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Orgrim traute seinen Ohren nicht! Er hatte getan, was vernünftig war, und er hatte seinen Gegnern eine blutige Niederlage beigebracht, als sie versucht hatten, den Hügel zu stürmen. Sie waren die Feiglinge, die davongelaufen waren! Wie konnte dieser alte Bastard die Wahrheit nur derart verdrehen!

»Orgrim! Ich entziehe dir dein Kommando als Rudelführer!«

Orgrim legte die Hand auf den schweren Kriegshammer in seinem Gürtel. Er sollte dieser Narrenposse ein Ende machen!

»Man kann das auch ganz anders sehen«, erklang Skangas leise Stimme. »Bis auf den Königsstein haben die Elfen alle Felsenburgen fluchtartig verlassen. Man könnte also sagen, dass Orgrim mit nur zweihundertfünfzig Kriegern die Snaiwamark erobert hat. Nie zuvor hat ein Troll einen eindrucksvolleren Sieg über die Normirga errungen.«

»Misch dich nicht in die Geschäfte des Krieges ein, Weib!«, schrie Branbart auf. »Ich weiß, warum du diesen kleinen Welpen beschützt. Man hat dich gesehen, Alte. Es stimmt doch wohl, dass du nach der Schlacht von Vahan Calyd eine Nacht mit ihm allein in einer Höhle verbracht hast.« Der König lachte anzüglich. »War er so gut, dass du ihm immer noch bei jeder Gelegenheit die Stange hältst?« Branbart sah sich Beifall heischend um, doch keiner seiner Herzöge wagte es, über Skanga zu lachen.

»Große Könige benutzen ihren Kopf zum Denken, Branbart, und nicht das kleine Ding, das zwischen ihren Beinen hängt. Aber seit du den Schlag vor den Kopf bekommen hast, scheinst du jedes Mal, wenn du die Nase hochziehst, ein Stück deines Verstandes mit auszuspucken. Orgrim ist der Krieger, der im Verlauf des Feldzugs die größten Erfolge für dich errungen hat. Oder ist jemand hier anderer Meinung?« Skanga sah die versammelten Herzöge einen nach dem anderen an. Niemand wagte es, ihr zu widersprechen. »Orgrim war als Erster hier. Er hat die Wolfsgrube besetzt, ganz gleich, ob er nun kämpfen musste oder nicht. Allein seine Anwesenheit hat genügt, um die Elfen in solchen Schrecken zu versetzen, dass sie alle Felsenburgen bis auf den Königsstein aufgegeben haben. Und was wird ihm das bringen? Dein Freund Dumgar vom Mordstein wird die Wolfsgrube übernehmen, ebenso wie den Mordstein, weil er als Wiedergeborener das Recht hat, seine alten Besitztümer einzufordern. Und der Lohn des Mannes, der dies alles vollbracht hat, wird es sein, dass du ihm den Titel des Rudelführers nimmst? Trottel! Schick deine Herzöge los, und die Eroberung des Königssteins wird ein ähnliches Massaker werden wie der völlig unnütze Kriegszug gegen Reilimee!« Sie deutete hinab auf die marschierenden Truppen. »Fast viertausend deiner Männer sind vor der Hafenstadt verblutet. Und wer war der Krieger, der als Erster auf den Mauern von Reilimee stand?« Wieder sah sie herausfordernd zu den Herzögen. »War einer deiner Fürsten darunter?«

Orgrim lächelte. Er nahm die Hand von seiner Waffe. Es mochte sein, dass er vielleicht niemals seinen Herzogstitel errang, aber mit Skanga als Verbündeter fühlte er sich stärker als der ganze Kriegsrat des Königs.

»Weiber haben noch nie Einsicht in die Notwendigkeiten eines Kriegszugs gehabt«, wandte Branbart lahm ein. »Doch weil ich dich dennoch ehre, große Schamanin, werde ich dich weiterhin in meinem Rat dulden. Wir sollten nun darüber reden, wie lange es dauern wird, unsere Krieger bis zum Königsstein marschieren zu lassen.

Orgrim wandte sich ab und blickte wieder das weite Tal hinab. Zwischen den marschierenden Trollen hatte er riesige Gestalten entdeckt. Mammuts! In der Welt der Menschen waren diese Geschöpfe sehr selten. Aber in den alten Geschichten über die Snaiwamark hieß es, dass dort einst große Herden von Mammuts gelebt hatten und auch Wollnashörner sehr verbreitet gewesen waren.

Nun erstand die Welt dieser Geschichten um sie herum wieder. Orgrim fühlte sich glücklich. Wie ungerecht Branbart ihn auch behandelte, er hatte Teil an etwas Großem, an der Rückeroberung ihrer alten Heimat. Und er und seine Krieger waren die Ersten, die ihren Fuß in dieses Sagenland gesetzt hatten. Allein deshalb schon würde er selbst einmal eine Sagengestalt sein, ganz gleich, was Branbart noch gegen ihn unternahm.

