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Unter dem roten Adlerbanner sammelten sie sich, den König in ihrer Mitte. Weit bis ins Land hörte man den donnernden Hufschlag auf dem Eis, als der alte König seine letzte Attacke ritt. Doch was vermag Menschenkraft gegen finstren Trollzorn auszurichten! Selbst die tapfersten Recken des Königreichs wurden erschlagen. Zu ungleich war der Kampf, verloren schon, bevor das erste Schwert gezogen. Horsa Starkschild fiel, als er seinem jungen Bannerträger, dem Jarl Oswin, das Leben rettete. Und mit ersterbender Stimme befahl er dem Jüngling, die Lebenden um sich zu scharen und vom Eisfeld zu ziehen, um an einem anderen Tag siegreich zu kämpfen.

»Hol mir den Jarl vom Firnstayn«, waren die letzten Worte Horsas mit dem starken Schild.

Das Leben Horsa Starkschilds (33-35)
niedergeschrieben von Eginhard von Daluf

Die abgestreifte Haut

Ollowain fand das Lager am Berghang verlassen. Hier im zerwühlten Schnee verlor sich Lyndwyns Spur. Er wusste nicht, wie lange er am Hang geschlafen hatte. Die Arkadierin musste ihn mit einem Zauber belegt haben. Seine Wunden waren verheilt, doch fühlte er sich noch schwach. Als er den Albenstein in seiner Hand gefunden hatte, war er zu Tode erschrocken gewesen. Er hatte Lyndwyn gerufen ... Dann war er ihrer Spur gefolgt, die ihn geradewegs zu den Trollen geführt hatte. Und er hatte begriffen, was geschehen sein musste. Ohne zu zögern hatte er den Albenstein versteckt, damit man ihn nicht bei ihm finden konnte. Und dann hatte er sich auf die Suche gemacht ...

Er brauchte fast einen ganzen Tag, bis er das Lager der Trolle erreichte. Nur ein weites, zertrampeltes Schneefeld war geblieben. Hier und dort lagen Lumpen im Schnee und Plündergut aus Phylangan, das man dann doch nicht als bedeutend genug erachtet hatte, um es mitzuschleppen. Das Heer hatte sich nach Osten gewendet, dorthin, wo die alten Felsenburgen lagen. Der Königsstein, um den sie so verbissen gekämpft hatten, war gewonnen und in derselben Stunde verloren. Rotes Lodern umspielte den fernen Gipfel, über dem immer noch eine Rauchwolke stand.

Eine Zeit lang streifte Ollowain ziellos durch das Lager. Dann entschied er, den Trollen nach Osten zu folgen. Er würde Lyndwyn finden ... Die vielen Knochen, die überall bei den Feuerstellen im Schnee lagen, mahnten ihn, wie sinnlos diese Suche war. Er wusste schließlich, was sie mit ihren Gefangenen taten. Doch für ihn würde Lyndwyn leben, bis er den Beweis ihres Todes fand. Und selbst dann gab es Hoffnung. Eines Tages würde sie wiedergeboren werden. Er musste nur warten.

Sein Weg führte ihn vorbei an erfrorenen Kobolden, den Stoßzähnen von Mammuts und verlorenen Schilden, die müde Krieger einfach im Schnee liegen gelassen hatten.

»Ollowain ...« Die Stimme war nur ein Wispern, verloren im Wind. Der Schwertmeister verharrte. Es war unmöglich zu sagen, von wo der leise Ruf erklungen war. Dann sah er die Bewegung. Ein zerrissener Umhang flatterte im Wind. Darunter lugte eine Hand hervor. Die vier Finger krümmten und streckten sich. Sie winkten! »Lyndwyn?«

Er eilte zu der kauernden Gestalt. Sie hockte im Windschatten eines Trollschilds, auf dem mit Knochenmessern Seidenstreifen und eine blasse Maske aufgespießt waren.

Die Gestalt hatte sich den Umhang eng um den Leib gezogen. Als er näher kam, hob sie die Hände vor ihr Gesicht, doch er erkannte das lange, schwarze Haar sofort.

»Lyndwyn!« Erleichtert kniete er nieder. Sie hatte überlebt. Er konnte sein Glück gar nicht fassen! Alles würde wieder gut!

»Ich habe sie nicht verraten, die Königin.« Die Stimme der Zauberweberin war kaum zu verstehen, so leise und stockend sprach sie.

»Ich weiß«, sagte Ollowain. »Verzeih, dass ich dir nicht geglaubt habe.« Lyndwyns Körper erzitterte; er konnte es nicht sagen, ob unter einem Schluchzen oder einem verzweifelten Lachen.

