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»Komm, leer den Pokal bis zur Neige!«, ermutigte ihn der Kentaur. »Der Wein macht keinen schweren Kopf.« Aber vielleicht half er zu vergessen ... Ollowain blickte zur Brücke hinauf, dann umfasste er das Silber mit beiden Händen und trank.

Orimedes versetzte ihm einen freundschaftlichen Knuff. »Ich muss dir was gestehen. Ich habe dich hintergangen.« Der Kentaur lächelte verschwörerisch. »Ich weiß, dass meinem Volk der Ruf vorauseilt, wir seien eine versoffene Bande von Raubeinen. Ein wenig Wahres ist da vielleicht dran ... Aber unsere Trinkgelage haben feste Regeln. Wenn zwei Männer vom selben Wein bis zur Neige trinken, dann sind sie fortan Freunde und keine Fremden mehr.«

Der Kentaur beugte sich vor und schloss den völlig überraschten Ollowain in die Arme. »Da das nun geklärt wäre, kannst du dich mir ruhig anvertrauen. Und sei dir gewiss, eher würde ich mir die Zunge abbeißen, als eines deiner Geheimnisse zu verraten.«

Ollowain sah den Kentaurenfürsten verwirrt an. »Wovon redest du?«

»Ich bin vielleicht ein Barbar, aber ich bin nicht blind. Du bist nicht mehr der Mann, den ich am Albenstern in Windland verlassen habe. Etwas nagt an dir. Lass es heraus! Zu trinken und zu reden hilft. Vertrau mir. Hör auf den Rat eines berüchtigten Säufers und Schwätzers.« Orimedes schenkte ihm nach.

Der Elf musste lächeln. Vielleicht stimmte es ja, was sein neuer Freund sagte. Und selbst wenn nicht. Für alle hier in der Festung waren die Tage gezählt.

»Es liegt an Lyndwyn ... Sie ... Sie hat die Flucht genutzt, um Emerelle den Albenstein zu stehlen. Und sie ... Es ist...« Er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, um zu beschreiben, was er sich selbst immer noch nicht erklären konnte.

»Verdammte Hexe!«, murrte sein neuer Freund. »Ich wusste gleich, dass man der nicht trauen kann.«

»Ich habe mich in sie verliebt.«

Orimedes verschluckte sich. Hechelnd rang er um Atem. Dann herrschte einen Augenblick lang betretene Stille. »Tja ...«, sagte er schließlich vorsichtig. »Manchmal sind es gerade die Hexen, die uns den Kopf verdrehen. Habt ihr denn schon einmal ... Du weißt schon.« Er machte eine obszöne Geste.

»Ja«, sagte Ollowain knapp. »Und wir haben uns gestritten. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.« Er erzählte dem Kentauren die ganze Geschichte. Und tatsächlich war es so, dass es half, von Lyndwyn zu reden. Er fühlte das, was jenseits aller Täuschungen wahrhaftig war. Und er fühlte einen Schmerz, den er nicht in Worte zu fassen vermochte. »Ich versuche, sie zu vergessen, aber ... Sie hat mein Herz berührt. Ich ...«

Orimedes legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Ich fürchte, du bist verloren, mein Freund.« Er lächelte verstehend.

»Du bist verliebt. Suche sie, das ist das Einzige, was du jetzt noch tun kannst.«

»Aber wo?«, rief der Elf verzweifelt.

»Landoran wird es wissen.«

Ollowain dachte an seine Jugend. An die Enttäuschung in den Augen seines Vaters, als er nicht zu zaubern vermocht hatte, so sehr er sich auch bemüht hatte. Er war nicht der Sohn, den der Fürst der Normirga sich gewünscht hatte. Und sein Vater hatte ihn das nur zu deutlich spüren lassen. Landoran würde ihm niemals helfen! »Phylangan birgt ein Geheimnis. Es geschieht etwas, das die Normirga vor uns verbergen. Und mein Vater hat Lyndwyn in diese Sache hineingezogen.«

Der Kentaur strich sich nachdenklich über den Bart. »Meine Männer sind ein wenig durch den Berg gelaufen. Man muss ja schließlich wissen, was man verteidigt«, sagte er entschuldigend.

»Und man muss wissen, wo die Weinvorräte lagern.« Orimedes lachte laut auf. »Ich sehe, wir sind verwandte Seelen. Vor dem Himmelshafen gibt es eine große Treppe. Wenn man sie eine Weile hinabsteigt, kommt man an einen Ort, an dem drei Wachen den Weg versperren. Ich denke, du wirst finden, was du suchst, wenn du es schaffst, an ihnen vorbeizukommen.«

»Du meinst, sie halten Lyndwyn gefangen? Das ist unmöglich, Orimedes. Sie besitzt den Albenstein und ist eine Zauberin. Niemand in diesem Berg könnte sie gegen ihren Willen festhalten.«

»Und wenn sie freiwillig dort unten ist?«, gab der Kentaur zu bedenken. »Sie ...«

»Was?«

Orimedes stand wie versteinert. Mit offenem Mund blickte er auf den See. Wie in Trance hob er den Arm und deutete auf das Wasser. »Die Fische. Sieh nur!«

Geisterhaft blasse Fischleiber stiegen aus den dunklen Tiefen des Sees an die Oberfläche. Leblos trieben sie mit den weißen Bäuchen nach oben in der sanften Dünung. Bald waren es hunderte.