Wenn sie die Weiber aus den Felsenburgen in der Anderen Welt holten, würden etliche bei ihm liegen wollen. Er würde der Vater vieler Welpen werden! Zufrieden beobachtete er, wie die Wildrufer die Mammuts auf das letzte, steile Wegstück führten. Er hatte diese Jäger und Kundschafter schon immer bewundert. Sie wurden mit der besonderen Gabe geboren, selbst über weite Entfernung ein geistiges Band zu Wildtieren knüpfen, sie anlocken und ihnen ihren Willen aufzwingen zu können. Ein Rudel, dem ein Wildrufer angehörte, musste niemals Hunger leiden!

Die Maurawan hassten die Wildrufer. Soweit Orgrim wusste, besaßen die Elfen die Gabe des Wildrufens nicht. Sie waren der Meinung, dass der Jäger seiner Beute stunden- oder tagelang hinterherlaufen sollte. Dass eine Jagd so viel einfacher sein konnte, wollten sie nicht hinnehmen. In vergangenen Zeiten hatten die Maurawan immer wieder ihre Wälder verlassen, um die Wildrufer der Snaiwamark zu suchen und zu töten. Angeblich, weil sie auch Wild aus ihren Wäldern herbeiriefen. Aber an dieses gewaltige Heer würden sich die Maurawan nicht heranwagen. Hier gab es keine Deckung wie in ihren Wäldern. Keine Möglichkeit, feige aus dem Hinterhalt einen Pfeil abzuschießen. Und wenn sie es dennoch wagten, würden sie dem gerechten Zorn hunderter wütender Trolle niemals entgehen.

Die ersten Mammuts erreichten die Hochebene. Sie waren mit Bündeln von Lebensmitteln, Waffen, Brennholz und aller nur erdenklichen Ausrüstung beladen. Manche zogen auch wuchtige Schlitten.

Zufrieden erkannte Orgrim, dass man noch weitere Kriegsgeräte der Elfen mitgebracht hatte. Sobald das Heer den Königsstein erreichte, würde man die Mammuts schlachten. Hatten sie erst einmal alle Lasten in die Eiswüste gebracht, wäre ihr letzter Nutzen, die Mägen hunderter hungriger Trolle zu füllen.

Auf manchen der Gepäckbündel kauerten dick in Pelze und Decken gehüllte Kobolde. Sie würden all jene Arbeiten verrichten, für die man kleine, flinke Finger benötigte. Und in den Felsenburgen würden sie nützliche Diener abgeben.

Die Vergangenheit kehrte zurück, dachte Orgrim zufrieden und rieb sich fröstelnd die Arme. Etwas hatte sich verändert ... Plötzlich war da eine unnatürliche Kälte, die bis tief ins Mark der Knochen schnitt. Eine Kälte, die nichts mit dem Winter zu tun hatte!

Alarmiert wandte er sich um. Branbart hatte mitten in seinem endlosen Vortrag über den Angriff auf den Königsstein innegehalten. Auch Birga wirkte beunruhigt. Nur Skanga hatte wieder ihre Augen geschlossen und tat so, als schlafe sie.

Plötzlich schob sich aus dem Eis vor den Füßen des Königs ein geisterhafter Tierkopf. Branbart machte erschrocken einen Satz zurück und strauchelte. Dumgar schlug mit seiner Keule nach der Kreatur, die sich aus dem Eis schob, doch seine Waffe glitt wirkungslos durch die Geistergestalt hindurch.

Jetzt erkannte Orgrim, was dort vor ihnen stand. Während alle Herzöge erschraken und selbst Birga zurückwich, bewahrte er die Ruhe, auch wenn sein Herz beim Anblick dieses widernatürlichen Geschöpfs wild wie eine Kriegstrommel schlug.

»Ich grüße dich, Fürst Shahondin«, erklang Skangas leise Stimme. »Bringst du mir die Nachricht, die dich wieder in dein Fleisch kleiden wird?«

»Ich bringe Nachrichten, die viele Trollkrieger davor bewahren werden, ihr Fleisch abzulegen«, entgegnete der Elfenfürst spitz. Seine Stimme erklang in Orgrims Kopf. Der Troll griff sich an die Stirn. Wie war dieser verdammte Elf, oder was immer er jetzt war, in seinen Verstand gekommen? Auch die übrigen Krieger im Rat des Königs wirkten bestürzt.

»Dies ist die einzige Art, auf die unser Freund zu uns sprechen kann«, beruhigte sie Skanga. »Nun berichte uns, Shahondin.«