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»Ihr, die ihr euch nicht einmal aus eigener Kraft gegen die Kälte zu schützen vermögt, seid nach den Gesetzen meines Volkes Kinder«, erklärte Landoran herablassend. »Kein erwachsener Normirga wird bereit sein, sich euren Launen zu fügen.«

»Glaubst du nicht, dass es unklug ist, auf allen Gesetzen unseres Volkes zu beharren, wenn drei Völker in Freundschaft Seite an Seite fechten sollten, Vater?«, fragte Ollowain. »Was denkst du, wie lange das Bündnis währt, wenn nur das Wort erwachsener Normirga zählt?«

»Der Kriegsrat wird in zwei Stunden im Perlensaal zusammentreten«, entschied Landoran harsch. »Hier ist nicht der Ort für einen Streit. Nur Kinder können sich so wenig beherrschen, dass sie ihre Meinungsverschiedenheiten in die Öffentlichkeit tragen.«

Der Fürst klopfte seinem Schimmel sanft auf den Hals und ritt dann zu den Flüchtlingen hinüber. Lysilla folgte ihm und bedachte Ollowain und Alfadas mit einem süffisanten Lächeln.

»Eingebildeter alter Sack«, murrte Orimedes. »Was glaubt der wohl, wer seine Festung verteidigt, wenn wir Kinderchen uns entschließen zu gehen?«

»In einem Punkt hat er Recht, mein Freund«, erwiderte Alfadas. »Streiten sollten wir uns, wenn der Kriegsrat tagt. Es ist schlecht für die Moral der Truppen, wenn sie sehen, wie einig wir uns sind.«

»Herzog?« Graf Fenryl war abgesessen und kam zu ihm hinüber. »Ich stehe tief in deiner Schuld, Menschensohn. Dank dir sind meine Frau und mein Kind, ja meine ganze Sippe am Leben. Auch unter den Meinen gibt es Windsänger. Ich werde sie deinem Befehl unterstellen, ebenso wie die beiden Lastenschiffe, die unter der Fahne des Rosenbergs segeln.«

Alfadas winkte ab. »Du schuldest mir nichts. Und ich möchte nicht, dass du um meinetwillen in Streit mit deinem Fürsten gerätst.«

Fenryl wollte davon nichts hören. »Ich vertraue deinem Urteilsvermögen als Feldherr. Die Normirga wurden schon einmal von den Trollen vertrieben. Ich bin überzeugt, dass es besser für mein Volk ist, wenn diesmal jemand anderes den Oberbefehl führt. Du hast doch einen Plan, nicht wahr? Sag mir, was du brauchst, und ich sorge dafür, dass du es bekommen wirst.«

Der Herzog überlegte kurz, ob er die Entscheidung im Kriegsrat abwarten sollte. Doch es zählte jede Stunde, die sie noch hatten, bevor die Hauptstreitmacht der Trolle eintraf.

»Besorge mir alle Windsänger, die du finden kannst. Außerdem brauche ich Zimmerleute und die Schmiede, die die Kufen für die Eissegler gefertigt haben. Und dazu Männer, die keine Angst haben, sich einem Feind zu stellen, der uns hundert zu eins überlegen sein wird.«

Von Bartwichse und vom Tod

Shahondin beobachtete, wie die lange Kolonne in der Höhle verschwand. War sie hier? Die Erschütterung der Albenpfade hatte ihn angezogen, als das Heer der Menschen durch das Nichts marschierte. Als er Ollowain entdeckte, wusste er, dass er endlich auf der richtigen Spur war. Dort, wo der Schwertmeister war, konnte die Königin nicht fern sein. Er musste Ollowain nur folgen. Über kurz oder lang würde er ihn schon zu Emerelle führen.

