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Eine steile Falte erschien zwischen den Brauen des Fürsten. Einen Augenblick nur. Dann entspannten sich seine Züge, und er brach in herzhaftes Gelächter aus.

»Du, der du nach den Gesetzen unseres Volkes noch ein Kind bist, forderst das Kommando. Das ist absurd! Meine Krieger würden dir nicht folgen, Junge. Und damit nicht genug! Du wagst es, dich das Schwert der Königin zu nennen? Ich weiß, dass du das Kommando über ihre Wachen geführt hast, und ich habe es niemals begriffen. In meinen Augen verdient es kein Krieger in Albenmark weniger als du, diesen Titel zu führen. Ich war Zeuge, wie du die Königin verraten hast, als die Schärfe des Schwerts verlangt wurde!« Er deutete hinaus zu der Brücke, die mitten über dem Abgrund endete. »Du weißt, an welcher Stelle der Albenstern liegt? Dort, wo der König und die Fürsten der Trolle in den Abgrund gestoßen wurden. Dort, wo der Ort deiner Schande ist! Der Platz, an dem du der Königin den Befehl verweigert hast. Erinnerst du dich an die Nacht, in der du dich gegen alle Elfenvölker gestellt hast? Wer das Leben von Trollen verschont, der raubt unseren Frieden!«

»Für mich ist dies der Platz meiner Ehre, Landoran. Ich konnte das Unrecht nicht verhindern. Doch zumindest hatte ich keinen Anteil daran!«

»Was für ein Unrecht? Die Trolle hatten diesen Krieg begonnen. Hast du vergessen, wie sie dein Volk von der Hochebene von Carandamon vertrieben haben? Als es in ganz Albenmark keinen anderen Platz mehr für uns gab als die stickigen, von Fiebern verseuchten Mangroven am Waldmeer? Für mich war die Nacht an der Shalyn Falah nach Jahrhunderten der Triumph der Gerechtigkeit.«

»Du bist verblendet, Landoran. Unser Volk konnte zurück nach Carandamon, dies war Recht. Aber diese Felsenburg hier hat uns niemals gehört. Ebenso wenig wie die Snaiwamark, die den Trollen von den Alben geschenkt wurde. Wir haben dieses Land gestohlen, als wir die Macht dazu hatten. Wir haben seine Fürsten ermordet. In der Nacht auf der Shalyn Falah haben wir Wind gesät, Landoran. Und nun ist die Stunde gekommen, in der wir Sturm ernten werden.«

Der Elfenfürst hatte seine Fassung wieder gefunden. Je mehr Ollowain sich in Rage redete, desto gelassener wirkte Landoran. Er ging wieder hinüber zur Obstplatte und rupfte mit aufreizender Ruhe einige Trauben ab. Dann deutete er hinaus zur Himmelshalle.

»Weißt du, was das hier war, als wir ankamen, Ollowain? Ein Dreckloch. Hier gab es nur ein paar Höhlen, kaum besser als Tierbauten. Es stank nach Fäkalien und räudigem Fell. Nirgends gab es sauberes Wasser. Und nun sieh dir an, was wir daraus gemacht haben! Ja, es gab hier einmal ein paar Höhlen, in denen Trolle gehaust haben. Aber Phylangan, so wie du es nun siehst, der Felsgarten, ist eine Blüte, die dein Volk hat wachsen lassen, Ollowain.«

»Was ich sehe, wenn ich dort hinausblicke, ist der Sieg der Ästhetik über die Ethik. Ich sehe einen Hinrichtungsplatz, der zum landschaftsgestaltenden Mittel wurde. Ich sehe eine Brücke, die ins Leere führt. Damit hast du wahrlich ein Sinnbild für den Weg erschaffen, auf den du unser Volk geführt hast, Landoran!«

Der Fürst lächelte spöttisch. »Schön formuliert für einen Mann des Schwertes, Ollowain. Man merkt dir doch immer noch an, welchem Volk du entwachsen bist. Freilich haftet deiner Argumentation der Makel kindlicher Entrüstung an. Doch was will man von einem Jungen, der nie zum Manne geworden ist, auch anderes erwarten? Alles, was du über die Brücke sagst, zeigt, wie sehr Zorn und Scham dich verblendet haben. Sie ist kein Weg ins Leere. An ihrem Ende liegt ein Albenstern. Der Kundige kann von dort ins Netz der Albenpfade gelangen. So führt dieser Weg also überallhin, wenn man den Mut hat, ihn zu beschreiten.«

»Und er ist ein weit geöffnetes Tor für die Trolle«, mischte sich Lyndwyn plötzlich in das Gespräch ein. »Ich sehe hier keine Verteidigungsanlagen. Was wird geschehen, wenn die Trolle einen Angriff durch den Albenstern wagen?«

»Das ist undenkbar!«, entgegnete Landoran unwirsch.

