Die Frage schien ihn leicht zu verunsichern. »An was für eine Art Schlitten hast du denn gedacht, meine Dame?«
»Ich dachte, alle Schlitten zu kaufen, die du besitzt.«
Der Wagner räusperte sich. Dann sah er zu Kodran und Kalf, die Asla begleiteten. Doch keiner von beiden lächelte.
»Das wird sehr teuer ...«, sagte Sigvald schließlich zögerlich.
»Auf meinem Wagen steht ein Kasten voller Gold. Mein Mann ist der Herzog Alfadas. Ich bin keine arme Frau. Das Gold wird dir gehören, wenn du mir bis Mitternacht die Schlitten fertig machst. Möglichst viele sollten hölzerne Aufbauten haben, die vor dem Sturm schützen.« Asla deutete zu Kalf.
»Dieser Mann wird hier bleiben und dich dabei beraten, wie die Schlitten umzubauen sind. Solltest du mehr als fünf Fuhrwerke bringen, zahle ich dir für jedes tausend Silbermünzen als Leihgebühr. Wenn wir in Sicherheit sind, bekommst du die Fuhrwerke zurück und kannst deine Schätze behalten. Aber wir brechen um Mitternacht auf. Auf keinen Fall später! Du wirst uns begleiten, damit du unterwegs Schäden an den Fuhrwerken reparieren kannst.«
»Meine Schlitten sind solide! Es wird keine Schäden geben!«
Asla hob die Brauen. »An wen soll ich das Geld für die geliehenen Fuhrwerke auszahlen lassen? Wenn du hier bleibst, wirst du es nicht mehr in Empfang nehmen können. Ein Trupp Trolle marschiert auf Honnigsvald, und die Wälle dieser Stadt werden sie kaum aufhalten können.«
Der Wagenbauer lächelte. »Trolle. Werte Dame, es gibt in diesem Land keine Trolle. Es sind nur Plünderer ...« Asla war heute schon ein Dutzend Mal und öfter belächelt worden. Sie war es leid.
»Frag Kalf, wie deine Plünderer aussehen. Er ist ihnen begegnet. Aber vielleicht denkst du auch einfach nur nach. Glaubst du, ich würde ein Vermögen ausgeben und aus einer großen Stadt flüchten, wenn wirklich nur ein paar Räuber aus den Bergen den Fjord hinunterkämen?« Mit diesen Worten verließ Asla den Schuppen.
Wieder auf dem Eis
»Glaubt mir!« Asla hob beschwörend die Hände. Sie stand auf einem Fass am Ende des Fischmarkts. Der Platz vor ihr war gedrängt voll von Menschen. Obwohl es tief in der Nacht war, kehrte keine Ruhe in Honnigsvald ein. Immer noch kamen Flüchtlinge über das Eis.
Sigvald hatte ihre Worte schließlich ernst genommen. Zur vereinbarten Stunde war er mit neun Schlitten gekommen. Sie standen aufbruchsbereit am Nordende des Marktplatzes.
»Wir haben Kutschen, in denen die Kinder vor der Kälte geschützt sind. Kommt mit mir. Ich gehe nach Gonthabu. König Horsa wird uns schützen können. In Honnigsvald seid ihr verloren! Die Trolle werden die Wälle der Stadt einreißen, als wären sie aus dünnem Pergament gebaut.« Asla spannte die Schultern. Sie hatte das Kettenhemd angelegt, in dem Gundar gestorben war. Jetzt drückte es sie, und wie es schien, half es ihr nicht. Sie hatte gehofft, dass Luth ihr vielleicht ein klein wenig näher sein würde, wenn sie sein Geschenk an den Priester am Leib trug. Sie hatte zu Luth gebetet, dass ihre Worte die Menschen überzeugen mochten. Doch nur die Wenigsten hier wollten ihr überhaupt zuhören.
Ein Trupp Bewaffneter bahnte sich seinen Weg durch die Menge. An seiner Spitze ging ein hagerer, glatzköpfiger Mann. Es war Godlip, der Jarl von Honnigsvald. Seine Männer griffen nach Asla und zerrten sie vom Fass. »Bei allem Respekt, den ich vor deinem Mann habe, Weib, werde ich die Unruhe, die du schürst, nicht länger dulden. Ich verweise dich der Stadt. Nimm mit, wer immer dir folgen mag, aber wage es nicht, Honnigsvald noch einmal zu betreten!«
Der Jarl stieg auf das Fass. »Hört nicht auf dieses verwirrte Mannweib! Seht nur, wie sie aussieht. Trägt ein Kettenhemd wie ein Krieger! Und dann will sie euch hinaus auf das Eis führen! Mitten im Winter. Der Weg nach Gonthabu dauert mehrere Tage. Was glaubt ihr, wie viele von euch dort lebend ankommen werden? Honnigsvald ist überfüllt. Ich werde keinen aufhalten, der gehen möchte. Wir haben zwar nur wenige Krieger, aber viele bewaffnete Freiwillige. Und ich habe schon am Morgen einen Boten zum König geschickt. Wenn wir ein wenig aushalten, dann wird der König zu uns kommen, und niemand muss auf dem Eis sterben.«
Der Jarl erntete zustimmendes Gemurmel. Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf Asla. »Dich, Weib, verbanne ich aus der Stadt. Hier ist kein Platz mehr für dich! Verlasse die Stadt, deren Namen du in den Schmutz ziehst.«
Asla wollte aufbegehren, doch Erek packte sie am Arm und zog sie mit sich. »Lass diese Großsprecher«, sagte ihr Vater wütend. »Wir wissen, dass du Recht hast. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren.« Sie drängten sich unter Buhrufen zu den Wagen.
