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Horsa hob sie auf denn sie knien zu sehen, versetzte seinem Herzen einen Stich. Und ihr Atem wie Blütenduft streifte sein Gesicht. Als Emelda aber die Kraft seiner Arme spürte und die Güte in seinen Zügen las, da wurde sie von tiefer Zuneigung zu Horsa ergriffen.

So blieben sie einen Tag und eine Nacht in dem Zelt auf dem Fjord, und man hörte nichts von den beiden. Unruhe überkam die gewappneten Krieger Emeldas, denn noch nie hatte ihre Herrin so lange bei einem Manne verweilt. Als noch eine zweite Nacht verstrichen war und der Ruf des Eisvogels über das Wasser eilte, da wollten sie zu ihrer Königin. Emelda aber kam ihnen zuvor. Auf dem Nebel eilte sie über das Wasser, als sei der Dunst unter ihren Füßen fester Grund, und binnen eines Lidschlags waren sie und die ihren verschwunden.

Als Alfadas zum Zelt ruderte, um nach seinem Herrn zu sehen, da fand er Horsa in tiefem Schlaf. Sein Haar war weiß wie Schnee geworden, seine Haut welk, und Falten durchzogen sein Antlitz. Er hatte den Preis bezahlt für die Begegnung mit der Unsterblichen. Seine Kraft war dahin, gebunden in einem Pakt mit den Elfen, gültig für nun und immerdar.

Aus: Die Saga des Horsa Starkschild,
von Veleif Silberhand,
72. Gesang

Die Himmelshalle

Ollowain blickte vom Steinkreis auf dem Hartungskliff hinab zu dem kleinen Dorf, das ihm eine Woche lang eine Zuflucht gewesen war. Er hatte ein schlechtes Gewissen dabei, Emerelle zurückzulassen, aber er konnte das Wagnis nicht eingehen, sie nach Albenmark zu bringen, bevor er nicht wusste, was vor sich ging.

Der Schwertmeister umklammerte Alfadas‘ Handgelenk im Kriegergruß. »In dreißig Tagen bin ich zurück. Dann können wir das Heer nach Albenmark bringen.« Ollowain forschte im Gesicht seines Ziehsohns nach einer Antwort auf all die Fragen, die seit dem Besuch des Königs zwischen ihnen standen. Alfadas musste doch wissen, was es hieß, ein Heer aus Menschen nach Albenmark zu bringen. Irgendetwas war zwischen dem Jarl und seinem König vorgefallen. So herzlich Alfadas war, so deutlich spürte er die stumme Trauer, die den Menschensohn umhüllte.

»Was ist mit Silwyna?«, fragte der Jarl.

»Sie wollte noch nicht zurückkehren.« Ollowain schüttelte den Kopf. »Sie ist genauso gesprächig wie du. Yilvina wird über die Königin wachen. Sie weicht nicht von Emerelles Seite.«

»Emerelle ist hier in Sicherheit!«

Ollowain dachte an den Menschenkönig und die seltsame Audienz. Er hatte darauf bestanden, an Emerelles Lager knien zu dürfen, und ihr dann etwas ins Ohr geflüstert. Nur er und Alfadas waren Zeugen dieser seltsamen Szene gewesen. Hinterher hatte Horsa dann seine Gefolgsleute belogen und behauptet, sich ausführlich mit der Königin besprochen zu haben. Sie waren wie Kinder, die Menschen! Mit großen Augen hatten sie an den Lippen ihres Königs gehangen. Seit sie den Kentauren Orimedes gesehen hatten, hätten sie wohl alles geglaubt. Immer wieder hatten sie den Pferdemann berühren wollen.

»Seid ihr fertig?«, fragte Lyndwyn drängend. Goldenes Licht stieg aus dem Fels, und ein Tor öffnete sich. »Kommt schon!«

Alfadas trat einen Schritt zurück. »Auf bald, Schwertmeister.« Er nickte auch Orimedes und Gondoran zu, der auf dem Rücken des Kentauren ritt.

»Auf bald, mein Freund!« Ollowain trat mit einem raschen Schritt ins Licht. Es war fast eine Flucht. Lyndwyn führte sie nur wenige Schritte weit durch das Nichts, dann traten sie aus einem zweiten Tor. Eine weite, verschneite Hügellandschaft breitete sich vor ihnen aus. Der Wind verfing sich heulend in den Ästen eines abgestorbenen Baumes, der dicht beim Tor stand. Von seinen bleichen Ästen hingen Pferdeschädel und zerschlagene Schilde.

