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Vorsichtig blickte Orgrim durch das Tor. Die Elfen hatten eines ihrer geheimnisvollen Geschütze auf der Mauer in Stellung gebracht. In fliegender Hast versuchte die Besatzung, das Katapult nachzuladen. Zwei Krieger wuchteten einen kopfgroßen Stein auf die Führungsschiene. Zwei weitere drehten an den Speichen einer Doppelwinde. Das Geschütz war weniger als fünfzig Schritt entfernt. Der Rudelführer begann zu laufen. »Rache!«, schrie er seine Angst und seine Wut hinaus. Hinter sich hörte er Schritte. Der Schlachtruf wurde erneut von anderen Kriegern aufgenommen.

Die Anne des Katapults ruckten noch ein letztes Stück nach hinten, dann verharrten sie in tödlicher Spannung. Ein scharfes Klacken erklang. Orgrim warf sich nach vorn. Er spürte den Zugwind, als die Steinkugel nur wenige Zoll über seinem Rücken dahinschoss. Er hörte reißendes Fleisch. Vielstimmiges Geschrei. Sofort stemmte sich der Rudelführer wieder hoch.

Verfluchte Elfen! Sie luden schon wieder nach. Ein neuer Stein wurde auf die Führungsschiene gehoben. Orgrim rannte so schnell ihn seine Beine trugen. Dicht neben ihm war Brud, der Kundschafter. Der Rudelführer zog seinen Kriegshammer aus dem Gürtel.

Ruckend bewegten sich die Anne des Katapults zurück. Nur noch zehn Schritt. Pfeile umschwirrten sie. Ein Schlag traf Orgrim in den Oberschenkel. Doch er rannte weiter. Beißender Schmerz brannte in seiner Brust. Die Katapultarme nickten noch ein letztes Mal, dann verharrten sie. Noch fünf Schritte.

Die Kriegsmaschine lauerte wie eine zum Zustoßen bereite Viper. Ein Elf mit federgeschmücktem Helm beugte sich vor. Orgrim schleuderte seinen Kriegshammer. Der Helm verwandelte sich in blutiges Blech. Noch zwei Schritte. Die Geschützbedienung sprang zurück. Die Elfen versuchten, durch das offene Tor in den nächsten Turm zu entkommen.

»Pack das Mistding! Wir verkeilen damit das Tor!«, schrie er dem Kundschafter zu. Im Schwung ihres Ansturms rissen sie das Katapult mit sich.

Das Tor des Turms schloss sich. Krachend fuhr die Belagerungsmaschine gegen das Holz. Die lange Führungsschiene schob sich zwischen Tor und Mauerfassung. Etwas klackte. Die Katapultarme schnellten vor. Der schwere Stein wurde nach vorn gerissen und zog eine blutige Schneise in die Krieger, die ihnen folgten. »Nein!«

In blinder Wut trat Orgrim die Tür auf und warf sich auf die Elfen. Wie im Rausch trat und schlug er um sich. Etwas schlitzte seine Wange auf. Ein schwerer Hieb traf sein Knie. Die Kammer füllte sich mit Leibern und der feuchten Hitze frisch vergossenen Blutes. Und dann plötzlich war es vorbei. Nur das leise Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden störte die Stille.

Orgrim wankte eine enge Stiege hinauf. Der zweite Turm war genommen! Sie hatten einen ganzen Abschnitt der Mauer erobert. Von der Turmkrone herab sah er, wie die Krieger anderer Schiffe über die Enterbrücken der Geisterwind stürmten.

Der Rudelführer stützte sich schwer auf eine Zinne. Die Hafenstadt war riesig. Auch zur See hin schützte sie sich mit einem doppelten Wall. Die Elfen waren noch lange nicht geschlagen. Aber sie hatten ihre erste Niederlage erlitten. »Nie wieder werdet ihr uns von diesem Wall vertreiben«, schwor der Rudelführer erschöpft. »Und nie wieder werden wir Albenmark verlassen.«

Die falsche Schlacht

Der Rudelführer beendete seinen Bericht. Orgrim stützte sich schwer auf den Stumpf einer zerborstenen Säule. Er fühlte sich schwach wie ein Neugeborenes; er hatte während der Kämpfe viel Blut verloren.

Die Herzöge, die Branbart in den Ruinen eines Elfenpalastes um sich versammelt hatte, sahen Orgrim ernst an. Dumgar vom Mordstein nickte anerkennend. Der grauhaarige Mandrag kaute tief in Gedanken an seiner Unterlippe.

Branbart zog die Nase hoch und spuckte in eine Pfütze mit schleimigem Auswurf vor seinen Füßen. »Du hast wieder einmal leichtfertig ein Schiff eingesetzt«, sagte der König düster.

»Masten und Aufbauten der Geisterwind sind nur noch Trümmer.«

Orgrim konnte es nicht fassen! Was hatte er dem König getan?