Ulric saß auf dem Kutschbock. »Warum ist der Mann so böse mit dir, Mutter?«
»Weil er dumm ist!«, antwortete Erek an ihrer Stelle. »Lass deine Mutter jetzt in Ruhe.«
»Aber wir müssen Halgard holen! Sie ist nicht hinten auf dem Schlitten!«
»Ich hab sie eben noch bei dem Wagen gesehen, den Kalf fährt«, sagte Asla. »Mach dir keine Sorgen um sie.« Ulric wollte vom Kutschbock springen. »Ich hol sie schnell!«
»Du bleibst hier!« Erek drückte ihn auf seinen Platz zurück.
»Hör auf deine Mutter! Hier in dem Gedränge wirst du nur verloren gehen.«
»Ich werde gleich nach Halgard sehen.« Asla lächelte ihn müde an. »Wir lassen niemanden zurück.« Mit diesen Worten machte sie sich auf den Weg zum Ende der Wagenkolonne.
Kaum hatte sie ein paar Schritte getan, fand sie sich umringt von Godlips Kriegern. »Wir sollen dich aus der Stadt bringen, Weib«, sagte ihr Anführer harsch. »Sofort!« Er packte sie und zog sie mit sich fort.
Asla winkte Kalf zu. »Fahrt! Lass alle anfahren!« Ihre Gedanken überschlugen sich. Hatte sie an alles gedacht? Es waren zusätzliche Lebensmittel gekauft, Decken und Pelze, Holzkohle für die Feuerschalen in den überdachten Wagen, dazu sogar Branntwein und Verbandszeug. Asla musste lächeln. Was Alfadas wohl dazu sagen würde? All die Schätze, die er in den letzten Jahren auf seinen Kriegsfahrten zusammengetragen hatte, waren dahin. Sie hatte ihn an einem einzigen Nachmittag zu einem armen Mann gemacht.
Godlips Krieger sorgten dafür, dass sie zügig die Stadt verlassen konnten. Nur wenige hatten auf Asla gehört und sich dem Wagenzug angeschlossen. Eine Kolonne von vierzehn Schlitten fuhr hinaus aufs Eis nach Süden. Vieh wurde neben den Wagen hergetrieben. Etliche Flüchtlinge zogen nur kleine Handschlitten.
Asla saß bei Kalf auf dem Kutschbock und blickte die Menschenschlange entlang. Es mussten mehr als vierhundert sein, die ihr zuletzt doch geglaubt hatten. Wenn sie nur mehr Wagen hätten!
Sie umrundeten eine Landzunge, auf der ein lichter Birkenwald lag. Dahinter erstreckte sich der Fjord, eingerahmt von steilen Felsen, nach Süden. Hier war der Meerarm schon über fünfhundert Schritt weit. Feenlicht zog über den sternklaren Himmel und tauchte die Winterlandschaft in geheimnisvolle grüne Schatten. Asla rieb sich frierend die Hände. Am liebsten hätte sie sich bei Kalf angelehnt. Es war gut, in seiner Nähe zu sein. Ganz gleich, was geschah, er blieb immer ruhig und zuversichtlich. Neben ihm auf dem Kutschbock zu sitzen, musste ihr jedoch genügen. Mehr Nähe war ihr als verheirateter Frau nicht gestattet.
Ein Schrei störte jäh den Frieden.
»Trolle!« Ein Mann, den Asla nicht kannte, deutete zum Birkenhain zurück. Fünf riesige Gestalten kamen auf das Eis hinausgelaufen, geradewegs auf den Wagenzug zu.
Kalf stellte sich auf und griff nach der Peitsche, die seitlich vom Kutschbock steckte. Ihr Wagen fuhr recht weit hinten in der Kolonne. Vor ihnen lenkte Erek den großen Schlitten, den Alfadas ins Dorf gebracht hatte.
Die Männer und Frauen, die neben den Schlitten hergingen, begannen zu laufen. Jemand reichte Asla ein kleines Kind hinauf. Sie drückte es in die Arme und sah zurück. Die Trolle holten schnell auf!
Kalf ließ seine Peitsche über die Köpfe der Schlittenpferde hinwegknallen. Doch es half nicht. So sehr die Pferde sich ins Geschirr legten, die Trolle kamen immer näher. Jetzt konnte Asla schon deutlich ihre Gesichter unterscheiden. Sie trugen leichte Wurfspeere. Einem Mann, der auf dem Eis gestürzt war, stachen sie im Vorbeilaufen einen Speer in den Rücken.