Orimedes begrüßte die Winterlandschaft mit einem Freudenschrei. Dann klopfte er Lyndwyn so kräftig auf die Schulter, dass sie fast mit dem Gesicht voran in den Schnee gestürzt wäre. »Das hast du gut gemacht, Hexe! Noch nie bin ich so schnell hierher zurückgekehrt.«

»Wo sind deine Männer?«, fragte Gondoran ungehalten. Dem Holden klapperten die Zähne. Er streifte sich einen Pelzsack über, den Asla für ihn genäht hatte, ein unförmiges Ding mit Löchern für Kopf und Arme. Der Kentaur breitete die Arme aus, als wolle er das Land umfassen. »Irgendwo dort draußen. Mein Volk wandert. Wir bleiben nie lange an einem Ort. Ich werde sie finden. Glaube mir, es wird dir hier gefallen. Den Wind in den Haaren über die Hügel zu galoppieren, das ist wunderbar!«

Gondoran schnitt eine säuerliche Grimasse. »Ich gebe ja zu, ich habe noch nie zuvor Schnee gesehen. Aber mir scheint es so, dass dies die einzige Form von Wasser ist, die mir nicht zusagt.« Er führte die Hände an die Lippen und blies sich auf die klammen Finger.

»Du wirst dich daran gewöhnen.« Der Kentaur trug nicht einmal einen Umhang oder eine Weste. Ihm schien die Kälte nicht das Mindeste auszumachen. Der Atem stand ihm in kleinen Wolken vor dem Mund. Seine Hufe zerstampften den Schnee.

»Ich werde meine Krieger in die Snaiwamark bringen. Es wird ein paar Wochen dauern, Ollowain. Man zieht nicht in den Krieg, ohne sich zuvor ordentlich betrunken zu haben. Und jeder der Stämme wird erwarten, dass ich auf ein Fest bleibe.« Der Kentaur grinste breit. »Es werden aufreibende Wochen sein.«

»Wenn du das vorher gesagt hättest, wäre ich in der Welt der Menschen geblieben«, murrte Gondoran. »Mit einem Kentauren inmitten einer Welt aus gefrorenem Wasser von Saufgelage zu Saufgelage zu ziehen! Was mag das Schicksal noch für Proben für mich bereithalten?«

»Hatte ich gesagt, dass wir von Gästen erwarten, dass sie mindestens ein Methorn mit uns leeren? Alles andere wäre eine Beleidigung.«

»Wenn ihr nicht in euren Met pinkelt, werde ich das schon schaffen.«

Orimedes tätschelte dem Holden den Kopf. »Brav. Meine Leute werden viel Spaß mit dir haben, mein Freund.« Dann wandte er sich an Ollowain. »Viel Glück, Schwertmeister. Wir sehen uns in der Snaiwamark!« Mit einem Jauchzen, das wie Pferdewiehern klang, stürmte er den Hang hinab.

»Nun sind wir also allein«, stellte Lyndwyn fest. Sie trug noch immer ihre zerrissenen Kleider von der Flucht. Etwas aus den groben Stoffen der Menschen auf ihrer Haut zu dulden, hatte sie rundweg abgelehnt. Herausfordernd blickte sie Ollowain an. Erwartete sie eine Entschuldigung dafür, dass er sie wie eine Verräterin behandelt hatte?

»Findest du den Weg nach Phylangan?«, fragte er kühl.

»Findet deine Zunge den Weg zum Eingeständnis meiner Unschuld?«, erwiderte sie spitz.

»Du glaubst, ich traue dir, weil du gezwungen warst, der Königin zu helfen?«

»Weißt du, was es heißt zu heilen, Ollowain? Es heißt, die Schmerzen der Verwundeten mitzuerleben. Es war nicht der Ziegelsplitter, der mir auf der Flucht das Bewusstsein raubte. Es war der Schmerz der Königin. Sie hatte dreiundfünfzig Brandverletzungen, sieben gebrochene Knochen, eine durchbohrte Lunge und eine klaffende Wunde in der Brust. Allein die Brustverletzung hätte ausgereicht, sie umzubringen, wäre ich nicht gewesen. Dein Leben habe ich auch gerettet. Was muss ich noch tun, um dich davon zu überzeugen, dass ich nicht das Zeichen zur Beschießung von Vahan Calyd gegeben habe?«

Ollowain sah sie abschätzend an. Sie fror nicht. Lyndwyn musste einen Zauber um sich gelegt habe. Einen dieser verfluchten Zauber, die er niemals erlernt hatte. Und sie musste sich nicht einmal darauf konzentrieren. Es geschah einfach so nebenbei.

»Du müsstest deine Haut abstreifen, damit ich dir vertraue. Du gehörst zur Sippe Shahondins. Er liegt in Fehde mit der Königin. Es ist die Haut, in die du geboren wurdest ... Ich werde dir niemals trauen. Und nun bring uns nach Phylangan.«