Ollowain spannte den Nacken, um Lysilla, die hinter ihm stand, besser sehen zu können. Sie trug ein enges, blütenweißes Wickelkleid. Er musste lächeln. Das war ein Traum!
»Du willst mich also ansehen. Verspann dich nicht! Sag etwas!« Lysilla trat seitlich ans Bett. Ihre Hände legten sich angenehm wann auf seine Brust. Kurz presste sie seine Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger. Ein wohlig-warmes Schaudern durchlief Ollowain. Schon griffen ihre Hände nach seinem Hals. War das doch kein Traum?
»Wer schickt dich?«
»Niemand. Sie haben von dir erzählt, Ollowain. Aber niemand schickt mich.« Ihre Hände strichen über seine Augen.
»Sieh mich nicht an. Sieh gar nichts an! Fühle nur. Solange du die Augen aufhältst, kannst du nicht frei sein.«
Ollowain gehorchte ihr zögernd. Lysillas Hände glitten wieder in seinen Nacken. Sie waren kräftig. Auf ihrer rechten Hand spürte er Schwielen. Die Haut ihrer Linken war weich. Er wusste, was das bedeutete. Er kannte nur eine Art von Arbeit, die allein der rechten Hand Schwielen einbrachte. Ollowain schlug die Augen auf und wollte sich aufsetzen, doch Lysilla drückte ihn zurück.
»Du bist Kriegerin, nicht wahr? Schwertkämpferin.« Sie lachte. »Ich wäre nicht so vermessen, mich so zu nennen. Im Schwertkampf bin ich Schülerin. In dem, was ich gerade tue, bin ich besser, jedenfalls wenn man sich an meine Anweisungen hält.«
»Warum soll ich die Augen schließen?«, fragte Ollowain misstrauisch.
»Du wirst dich dann besser entspannen können. Und selbst die höflichen Lügner können es nicht wirklich lange ertragen, mir ins Antlitz zu sehen. Meine Augen ... Sie beunruhigen die anderen. Etwas anderes zu sagen, ist höflicher Unsinn.«
Sie hatte Recht. Die dunkelrote Iris ihrer Augen war unheimlich. Ihr Blick eindringlich, abschätzend ... sinnlich? »Warum tust du das?«
Ihre Finger strichen über seine Lippen. »Frag nicht. Willst du etwas Wunderschönes erleben? Ein oder zwei vollkommene Stunden? Dann frag nicht.«
»Aber ...«
»Vertrau mir. Worte zerstören die Schönheit des Augenblicks.« Sie nahm seine Hand. »Steh auf. Komm mit mir.« Lysilla ging hinüber in das Badegemach. Auf dem Boden standen Kristallfläschchen, die eben noch nicht dort gewesen waren. Noch immer lag der berauschend fremde Geruch in der feuchtwarmen Luft. Sie deutete auf die Steinbank. »Leg dich dorthin. Es wird dir gefallen.«
Ollowain gehorchte. Er war neugierig. Nie zuvor hatte er jemanden wie Lysilla getroffen.
Der Stein des Marmortischs war erstaunlich warm. Er bettete sein Gesicht auf das Lederpolster. Etwas Öliges troff auf seinen Rücken. Dann waren da wieder ihre Hände. Kraftvoll und zärtlich. Geschickt massierte sie die verspannten Muskeln seines Nackens. Ihre Hände glitten seinen Rücken hinab. Sie beugte sich vor. Lysillas Leib berührte ihn. Sie trug kein Kleid mehr!
»Dreh dich um«, hauchte sie sanft.
Eine Strähne ihres Haars hatte sich gelöst und fiel ihr über die Schulter. Lysilla hatte kleine Brüste wie eine Kriegerin. Die Muskeln ihres rechten Arms waren stärker ausgeprägt. Was tat er? Er betrachtete sie mit den Augen eines Schwertkampflehrers.
Lysilla beugte sich wieder vor. Sie hob den Gürtel ihres Kleides auf. »Lass mich deine Augen verbinden, sonst kann der Zauber nicht gelingen.« Sie lächelte geheimnisvoll. »Hör auf zu denken. Fühle einfach nur noch.«
Ollowain ließ es geschehen. Sie legte den Stoff des Gürtels doppelt und zog die Augenbinde straff an. »Lausche auf das Rauschen des Wassers.« Lysilla legte ihm eine Hand auf die Brust, die zweite unter den Nacken, dann drückte sie ihn sanft nach hinten. Öl troff auf seine Brust. Ihre Finger spielten mit seinen Brustwarzen. Dann waren sie zwischen seinen Schenkeln. Sie umschloss seine Hoden. Ihr Griff wurde fester, bis ein süßer Schmerz ihn aufstöhnen ließ.
Ollowain fühlte sich schwindelig, obwohl er lag. Nun tasteten ihre Hände über seinen Bauch. Er bäumte sich auf, stöhnte. Es war, als zeichne sie Spuren aus Flammen auf seine Haut. Er wollte, dass ihre Finger wieder tiefer glitten. Und zugleich wollte er nicht, dass sie aufhörte mit dem, was sie gerade tat. Lysillas Haut fühlte sich weicher an. Das musste das Öl sein.