»Undenkbar? Was glaubst du, wie sie nach Albenmark zurückkehren konnten? Es gibt nur einen Weg, der von der Welt der Menschen hierher führt. Den Weg über die Albenpfade. Sie haben es also schon einmal getan. Warum sollten sie wochenlang die Verteidigungsanlagen von Phylangan bestürmen, wenn es so leicht ist, den steinernen Garten zu erobern?«

»So denken Trolle nicht!«, beharrte der Fürst.

»Du bist ein Schöngeist. Ein Mann, der die völlige Freiheit der Kunst und der Selbstinszenierung über alle Fesseln der Moral und des Geistes verkörpert. Du bist der Schöpfer der Wunder von Vahan Calyd und der Himmelshalle. Glaubst du wirklich, du wüsstest, wie Trolle denken?«, hielt Lyndwyn dagegen.

Der Fürst senkte wie geistesabwesend das Haupt. Die Einwände der Magierin schienen ihn zutiefst berührt zu haben.

Lyndwyn nutzte den Augenblick der Schwäche. »Ich kann verstehen, dass du dich so sehr an die Gesetze deines Volkes gebunden fühlst, dass du dich dem Befehl der Königin widersetzt und Ollowain nicht das Kommando überlassen kannst. Deshalb schlage ich einen Kompromiss vor. Übertrage mir das Kommando. Nach den Gesetzen der Normirga gelte ich als erwachsen, denn ich kann mich mit Leichtigkeit mit meiner Magie gegen die Kälte schützen. Doch was noch schwerer wiegt, Emerelle hat mir den größten Schatz des Elfenvolkes anvertraut.«

Sie zog unter ihrem zerschlissenen Gewand einen rauen Stein hervor, durchzogen von fünf tiefen Furchen. Er wirkte unscheinbar. Wie ein Stück Bruchstein. Und doch erhoben die fünf Furchen ihn zu einem Schmuckstück, ja zu einem Meisterwerk schlichter Harmonie. Er war auf seine Art vollkommen.

»Glaubst du, du kannst mir das Schicksal von Phylangan anvertrauen, wenn Emerelle mich für würdig befand, mich zur Hüterin des Albensteins zu berufen?«

Ollowain verschlug diese Dreistigkeit die Sprache. Kannte diese Diebin und Verräterin denn keine Scham? Er musste sie aufhalten!

Lyndwyn blickte ihn an. »In allen militärischen Belangen werde ich mich dem Rat des Schwertmeisters anvertrauen. Emerelle wollte, dass er die Verteidigung dieser Festung leitet. Ich werde nur die Stimme sein, die seine Befehle trägt. So muss sich keiner deiner Männer dem Wort eines Kriegers unterwerfen, der in den Augen deines Volkes niemals die Mannbarkeit erlangt hat. Auf diese Weise achten wir die Gesetze der Normirga, und zugleich geschieht Emerelles Wille. Wir ...«

Mit ohrenbetäubendem Fauchen schoss eine Fontäne von Wasserdampf aus einem der Quellpfeiler, der sich in der Nähe des Pavillons erhob. Eine dichte weiße Wolke strebte dem falschen Himmel über ihnen entgegen.

Der Fürst war an eine der Säulen des Pavillons getreten. Er wirkte besorgt. Ja, fast schien es, als beschäftige ihn der Dampfausbruch mehr als ihr Streit.

»Dein Vorschlag zeugt von großer Weisheit, Lyndwyn. Ich lege Phylangan in deine Hände, Magierin.« Ollowain konnte nicht fassen, was geschehen war. Diese Intrigantin hatte es binnen weniger Augenblicke geschafft, mit ihren dreisten Lügen das Kommando über eine riesige Festungsstadt an sich zu reißen. Und er konnte nicht gegen sie einschreiten!

Wenn er verriet, dass Lyndwyn den Albenstein gestohlen hatte, würde Landoran ihn ihr vermutlich einfach abnehmen und erklären, es sei zum höheren Wohle aller, wenn sich das mächtige Artefakt in seiner Obhut befinde.

Ohnmächtig vor Wut blickte der Schwertmeister zu der Dampfwolke, die sich immer weiter ausdehnte. Phylangan hatte die weiße Fahne gehisst, und das Schicksal der Stadt lag nun in den Händen jener Elfe, die auch schon den Untergang von Vahan Calyd herbeigeführt hatte. Und er? Er war genauso hilflos wie damals, als sie den Vogel in den Nachthimmel geschickt und das Signal zur Beschießung des Hafens gegeben hatte. Nein, nicht ganz. Diesmal wusste er, wo der gefährlichste Feind seines Volkes stand!