»Die Geisterwind hat das Katapultfeuer eines ganzen Mauerabschnitts auf sich gezogen. Als die Elfen erkannten, dass wir die größte Gefahr sind, haben sie auf die anderen Schiffe nicht mehr geschossen. Willst du mir vorwerfen, dass mir glückte, was anderen Rudelführern misslungen ist? Wäre es dir lieber, wenn wir noch ein weiteres Mal mit unserem Angriff gescheitert wären?«

»Nimm den Mund nicht zu voll, Welpe!« Branbart war aufgesprungen und deutete drohend mit dem Oberschenkelknochen, den er abgenagt hatte, auf Orgrim. »Du überschätzt dich. Andere Rudelführer haben sich schon über dich beschwert, weil du ihnen ihre besten Seemänner und Krieger weggenommen hast. Du hast gesiegt, weil du das beste aller Rudel befehligst. Und nicht, weil du der Held bist, für den du dich offensichtlich hältst.«

»Sei nicht ungerecht, Branbart«, mischte sich der alte Mandrag ein. »Wir alle wissen, dass es nicht Orgrim ist, der den Rudelführern ihre besten Männer stiehlt. Und er ist ein tapferer Krieger. Er und der Hüne Gran waren als Erste auf der Mauer. Du solltest ihn nicht tadeln, sondern ihm den Ehrenplatz an deiner Tafel anbieten, wie es die Könige unseres Volkes schon seit Anbeginn aller Zeiten mit mutigen Rudelführern getan haben.«

»Willst du mir etwa erklären, was ein König zu tun hat? Glaubst du, weil du eine Zeit lang unser Volk geführt hast, wüsstest du, was es ausmacht, ein König zu sein?«, fragte Branbart lauernd.

»Genug davon!«, rief Skanga entschieden. »Du bist der König, keiner zweifelt daran.« Die Schamanin richtete sich auf und trat zwischen die Herzöge. »Es war ein Fehler, Reilimee anzugreifen, Branbart. Sie waren gewarnt. Es war vorherzusehen, dass wir Reilimee nicht so einfach überrennen können wie Vahan Calyd.«

»Misch dich nicht in das Geschäft der Krieger ein!« Branbart schleuderte wütend den Knochen zur Seite. »Vielleicht war es leichtfertig, diesen Kampf zu wagen, aber wir können ihn jetzt nicht mehr abbrechen. Wenn wir hier sieglos abziehen, dann wird das ein Zeichen für alle Völker Albenmarks sein. Sie werden sich ermutigt fühlen, sich uns zu widersetzen. Reilimee muss fallen. Und diesmal werden wir niemanden ziehen lassen! Wenn wir weitersegeln, dann wird die Stadt ein Leichenfeld sein!«

So sehr Orgrim seinen König auch verachtete, musste er dem zustimmen, was Branbart sagte. Sie durften diesen Kampf nicht verlieren.

»Im Übrigen brauchen wir die Vorräte, die uns die Stadt zu bieten hat. All das Fleisch, die gut gefüllten Lagerhäuser ... Die Snaiwamark ist ein karges Land. Ein Heer, so groß wie unseres, kann dort im Winter nicht versorgt werden.« Branbart lächelte Skanga herablassend an. »Erzähl mir nicht, wie man einen Krieg führt, Weib. Du weißt doch, meine Seele ist reich durch die Weisheit vieler Könige.«

»Ja, und in ihr lebt auch die Überheblichkeit vieler Könige weiter. Ich sehe durchaus, welchen Nutzen uns ein Sieg hier bringt. Aber denke an Phylangan. Landoran ist ein verschlagener Elf. Er wird wissen, dass wir kommen. Und mit jedem Tag, den wir hier verlieren, wird er stärker, während unsere Krieger vor den Mauern Reilimees verbluten. Noch ist die Zufahrt in die Walbucht eisfrei, und wir können mit unseren Schiffen weit nach Westen gelangen. Mit jedem Tag, den wir verlieren, wandert die Eisgrenze weiter nach Süden. Wenn die Walbucht erst zugefroren ist, wird sich unser Anmarsch auf Phylangan um hunderte Meilen verlängern. Und jede Meile zehrt an den Kräften unserer Männer, während Landoran stärker und stärker wird.«

Branbart lachte ihr ins Gesicht. »Das ist der Grund, warum Weiber keine Kriege führen. Sie malen sich alles in so düsteren Farben aus, dass sie schon geschlagen sind, bevor es zur ersten Schlacht kommt. Was ist der Sinn deiner Mäkeleien? Was willst du mir sagen?« Sein Blick blieb an Orgrim haften. »Du bist doch ein Held. Der findige Geist, der Brücken in Masten baut, um Mauern zu erstürmen. Was würdest du tun? Ich kenne den Ehrgeiz, der in dir brennt. Nun zeige einmal, dass du die Klugheit hast, die einen Herzog neben seinem Mut auszeichnen sollte.«