»Komm ins Wasser, ich führe dich.« Sie griff nach seiner Hand.
Willig setzte er sich auf. Sie nahm seine zweite Hand. Er ließ sich vom Marmortisch rutschen. Der Steinboden war kühl. Das Schwindelgefühl wurde stärker. Sich so völlig anzuvertrauen, war ein neues Gefühl für ihn. Unter den Wohlgerüchen, die dem Wasser entstiegen, musste ein Rauschmittel sein, vermutete er.
»Vorsicht, jetzt kommt eine Stufe.«
Ollowain lachte verlegen. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Lysillas Stimme erklang neben ihm. Dabei ging sie doch vor ihm! Sie hielt ihn noch immer mit beiden Händen.
Schmeichlerisch warmes Wasser umfasste seine Knöchel. Sich behutsam mit den Füßen vortastend, stieg er tiefer in das Becken, bis ihm das Wasser bis über die Hüften reichte.
Lysilla zog ihn zu sich heran. Ihre Brüste drückten sich gegen ihn. Ollowain spürte ihre Erregung. Die Schenkel der Elfe umklammerten seine Hüften. Ihre Lippen fanden einander. Er überschüttete sie mit leidenschaftlichen Küssen. Ollowain grub seine Zähne in das weiche Fleisch ihres Nackens, liebkoste ihre Brüste, tauchte unter und erkundete mit seiner Zunge verborgenste Winkel. Lysilla zog ihn hinüber in seichteres Wasser. Ihr Liebesspiel wurde wilder. Wie kämpfende Wildkatzen fielen sie übereinander her. Ollowain widerstand der Versuchung, die Augenbinde abzunehmen. Obwohl sie längst von Wasser durchtränkt war, verbarg sie noch immer seine leidenschaftliche Gespielin vor seinen Blicken. Nie zuvor hatte er so etwas getan. In all den Jahrhunderten seines Lebens! Was hatte er versäumt! Und nie zuvor hatte er sich einer Elfe, die er erst eine Stunde kannte, hingegeben.
Seine bisherigen Liebesaffären waren stets ein langsames Herantasten gewesen. Eine scheue Suche nach Beweisen dafür, dass seine Zuneigung erwidert wurde, immer bereit, sich in jedem Augenblick in die trügerische Sicherheit der Einsamkeit zurückzuziehen.
Lysillas Leib erzitterte. Sie stieß ein langes, wollüstiges Stöhnen aus. Ihr Atem strich über sein Gesicht. Dann plötzlich biss sie ihm in die Unterlippe. Der metallische Geschmack von Blut füllte seinen Mund.
Ollowain bäumte sich auf. Lysillas Hände liebkosten seine Brust. Kein Wort hatten sie gesprochen, seit sie ins Wasser gestiegen waren. Die Sprache der Leidenschaft allein vermochte auszudrücken, was kein Wort hätte sagen können.
Lysillas Biss hatte Ollowain erschreckt und ihn doch noch weiter in Ekstase getrieben. Ihre Hände schienen jetzt überall zu sein. Sie diktierte ihm den Rhythmus ihrer Liebe, und er genoss es. Ollowain zögerte den Augenblick hinaus ... Den kurzen Moment des Verfließens.
Ganz gleich, wo ihre Finger über seine Haut glitten, er antwortete mit einem Erschaudern. Sein Leib schien ganz ihr zu gehören. Sie ließ ihn aufjauchzen oder sehnsüchtig nach der nächsten Berührung hungern. Und dann gab sie ihn frei, beendete die süße Folter. Er schrie auf, wieder und wieder. Bäumte sich auf und umklammerte sie. Ineinander verschlungen saßen sie im Wasser. Zu erschöpft zu neuer Leidenschaft. Ihre Hände streichelten seinen Rücken, so wie man es bei einem Kind tat, das man umarmte und trösten wollte.
Der Zauber war verflogen. Ihre Berührung setzte seinen Leib nicht mehr in Flammen. Sie war angenehm. Beruhigend. Langsam fand er zu seinem Verstand zurück. Eine warnende Stimme durchdrang den verebbenden Sog der Lust. Etwas stimmte nicht. Hatte die ganze Zeit über nicht gestimmt. Lysillas rechte Hand. Dort waren keine Schwielen mehr!
Erschrocken griff Ollowain nach der Binde und riss sie herab. Durch das Gitterwerk nasser, schwarzer Haarsträhnen sahen ihn lindgrüne Augen mit goldenen Sprenkeln an. Lyndwyns Augen!
»Das war der einzige Weg«, sagte sie leise. »Wir wären uns nie näher als auf der Brücke gekommen, als wir einander in die Augen sahen. Dein Verstand hätte dein Herz zum Schweigen gebracht.«
Ollowain konnte immer noch nicht fassen, was geschehen war. »Lysilla, wie ...«