»Was geschieht da?« Orimedes wich ein Stück vom Ufer zurück, als fürchte er, das Los der Fische zu teilen. »Der See! Er muss vergiftet sein. Es werden immer mehr. Alles ist tot!«

Ollowain blickte auf das grüne Wasser. Es hatte fast die Farbe von Lyndwyns Augen. Diese wunderbaren grünen Augen mit den goldenen Sprenkeln darin! Den Kentaur schüttelte ihn.

»Was ist das?«

»Lyndwyn ...« Ollowain blinzelte. Der Bann war gebrochen.

»Bleib hier. Achte darauf, dass niemand aus dem See trinkt. Ich hole Hilfe.«

Die Spinne unter dem Regenbogen

Gundar kniete sich vor dem Götterbild in den Schnee. Ole hatte es tatsächlich gewagt! Dies hier war der Ort, an dem seine Pilgerfahrt im Wahn geendet hatte.

Der Priester tastete über die raue Oberfläche des Holzes. Man hatte das Bildnis des Luth aus einem dicken Eichenstamm geschlagen. Der Kopf mit seinen wulstigen Augenbrauen war gut ausgearbeitet, doch unterhalb der Schultern hatte der Künstler nur vage die Formen des Körpers angedeutet. Und das Wenige war längst unter einem Panzer miteinander verbackener, rostiger Eisenstücke verschwunden. Da fanden sich Nägel, Bruchstücke von zerbrochenen Klingen, Ringe, Blechstücke, ein Hufeisen. Entlang der Passstraße gab es ein Dutzend oder mehr dieser Götterbilder. Jeder Reisende opferte an ihnen ein Stück altes Eisen und bat den Schicksalsweber um Schutz für den Weg über die Berge. So kleideten sich die Statuen über die Jahrhunderte in einen Panzer aus Eisen und Rost. Man nannte sie Eisenmänner.

Ulric hatte den Hammer mit dem Steinkopf gepackt, der neben der Statue auf einem flachen Felsen lag. Mit all seiner Kraft trieb der Junge einen Nagel in den Fuß des Götterbildes.

Gundar betrachtete noch immer die Lücken, die in den Rostmantel der Statue gebrochen waren. Was hatte Ole dazu gebracht, einen Gott zu berauben?

»Wird Luth uns schützen?«, fragte Ulric und legte den Hammer zurück.

»Dein Onkel hat den Schicksalsweber erzürnt«, antwortete der Priester ernst. »Beten wir, dass wir Luth gnädig stimmen können.«

»Aber wir bringen doch alles zurück. Ist es dann nicht wieder gut?«

Gundar seufzte. »Vielleicht.« Er öffnete den Lederbeutel mit den rostigen Eisenstücken, die Ole in seine Peitschenschnüre eingeflochten hatte. Dann nahm der Priester den Hammer und versuchte, sie vorsichtig wieder in das Holz zu treiben.

»Gundar?« Ulric rieb sich die Hände, die rot vor Kälte waren.

»Wenn ich meinen Zauberdolch in den Eisenmann stoße, wird Luth Halgard dann wieder ganz gesund machen?«

Der Priester hielt in seiner Arbeit inne und blickte zum Himmel. Was sollte er auf diese Frage nur antworten? »Der Dolch ist dein größter Schatz, nicht wahr?«

Der Junge nickte.

»Und du würdest ihn für Halgard opfern?«

»Wenn Luth sie wieder gesund macht.«

»Es ist nicht die Art des Schicksalswebers, uns zu berauben. Ich bin mir sicher, Luth hat gehört, was für ein Opfer du bringen würdest. Und er weiß, dass du mit reinem Herzen sprichst. Behalte den Dolch. Luth war es, der den Pfad deines Lebens so knüpfte, dass du den Schwertmeister der Elfen trafst und dass Ollowain dir dieses Geschenk machte. Der Dolch ist also auch ein Geschenk Luths an dich. Und Geschenke gibt man nicht zurück. Damit würdest du den Gott beleidigen.«

»Ich wollte ihn nicht kränken«, sagte Ulric zerknirscht.

»Manchmal ist es sehr schwer, die Götter zu verstehen. Gut, dass du da bist und erklären kannst, was sie wollen.«