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»Und genau in dem Augenblick, in dem ich erscheine, stirbt einer der Sänger? Welch eigenartiger Zufall!« Zorn funkelte in Landorans Augen, auch wenn er sonst ganz ruhig blieb. »Eigentlich nicht. Es gibt ein sehr starkes Band zwischen dir und Lyndwyn. Ich sagte ja, dass wir unsere Gefühle teilen, wenn sich alle Zaubersänger zu der großen Symphonie vereinen. Ich konnte fühlen, was sie für dich empfindet. Wie sehr sie sich danach sehnt, von dir geliebt zu werden, und wie sie deine Verachtung fürchtet. Lyndwyn ist sehr empfindsam. Sie wird gespürt haben, dass du in die Halle des Feuers gekommen bist. Das war ein Grund, warum ich nicht wollte, dass du hier hinabsteigst. Deine Anwesenheit lenkt sie ab.«

»Du bist noch immer ein Meister der Worte. Jetzt unterstellst du mir also, dass ich an Taenors Tod schuldig bin. Wie kann man die Wirklichkeit nur so verdrehen!«

»Ich unterstelle nichts. Das tust du gerade, um deinen Frieden zu bewahren. Ich nenne die Dinge, wie sie sind. Es ist auffällig, dass in dem Augenblick, in dem du auf der Terrasse standest, ein Sänger starb. Es kann an dir gelegen haben, es mag auch ein Zufall gewesen sein. Ich habe damit zu leben gelernt, dass unsere große Aufgabe Opfer verlangt. Deinen Frieden kannst du nur selbst finden. Hasse mich für das, was ich sage. Das ist dir ja ein wohl vertrautes Gefühl. Mich berührt das nicht mehr.«

»Das hat dich noch nie berührt, Vater. Mach dir doch nichts vor. Du bist wie dieses Land. Ein Eisblock! Und wer sich nicht mit Zauberei vor deiner Kälte schützen kann, den bringt sie um oder vertreibt sie.«

Landoran hatte sich wieder zurückgelehnt und die Augen geschlossen. »Glaube nicht, dass du zu ermessen vermagst, wie es in meinem Inneren aussieht. Ich kenne die Namen jedes Zaubersängers und jeder Zaubersängerin, die unten in der Halle des Feuers gestorben sind. Ich kann dir die Namen all jener nennen, die ihr Leben ließen, als wir die letzten beiden Male gegen das Feuer gekämpft haben. Hier in Phylangan werden in einem fruchtbaren Jahr drei Kinder geboren. Die Siege über das Feuer lassen mein Volk verlöschen. Glaube nicht, dass mich das kalt lässt.«

»Und warum gibst du Phylangan nicht einfach auf?«

»Weil dann alle, die im Kampf gegen das Feuer ihr Leben verloren haben, vergebens gestorben wären. Wir werden auch diesmal siegen. Durch Lyndwyn und den Albenstein ist unsere Macht größer denn je.« Der Elfenfürst hielt die Augen weiterhin geschlossen. Seine Stimme klang tonlos, als wiederhole er eine Litanei, die er schon so oft dahergesagt hatte, dass ihre Worte abgenutzt und ohne Bedeutung waren.

»Ich werde unser Volk nicht deinem grenzenlosen Ehrgeiz opfern. Verlasse dich darauf, dass ich von nun an sehr genau beobachte, was in der Halle des Feuers geschieht. Und ich werde Phylangan aufgeben und alle Verteidiger auf die Hochebene von Carandamon zurückziehen, sobald ich den Verdacht habe, dass Lyndwyn den Kampf gegen das Feuer verliert. Und ich werde auch sie und den Albenstein vor dir retten.«

Landoran schlug die Augen auf. »Ich habe damit gerechnet, dass du die Normirga hintergehen wirst. Du hast dein Volk schon zu lange verlassen, um es noch verstehen zu können. Ich werde auf deinen Verrat vorbereitet sein, Ollowain. Fürchte diesen Tag!«

Klingentanz

Das Feenlicht verblasste am Nachthimmel, als die drei schweren Eissegler langsam Fahrt aufnahmen. Ragni und Lysilla waren gerade erst an Bord ihrer Schiffe zurückgekehrt. Alfadas hatte ihnen beiden noch einmal seinen Plan eingeschärft. Er wollte keine Schlacht, sondern nur einen Überfall. Die Trolle sollten sich in den nächsten Tagen keinen Augenblick mehr sicher fühlen, wenn sie über die weite Eisebene marschierten. Verärgert dachte der Herzog an seinen Streit mit Landoran. Es war ein Fehler, sich hinter den Befestigungen von Phylangan zu verkriechen. Bis zur Stunde ihres Aufbruchs noch hatte Alfadas versucht, den engstirnigen Fürsten davon zu überzeugen, einen Krieg der Eissegler zu wagen. So viele Schiffe standen im Schneehafen. Wenn man sie so wie die Rosenzorn, die Weidenwind und die Schwertwal umbaute, müsste man nicht einfach in der Festung sitzen und darauf warten, was die Trolle unternehmen würden. Er hasste es zu warten!

