Выбрать главу

»Die Reißzähne nieder!«, rief Orgrim.

Krachend schlugen die schweren Enterbrücken der Geisterwind auf die Zinnen der Hafenmauer. Der Rudelführer schob den Arm durch die Lederschlaufen seines schweren Schildes. Schützend hob er die dicken Eichenbretter vor seine Brust, sodass er gerade noch über den Rand blicken konnte. Er spürte die Unruhe der Krieger hinter sich. Eine Steinkugel aus den merkwürdigen Elfenkatapulten strich dicht über seinen Kopf hinweg und riss Splitter aus dem Hauptmast.

Orgrim zog den Kriegshammer aus seinem Gürtel. Er war entschlossen, den Mauerabschnitt, der vor ihm lag, einzunehmen. Er würde sich seinen Herzogstitel schon verdienen. Und sei es, dass er Herzog so einer verfluchten Elfenstadt wie Reilimee wurde!

Die Enterbrücke vibrierte unter seinen Füßen. Nur wenige Schritte, und er war bei der Mauer. Speere reckten sich ihm entgegen. Er schob sie so mühelos zur Seite, als seien es Schilfrohre. Mit einem Satz war er auf dem Wehrgang. Die Verteidiger standen zu dicht. Sie konnten seinen Hieben nicht ausweichen. Brüllend schwang er den Kriegshammer über seinem Kopf.

Ein Rudelführer der Elfen schrie seinen Männern zu, sich zurückzuziehen. Pfeile schlugen in Orgrims Schild.

Die Verteidiger hier auf der Mauer waren viel weniger geschickt als die Elfenkrieger, die auf dem Schiff der falschen Königin gekämpft hatten. Sie waren nicht minder tapfer, aber sie konnten ihn nicht aufhalten. Sein schwerer Kriegshammer zerschmetterte Schilde, Helme, Schädel, alles, was ihm in den Weg kam. Mit Schildstößen ließ er Krieger von der Mauer purzeln. Seine Krieger fluchten wütend hinter Orgrim. Sie kamen nicht an ihm vorbei. Der Gang auf der Mauer war so eng, dass gerade einmal zwei Trolle nebeneinander kämpfen konnten, ohne sich gegenseitig zu sehr zu behindern.

Immer schneller ging es voran. Manche Elfen sprangen lieber über die Brustwehr, als unter seinen Streithammer zu geraten. Die hellen Bodenplatten auf der Mauer waren glitschig vom vielen Blut. Möwen kreisten über dem Turm vor ihm. Sie kreischten, als wollten sie die Kämpfenden anspornen.

Orgrim sah, wie sich die Tür des Turms schloss. Die Elfen, die es nicht mehr in Sicherheit geschafft hatten, schrien in Panik. Einige von ihnen warfen ihre Waffen weg und knieten nieder. Elende Feiglinge! Orgrim packte sie und stieß sie zur Seite. Und dann war er bei dem Tor. Breite schwarze Eisenbänder liefen über das graue Holz. Rostspuren zeichneten die Türen wie Streifen aus geronnenem Blut. Es stank nach Fäkalien und Erbrochenem. Der Geruch von Schlachtfeldern.

Orgrim schlug mit aller Kraft auf das Tor ein. Das graue Holz erzitterte. Jeder Treffer hinterließ tiefe Kerben, doch die Tür widerstand.

»Vorsicht, Rudelführer!«

Orgrim riss im Reflex seinen Schild hoch. Etwas wie Wasser troff vom Himmel. Ein ganzer Schwall traf den Schild. Einzelne Tropfen spritzten in sein Gesicht oder fanden ihren Weg durch feine Risse in den Eichenbrettern. Sie brannten auf seiner Haut. Ein schwerer, öliger Geruch und der Gestank von gesottenem Fleisch hingen in der Luft.

Der Krieger unmittelbar hinter ihm hatte weniger Glück gehabt. Er lag auf dem Rücken, seine Arme zuckten hilflos. Sein Gesicht war aufgequollen, graurot und voller Blasen. Er hatte die Augen weit aufgerissen. Sie strahlten weiß wie gekochte Eier aus dem verbrühten Fleisch.

»Schafft Rammböcke her!«, befahl Orgrim. »Die Tore sind zu stark, um sie mit unseren Waffen einzuschlagen.« Eine Fackel fiel vor die Füße des Rudelführers. Er bückte sich hastig. Schon fraßen sich Flammen in gierigen Schlieren über das Öl. Wütend warf Orgrim die Fackel ins Meer. Er ließ den Schild vom Arm gleiten und erstickte damit die Flammen.

»Steinwerfer! Heizt den Wichtlein auf den Türmen ein.« Er wünschte, auch seine Trolle hätten diese starken, waagerecht schießenden Katapulte. Dann könnte man Festungstürme mit solchem Beschuss belegen, dass niemand es mehr wagte, seine Nase zwischen die Zinnen zu stecken.