Die Bestie in Shahondin winselte um Futter. Der Fürst streckte sich. Sein Leib war fast völlig in einer Schneewehe verborgen. Nur sein großer Kopf ragte hervor. Ärgerlich wurde sich der Elf ein weiteres Mal bewusst, dass er keinen Körper mehr hatte. An alles andere hatte er sich gewöhnt, doch diese Geistgestalt war ihm lästig. Von der Bestie in ihm war kaum mehr etwas geblieben. Wie ein schwacher, glimmender Funke in einem seit Stunden verloschenen Feuer regte sich noch ein winziger Rest des Bewusstseins dieser seltsamen Kreatur. Zwei Tage hatte sich Shahondin ihr gebeugt, um von ihr zu lernen. Dann hatte er ihre Existenz so gut wie ausgelöscht. Was glaubte diese dreckige Trollschamanin eigentlich? Dass er, Shahondin, Fürst von Arkadien, sich von einer primitiven Bestie beherrschen ließe? Er war älter als die meisten Wälder Albenmarks. Dieses Trollweib hatte ihn nur bezwingen können, weil sie einen Albenstein besaß. Wäre da nicht diese geborgte Macht gewesen, sie hätte als sabbernde Idiotin geendet. Er hätte ihren Verstand in dem Moment ausgelöscht, in dem sie den seinen berührte. Doch dieser verfluchte Stein war wie ein unüberwindlicher Schild gewesen. Also hatte er sich Skanga fügen müssen. Die Bestie tief in ihm heulte auf vor Hunger. Welch ein törichtes Geschöpf! Eine körperlose Geistgestalt brauchte kein Fressen. Es sättigte ihn nicht, wenn er irgendeinem Geschöpf aus Fleisch und Blut sein Lebenslicht nahm. Es bereitete ihm lediglich Vergnügen. Zwei Mal hatte er diesem Trieb nachgegeben. Er hatte einen Troll gestellt, der als Späher den Menschen nachgesetzt hatte. Und das zweite Mal waren es ein Elfenweib und dessen drei Kinder gewesen. Inmitten des Schneetreibens, als die Trolle den Elfenzug überfallen hatten, war er auf ihren Schlitten gesprungen und hatte sie gemordet. Kinder zu töten, war eine besondere Freude. Ihr Licht war reiner.

Vor den Menschen hütete er sich jedoch. Jeder von ihnen führte Eisen mit sich, und wenn es nur ein Messer war oder die Spitze eines Speeres. Etwas in der Art, wie sie das Metall verarbeiteten, war zutiefst widernatürlich. Es störte den Fluss der Magie. Shahondin hatte eine der Waffen berührt, die auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben waren. Vorsichtig, mit ausgestreckter Pfote. Und er hatte mit sengendem Schmerz bezahlt, so als habe er ins Herz einer blauen Flamme gegriffen. Es hatte etwas von der Essenz gestohlen, aus der sein magischer Leib bestand. Das Eisen der Menschen könnte ihn töten. Er musste sich vor ihm hüten! Zum Glück konnte er es schon von Weitem spüren. Es hinterließ eine Disharmonie im Gefüge der Welt. Alles in Albenmark war von Magie durchdrungen. Ihre unsichtbaren Muster waren gestört, wo ein Mensch mit seinen Eisenwaffen entlang ging. Shahondin wunderte sich darüber, dass die Elfen es nicht bemerkten. Vielleicht waren seine Sinne in jenem Leib, in den Skanga ihn gezwungen hatte, auch unendlich feiner. Er war ein Geschöpf der Magie und in weitaus stärkerem Maße mit dem magischen Teil der Welt verbunden, als er es als Elf gewesen war. So konnte er sich vor den Waffen der Menschen hüten, solange er die Bestie in sich in Schach hielt. Er ahnte, dass diese Kreatur in ihrer Gier zu morden jede Vorsicht fahren lassen würde.

Shahondin dachte an den Anführer der Trolle. Ein erstaunlich fähiger Wilder! Der Fürst erinnerte sich, dass Orgrim Zeuge gewesen war, als Skanga ihn verwandelt hatte. Die Trolle waren keine Bedrohung. Sie verabscheuten Waffen aus Eisen, ja aus jeglichem Metall. Dennoch waren sie gut darin, Menschen niederzumachen.

Der Blick des Elfenfürsten wanderte über die himmelragenden Felswände. Die Trolle würden mit sehr viel Blut bezahlen, wenn sie versuchten, Phylangan zu erstürmen. Vielleicht konnte er ihnen helfen? Es sollte ein Leichtes für ihn sein, Angst in die Herzen der Verteidiger zu tragen.

Er ging auf den Fels zu, und sein Leib glitt in den Stein hinein. Dunkelheit umfing ihn. Er ließ sich vom Netz der magischen Muster leiten und spürte, wie es weit über ihm verzerrt war. Die Normirga brachen sich nicht mit Gewalt ihren Weg durch den Stein. Sie hatten ihn auf magische Weise verformt, wo sie Tunnel und Kammern in den Berg getrieben hatten.

Shahondin ließ sich durch das Felsgestein nach oben treiben und erkundete die verborgene Festungsanlage. Parallel zum Gletscher war ein langer Tunnel in den Berghang gegraben, der den Eisstrom flankierte. Die breiten Felsnasen, die sich aus dem Steilhang schoben, waren wie Türme mit mehreren übereinander liegenden Stockwerken versehen. Schießscharten, die man mit Holzläden verschlossen hatte, waren zur Tarnung außen mit einem Grobputz bestrichen, der dem gewachsenen Fels zum Verwechseln ähnlich sah.