Alfadas müsste lächeln. Seine Krieger hielten ihn für einen ruhigen, beherrschten Mann. Wie wenig sie ihn kannten!

Der Herzog umklammerte einen der Haltegriffe an der Reling. Scharfer Fahrtwind schnitt ihm ins Gesicht. Mit jedem Herzschlag erhöhte sich die Geschwindigkeit der Rosenzorn. Die Götter waren ihnen hold an diesem Morgen, insbesondere Firn, der Herr des Winters. Er hatte ihnen einen klaren Himmel und einen stetigen Westwind geschenkt. Das war alles, was sie brauchten, um sich mit einer hundertfachen Übermacht anzulegen.

Das Eis spritzte unter den scharfen Kufen hinweg. Manchmal ruckte das schwere Schiff, wenn ein größerer Eisklumpen zermahlen wurde. Noch immer beschleunigte die Rosenzorn ihre Fahrt. Dichtauf folgten die Weidenwind und die Schwertwal. Alle drei Schiffe hatten jeden Fetzen Segel gesetzt. Die Masten knarrten leise unter dem Druck des Windes. Raureif splitterte von den eingeölten Tauen, wenn sie sich spannten. Die feinen Unebenheiten auf der weiten Eisfläche ließen das Deck sanft erzittern. Alfadas liebte die Geschwindigkeit. Die Ängste, die er während seiner ersten kurzen Eisseglerfahrt empfunden hatte, waren längst vergessen. Jetzt berauschte er sich daran, schnell wie ein Falke über das Eis dahinzuschießen. Alle an Bord waren auf Posten, bereit für das Gefecht. Auf der Reling waren zu beiden Seiten zehn schwere Windenarmbrüste aufgesetzt, und im Bug stand ein schwenkbares Katapult gefechtsbereit. Die Männer an der Reling hatten breite Ledergurte um ihre Hüften geschlungen, um während der Schlacht nicht von den Beinen gerissen zu werden. Kobolde, Menschen und Elfen fieberten dem Kampf entgegen. Alle an Bord glaubten an seine Idee und waren überzeugt, dass sie siegen würden.

Fenryl stand neben Alfadas am Ruder. Der Elfengraf spähte mit zusammengekniffenen Augen auf das schillernde Eis hinaus. Es war an der Zeit, die Schneebrillen anzulegen. Noch zeigte sich im Osten nur ein schmaler Silberstreif am Horizont, doch bald schon würde die tief stehende Sonne sie blind machen. Alfadas drehte das Gesicht aus dem Fahrtwind und blickte zu Lambi und Veleif, die mit ihm auf dem Achterdeck standen. Der Jarl verstand ihn, ohne dass er etwas zu sagen brauchte. Er wickelte den geschlitzten Lederstreifen von seinem Gürtel und band ihn sich vor die Augen. Dann rief er mit Donnerstimme: »Heh, ihr verschnarchten Hurenböcke. Die Schneebrillen auf, oder ich komm runter, um euch den Hintern aufzureißen und euch das, was ich da finde, frühstücken zu lassen.«

»Das ist doch wohl nicht sein Ernst!«, rief Fenryl, der inzwischen einige Worte ihrer Sprache verstand. »Ich finde, es ist jetzt kein guter Zeitpunkt zum Frühstücken.«

Alfadas verknotete die Riemen der Schneebrille hinter seinem Kopf. »Das ist metaphorisch gemeint«, erwiderte er in der Muttersprache des Fürsten. »Der Jarl spricht gern in farbigen Bildern.«

»Er macht gar nicht den Eindruck, ein ...«

»Feind in Sicht!«, brüllte Mag vom Ausguck.

Jetzt sah auch Alfadas die dünne, schwarze Linie am Horizont. »Alles gefechtsklar!«, rief er mit ruhiger Stimme. Die Schützen legten Bolzen in die Armbrüste. Zwei Elfen standen im Bug bereit, um mit einem schweren Hebel ihre geheime Waffe zu entsichern, wenn es an der Zeit dazu war. Alfadas fühlte sich plötzlich unwohl. Hatte er wirklich alles bedacht? Oder führte er gerade drei Schiffe in die sichere Vernichtung?

Die Linie am Horizont nahm überraschend schnell Konturen an. Deutlich konnte Alfadas nun eine Marschkolonne und einen Lagerbereich erkennen. Fenryl korrigierte leicht den Kurs, sodass sie auf das Feldlager einschwenkten.

Der Herzog blickte über die Schulter. Die Weidenwind und die Schwertwal folgten dem Manöver. Noch dreihundert Schritt, dann erreichten sie das Lager. Alfadas trat an die Reling und legte einen Sicherungsgurt an.