»Los, wo bleibt der Rammbock! Wollt ihr vielleicht hier auf den Mauern gesotten werden?« Gellende Schreie ließen den Rudelführer aufblicken. Am anderen Ende des Mauerabschnitts, dort, wo sich der nächste Wachturm erhob, stand der Wehrgang in hellen Flammen. Krieger, die zu lebenden Fackeln geworden waren, taumelten ihren Kameraden entgegen. Hilflos mit den Armen rudernd, umklammerten sie jeden, den sie zu greifen bekamen, und trugen den Tod so weiter in die Reihen jener, die dem kochenden Öl und den Flammen entgangen waren.

Jetzt waren es seine Krieger, die voller Entsetzen von den Mauern sprangen. Ein Flammenmann stürzte auf das Hauptdeck der Geisterwind.

Boltan rammte ihm eine Harpune ins Genick, bevor er wieder auf die Beine kommen konnte. Dann erstickten andere das Feuer mit Sand.

»Den Rammbock!«, rief Orgrim wütend. Sie waren dem Sieg so nahe gewesen.

Endlich kam Bewegung in die Männer. Ein dicker Holzstamm wurde auf die Mauer gehievt. Man hatte ihn nicht von Ästen gesäubert, sodass es genügend Griffe gab. Das vordere Ende des Stammes war zugespitzt. Orgrim verließ die Deckung unter dem Türsturz. Er schob den Kriegshammer in den Gürtel zurück und hob den Schild schützend über den Kopf. »Los, nehmen wir Rache für unsere toten Kameraden!«

Er sah die Mordlust in den Augen seiner Krieger. Viele waren von Brandwunden gezeichnet. Einem Glatzkopf steckten zwei abgebrochene Pfeile in der linken Schulter. Dennoch griff er nach einem Aststrunk und rief: »Rache!«

Auch Brud, Skangas Kundschafter, war unter den Männern, die sich zum neuen Angriff formierten. Schreiend stürmten sie dem Tor entgegen. Wie Donnergrollen rollte das Krachen des Rammbocks über die Mauern. Orgrim hatte das Gefühl, dass ihm alle Armsehnen reißen müssten, als der schwere Holzstamm vom Tor abprallte. »Los, noch einmal!« Der Baumstamm schnellte vor. Jetzt wurden sie mit einem splitternden Geräusch belohnt. Eine der Planken der Tür war geborsten.

Pfeile fuhren zwischen sie herab. Oben vom Turm unternahmen die Verteidiger einen letzten, verzweifelten Versuch, sie von der Tür zu vertreiben.

»Rache!«, schrien die Trollkrieger. »Rache!« Im Takt zu ihren wütenden Rufen hämmerte der Rammbock vor das Tor. Ging einer der Männer zu Boden, nahm sofort ein neuer seinen Platz ein.

Eine weitere Planke splitterte. Und dann gab eine der Angeln nach. Das Tor kippte halb nach innen. Orgrim ließ den Rammbock fahren. Er drängte in den Turm. Eine Schwertklinge schnellte ihm entgegen. Er ließ sich fallen. Holzsplitter zerschrammten seine Brust. Unter seinem Gewicht riss auch die zweite Angel aus der Verankerung in der Mauer. Das Tor stürzte in den Turm. Der Rudelführer rollte zur Seite, um einem Speerstoß auszuweichen. Die enge Turmkammer war erfüllt von Leibern. Schwere Füße trampelten über ihn hinweg. »Rache!«, hallte ihr Schlachtruf von den Wänden.

Irgendwie schaffte es Orgrim, auf die Beine zu kommen. In dem Gedränge war es unmöglich, seinen Kriegshammer zu schwingen. Neben ihm sank der glatzköpfige Krieger in die Knie. Sein Bauch war der Länge nach aufgeschnitten. Mit beiden Händen versuchte der Sterbende, die vorquellenden Gedärme festzuhalten. Der Rudelführer sah die blutige Elfenklinge zu einem neuen Stoß vorschnellen. Diesmal zielte sie auf seinen Bauch. Orgrim drehte sich zur Seite, doch diesmal war er zu langsam. Ein langer, flacher Schnitt zog sich über seinen Bauch.

Wütend griff er nach dem Kopf des Schwertkämpfers und schlug ihn mit aller Kraft gegen die Wand. Immer und immer wieder.

Der Kampf ringsherum verebbte. Jemand riss das Tor auf, das auf den nächsten Mauerabschnitt führte, und wurde noch im selben Augenblick zurück in die Turmkammer geschleudert. Wie eine Kinderfaust, die in ein Mäusenest schmettert, zerriss eine unsichtbare Kraft Schilde und Leiber. Triumphierende Sieger wurden binnen eines Augenblicks zu zerschundenen Kadavern.