Er wollte sie zärtlich in die Arme nehmen, doch sie zuckte schon bei der leisesten Berührung zusammen. »Verzeih mir, ich kann nicht. Ich muss dich nun verlassen. Meine Kraft verfliegt... Das Netz des letzten Zaubers, den ich wob, zerreißt... Ich wusste, du würdest kommen. Einmal noch wollte ich in deine Augen sehen, mein wunderschöner weißer Ritter. Nun geh und rette unsere Königin. Mich hast du schon gerettet ...« Silbernes Licht umfloss die zitternde Gestalt.

»Bitte nicht! Geh nicht ... Ich ...«

Ihre grünen Augen funkelten in dem unnatürlichen Licht. »Ich werde auf dich warten ...« Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne. Dann war sie fort. Lyndwyn hatte ihren Weg ins Mondlicht gefunden. Ihr Schicksal in Albenmark hatte sich erfüllt.

Im Schnee lag die zerrissene Decke. Ollowain hob sie auf und drückte sie an sich. Ganz zuletzt hatte er kurz Lyndwyns Antlitz gesehen. Er blickte zu dem Schild. Was er für eine Maske gehalten hatte, war verschwunden. Er erinnerte sich, was er vor langer Zeit im Streit zu der Arkadierin gesagt hatte. Du müsstest deine Haut abstreifen, damit ich dir vertraue.

Der Schwertmeister vergrub sein Gesicht in der zerrissenen Decke.

Die Wälle von Honnigsvald

»Das Holz ist so morsch, dass ich meinen Daumen hineindrücken könnte, wenn es nicht gefroren wäre. Du darfst nicht hier bleiben!«, sagte der Fährmann beschwörend. »Hinter diesen Wällen ist man nicht in Sicherheit.«

Asla seufzte. Zwei schrecklich lange Tage auf dem Eis hatte der Gedanke an die Stadt mit den palisadengekrönten Erdwällen ihr die Kraft gegeben durchzuhalten. Und nun, da sie noch keinen halben Tag in Honnigsvald waren, war alle Hoffnung schon wieder dahin. Kodran, der Fährmann, war am späten Nachmittag zu Asla gekommen. Er hatte sich als ein Freund ihres Mannes ausgegeben, und er hatte ihr keine Ruhe gelassen, bis sie schließlich eingewilligt hatte, mit ihm hinauf auf die Verteidigungswälle zu steigen.

Asla blickte zu Kalf. Sein Gesicht war noch immer mit Schorf bedeckt. Tausendmal hatte sie den Göttern gedankt, dass der Fischer seinen Sturz am Hartungskliff so gut überstanden hatte. Es war wie ein Wunder! Kalf zog sein Fischmesser aus dem Stiefel und kratzte am Holz. Er fluchte leise. »Kodran hat Recht. Bei ihrer Größe müssen die Trolle stark wie Bären sein. Diese morsche Palisade wird sie nicht aufhalten. Wir müssen weiter!«

Wütend trat Asla gegen einen der Stämme. Sie hatte sich so sicher gefühlt in der großen Stadt! Wie zum Hohn trotzte ihr die Palisade. Ihr tat der Fuß weh. Sie war eben kein Troll.

»Wir können nicht so weiterziehen«, sagte sie entmutigt. »Wir brauchen mehr Schlitten.« Sie blickte zu dem großen Fährmann auf. »Bring mich zu dem Kerl, der meinem Mann das Fuhrwerk aufgeschwatzt hat.«

»Ich glaube nicht, dass er uns helfen wird«, wandte Kodran zögerlich ein. »Wir sollten besser gleich die Stadt verlassen, statt uns mit Sigvald aufzuhalten. Er ist ein übler Geschäftemacher.«

»Dann werde ich eben Geschäfte mit ihm machen! Wir haben keine Wahl. Es sind zu viele Alte und Kinder bei uns, und da ist...« Asla räusperte sich. Fast hätte sie von der Königin gesprochen. Emerelle lag in der großen Kutsche. Doch davon sollte hier in der Stadt niemand etwas wissen. »Bring mich zu diesem Sigvald. Sofort!«

Kodran fügte sich und führte sie durch die überfüllten Straßen zum Ufer des Fjords. Die ganze Stadt war voller Flüchtlinge. Man hatte weithin im Umland die Rauchsäule sehen können, die über Firnstayn aufgestiegen war. Fischer und Bauern waren mit ihren Familien und ihrem Vieh in die trügerische Sicherheit der Stadt geflohen. Asla fluchte stumm. Sie musste diese Menschen warnen! Aber zuerst musste sie Sigvald sprechen. Der Wagenbauer arbeitete in seiner Werkstatt, als würde ihn aller Trubel in der Stadt nicht das Mindeste angehen. Er hatte eisgraues Haar, das streng aus dem Gesicht zurückgekämmt war. Asla bemerkte, wie der Handwerker ihren roten Mantel musterte und entschied, dass sie wohl reich sein musste. »Womit kann ich dienen?«

»Wie viele Schlitten hast du?«