1. Tag der Reise, Vormittag: Lange vor Morgengrauen wurde der Kriegsrat einberufen. Ein ungünstiges Omen überschattet den Tag unseres Aufbruchs aus dem Schneehafen von Phylangan. Alle Fische im See der Himmelshalle sind verendet. Es gibt keine Erklärung für dieses Ereignis, genauso wenig wie für die toten Kobolde, die man vor drei Tagen gefunden hat. Ein unsichtbarer Feind scheint sich in die Felsenburg eingeschlichen zu haben.
Nachmittag: Die Rosenzorn riecht nach frischer Farbe. Wie die Weidenwind und die Schwertwal wurde der Eissegler weiß, gestrichen, damit er in der Eislandschaft schwerer zu entdecken ist. Der Menschenfürst Alfadas ist an Bord gekommen. Er wird das kleine Geschwader führen. Sein Bordoffizier ist eine Gestalt, der die halbe Nase fehlt. Außer mir sind nur noch sieben Elfen an Bord. Auf den beiden anderen Schiffen sieht es ähnlich aus. Auf Befehl des Herzogs wurden zahlreiche Veränderungen vorgenommen. Schwere Windenarmbrüste sind auf die Reling aufgesetzt. Und entlang des Rumpfes schmiegen sich lange Metallblätter, die aus stählernen Schiffskufen geschmiedet wurden. Die Menschen an Bord sind ein verwegener und ungewaschener Haufen. Obwohl ich nur als Windsänger die Flottille begleite, kann ich es nicht lassen, das Logbuch zu führen wie einst in glücklicheren Zeiten.
Abend: Die Flotte hat in der Dämmerung den Schneehafen verlassen. Der Abschied ist mir schwer gefallen. Shaleen befürchtet, dass ich nicht wiederkehren werde. Ich habe sie gebeten, an Bord des nächsten Eisseglers, der aus dem Himmelshafen ausläuft, Phylangan zu verlassen. Drohendes Unheil liegt über der Felsenburg wie ein alles erstickender Schatten.
2. Tag der Reise, Vormittag: Die Segler machen gute Fahrt. Wir hoffen, bis zur Mittagsstunde die Hügel zu erreichen, bei denen wir das Trollheer zuletzt gesichtet haben.
Nachmittag: Die Trolle sind verschwunden. Alfadas lässt drei kleine Eissegler aussetzen, die uns als Späher vorauseilen sollen. Die Flottille bewegt sich mit langsamer Fahrt in östliche Richtung.
Abend: Einer der kleinen Eissegler ist nicht zurückgekehrt. Es herrscht Unruhe unter den Menschen. Sie sehnen sich nach einem Kampf. Ich habe Alfadas angeboten, morgen im ersten Tageslicht mit meinem Falken Schneeschwinge zu reisen, um nach dem vermissten Boot zu suchen.
3. Tag der Reise, Vormittag: Ich entdecke das Wrack des Eisseglers. Das Boot scheint mit hoher Geschwindigkeit in raues Gelände gefahren zu sein. Unbegreiflich! Obwohl überall Blutspuren im Schnee sind, sind keine Leichen zu finden.
Nachmittag: Wir haben einen Späher der Trolle entdeckt. Nachdem wir ihn mit den Schiffen weit über eine Meile über das Eis gehetzt haben, geht Lysilla, die Schiffsführerin der Weidenwind, von Bord und tötet ihn mit obszöner Leichtigkeit. Ich weiß nicht, ob ich sie als Meisterin im Schwertkampf bewundern oder als Mörderin eines hoffnungslos unterlegenen Gegners verachten soll. Die Flottille hält weiter östlichen Kurs. Alfadas sieht davon ab noch einmal die kleinen Eissegler einzusetzen. Stattdessen bittet er mich, mit meinem Falken zu fliegen.
Abend: Habe zwei weitere Späher der Trolle entdeckt, denen wir jedoch ausweichen können. Der Wind weht stetig aus Nordwest. Wir machen gute Fahrt.
4. Tag der Reise, Vormittag: Alfadas bittet mich, mit Schneeschwinge nach Osten bis zur Walbucht zu fliegen. Wir sind nicht mehr weit vom Rosenberg entfernt.
Später Nachmittag: Die Trolle sind in der Walbucht gelandet. Ihr Heer marschiert das Tal zum Rosenberg hinauf. Die Kolonne reicht von Horizont zu Horizont. Ich soll noch einmal fliegen und auskundschaften, wo sich ihr König befindet. Ich habe ein ungutes Gefühl...
Kriegsrat
Orgrim blickte auf den endlosen Zug, der das Swelm-Tal hinaufkam. Stolz erfüllte sein Herz. Sie waren wie eine Lawine aus Fleisch! Nichts, das sich ihnen in den Weg stellte, würde sie aufhalten können.
