegsrat, den Ollowain in zwei Stunden einberufen wird, über das taktische Vorgehen im Kampf gegen einen überlegenen Feind belehren, der sich auf eine Belagerung vorbereitet«, entgegnete Alfadas kühl. Verdammter Bastard, dachte er bei sich. Mit dir werde ich noch viel Freude haben.

Landoran atmete tief aus und straffte sich. Einen kurzen Augenblick lang hatte es so ausgesehen, als werde er die Fassung verlieren, doch nun hatte er sich offensichtlich wieder in der Gewalt. »Was soll das heißen? Was für ein Kriegsrat?«

Alfadas antwortete, noch bevor Ollowain ein Wort herausbrachte. »Wenn ich richtig unterrichtet bin, führt Lyndwyn das Kommando über Phylangan, auch wenn sie uns nicht die Gunst erweist, uns hier zu begrüßen. Sie hat Ollowain den Befehl in allen militärischen Belangen überlassen. Und wie du sicherlich einsehen wirst, ist es angeraten, dass sich die Befehlshaber unseres Bündnisses schnellstmöglich zu einem Kriegsrat versammeln.« Alfadas wusste um das angespannte Verhältnis zwischen dem Schwertmeister und dessen Vater. Er warf Ollowain einen flehenden Blick zu und hoffte, dass er sich auf diese Intrige einlassen würde. Es war wichtig, dass von Anfang an feststand, wer in Phylangan das Kommando hatte.