Ein schriller Schrei ließ ihn herumfahren. Birga heftete einen langen Hautstreifen auf den türgroßen Schild, den sie vor ihrem Opfer in den Schnee gerammt hatte. Der Menschenkrieger, den sie verhörte, war nackt auf einen zweiten Schild gebunden. Von seiner Brust und den Oberschenkeln hatte die Schamanin breite Hautstreifen abgezogen. Sie ging schnell vor, anders als bei den Elfen. Es erforderte keine große Kunstfertigkeit, um den Willen eines Menschen zu brechen.
Branbart und die übrigen Fürsten der Trolle standen um die Schamanin versammelt und sahen ihr wie gebannt zu. Auch Skanga war dort. Sie hatte sich auf einem Bündel alter Felle niedergelassen. Ihre Augen waren geschlossen, doch Orgrim kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht schlief.
»Und, was sagt der Kerl?«, fragte Branbart neugierig. »Woher kommen sie?« Die Schamanin redete in einer seltsam zischelnd klingenden Sprache auf den Krieger ein. Er antwortete stoßweise. Was für Weichlinge! Sie hatten bisher nur zwei Menschen lebend fangen können. Der Erste war schon bei einer leichten Befragung verreckt. Den Zweiten hatten sie aufgehoben, um ihn in Anwesenheit des Königs zu verhören. Orgrim wusste, dass Branbart solche Schauspiele schätzte.
»Der Mann sagt, er kommt aus einer großen Stadt, die Honnigsvald heißt. Sie scheint von einem mächtigen Erdwall umgeben zu sein.«
»Honnigsvald?« Der König sprach das Wort langsam aus, als koste er den fremden Klang auf seiner Zunge wie ein gutes Stück Fleisch. »Wo ist das?«
»Die Stadt gehört zum Fjordland. Ein alter König regiert dort.« Branbart machte eine ärgerliche Geste. »Ich kenne das Fjordland. In meiner Jugend war ich auf Jagdausflügen in den Bergen im Norden dieses Königreichs. Die Menschen dort glauben, sie könnten uns von den Pässen fern halten, wenn sie Holzmänner aufstellen, die mit Eisen gespickt sind.« Er zog geräuschvoll die Nase hoch und spuckte aus. »Diese Narren! Wir haben sie jahrzehntelang verschont, und das ist der Dank. Honnigsvald soll brennen! Und dem alten König ziehst du die Haut ab und schickst sie mir! Ihnen wird es noch Leid tun, dass sie dem Elfengewürm ihre jämmerlichen Krieger geschickt haben.«
Er trat dicht an den Gefesselten heran und blickte ihm ins Gesicht. »Hörst du mich, du feiger, kleiner Scheißer? Die Stadt, die dich geboren hat, werde ich verbrennen. Jede jämmerliche Hütte werde ich abfackeln lassen. Der Schnee in deiner Heimat wird unter Asche verschwinden. Euch Menschen wird es wie jedem ergehen, der den Normirga hilft!« Er zog die Nase hoch und spuckte dem Mann einen Schleimklumpen in die offene Wunde über seinem Herzen. »Lästige kleine Läuse!« Branbart legte seine Hand auf das Gesicht des Menschen. Es verschwand gänzlich unter der großen, grauen Pranke.
»Mein König, es ist nicht klug ...«, wandte Orgrim ein.
»Erzähl mir nichts über Klugheit, du neunmalkluger Versager!« Der Mensch stieß einen schrillen Schrei aus. Sein Schädel knirschte. Die Adern auf Branbarts Arm traten hervor, seine Muskeln zeichneten sich deutlich ab. Der Herrscher zitterte vor Anstrengung. Blut spritzte auf. Zufrieden lächelnd trat er zurück und betrachtete den kopflosen Kadaver, während er seine blutige Hand lässig an seiner Hose abwischte.
»Man kann sie wie Läuse zerquetschen.« Dumgar, der Herzog vom Mordstein, grinste. »Hundert von uns könnten wohl ein ganzes Menschenreich auslöschen.«
»Ich habe schon Läuse zwischen den Fingern gehabt, die mehr Widerstand leisteten«, murmelte Branbart, und seine Herzöge lachten.
Orgrim dachte an den Heerhaufen mit den langen Speeren. Sie hatten keine Ahnung, diese Speichellecker! Für ihre Dummheit und Überheblichkeit würden ihre Krieger mit Blut bezahlen.
»Du erinnerst mich da an etwas, Dumgar!« Branbart drehte sich zu Orgrim um. »Mein Freund, der Schiffeversenker, hat es wieder einmal geschafft, unserem Heer Schande zu bereiten. Wie mir zu Ohren kam, hat der Feigling sich auf einem Hügel verschanzt und keine Anstalten gemacht, die Weichschädel und ihre Elfenfreunde zu verfolgen, als sie geflohen sind.«