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Der Fluchpfeil

Das Zelt des Königs war hell erleuchtet. Der kalte Herbstwind riss an dem roten Stoff und ließ die Flammen der Fackeln tanzen. Es war mitten in der Nacht, und Alfadas schäumte vor Wut. Horsa hatte ihn aus den Armen Aslas gerissen und zu sich befohlen.

Der König, sein Hof und die gewaltige Eskorte, die ihn begleitete, lagerten außerhalb des Dorfes. Auch der Großteil des Heeres aus Honnigsvald musste die Nacht im Freien verbringen, da Fimstayn bei weitem nicht genügend Quartiere für so viele Gäste zu bieten hatte. Dutzende Lagerfeuer leuchteten entlang des Fjords. Alfadas konnte sich gut vorstellen, wie seine Männer, in ihre dünnen Decken gehüllt, darauf warteten, dass die Nacht endlich vorüber ging. Wie sie in die Glut ihrer Feuer starrten und sich ausmalten, was der morgige Tag wohl bringen würde.

Ein weiter Kreis von Wachen umgab das Zelt des Königs. Sie standen gerade weit genug entfernt, um nicht hören zu können, was drinnen besprochen wurde. Horsa hatte mehr als zweihundert Krieger mitgebracht. Für eine Eskorte waren das bei weitem zu viele. Der König hatte verkündet, er habe keine Mühen gescheut, um seine tapfersten Recken zu verabschieden, wenn sie nach Albenmark gingen. Und auch sein Skalde Veleif hatte viele schöne Worte gefunden, um die Männer einzulullen. Gerade die Bauern und Handwerker, jene Männer, denen die Ungerechtigkeit im Reich Horsas alles genommen hatte, waren von dieser Geste besonders gerührt gewesen. Eine Nacht lang durften sie sich bedeutend fühlen. Sie glaubten wirklich, der König sei nur um ihretwillen gekommen. Verdammter alter Fuchs, dachte Alfadas. Du verstehst dein Geschäft noch immer gut. Er hatte Ollowain mitgenommen, weil er fürchtete, allein sei er gegen die Schmeicheleien und Intrigen Horsas nicht gefeit.

Die Wachen winkten sie beide durch, ohne Fragen zu stellen. Horsa war allein in seinem Zelt. Er stand neben einer Pfanne mit glühenden Kohlen. Der König hielt seine Hände über die Glut, streckte sie und ballte sie zu Fäusten. »Ich hasse dieses nasskalte Herbstwetter. Alle Glieder tun mir weh in Nächten wie diesen.« Er wies sie mit einem Kopfnicken an, am Tisch Platz zu nehmen, der die Mitte des Zeltes beherrschte. Eine Platte mit Brot und kaltem Hühnerfleisch hatte Horsa kaum angerührt.

Gegenüber dem Eingang stand ein schweres Bett mit einem schön geschnitzten hölzernen Rahmen. Ein Berg von Pelzen türmte sich auf dem Lager.

»Warum hast du mich rufen lassen?«, fragte Alfadas kühl. Er wünschte die unwillkommene Unterredung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

»Ragni hat mir von der Ausbildung deiner Männer erzählt.« Horsas Tonfall war nicht zu entnehmen, ob dies ein Lob oder ein Tadel sein sollte.

»Sie werden sich gut schlagen«, entgegnete der Herzog.

»Ich könnte dir noch einige meiner Reiter mitgeben.« Was wollte der Alte? Alfadas stand nicht der Sinn nach solchen Spielchen. Doch musste er seine Ungeduld beherrschen! Allein schon wegen Asla und der Kinder.

»Wir würden die Pferde deiner Reiter nicht versorgen können«, mischte sich Ollowain ein. »Wir müssen über eine weite Eisebene marschieren. Die Tiere würden dort zu Grunde gehen.«

»Aber eine ganze Herde Schafe könnt ihr versorgen?« Der König ballte die Hände wieder zu Fäusten.

»Die werden wir essen«, sagte der Elf lächelnd. »Für sie müssen wir kein Futter mitnehmen.« Horsa nickte. »Wie ich sehe, wurde der Feldzug sorgfältig vorbereitet. Du wirst diesen Trollen sicher viel Ärger machen, Alfadas.« Der König rieb sich seine leere Augenhöhle und setzte sich dann zu ihnen an den Tisch. Horsas Atem stank nach saurem Wein.

Der König ignorierte Ollowain geflissentlich. Vielleicht, weil er Angst vor ihm hatte, dachte Alfadas. War Horsa wirklich so naiv zu glauben, dass der Schwertmeister nicht wusste, welche Intrige gesponnen wurde? Oder vertraute er darauf, dass es dem Elfen gleichgültig war, solange er Krieger für die kommenden Schlachten bekam?

»Ich gestehe, ich mache mir auch Sorgen«, fuhr Horsa fort.

»Wer soll sich um den Schutz Emerelles kümmern? Und wer soll sie versorgen? Es gibt keine Heilerin hier im Dorf, nur einen fetten alten Priester.«

»Deine Sorge um Emerelle ehrt dich, König«, entgegnete Ollowain glattzüngig. »Doch im Haus meines Freundes Alfadas genießt Emerelle alle Hilfe, die wir ihr zuteil werden lassen können. Ich sehe keinen Grund, die Königin den Strapazen einer langen Reise an deinen Hof auszusetzen.«

»Reden wir nicht weiter um den heißen Brei herum!«, polterte Horsa los. »Ich weiß, dass du mich hintergehen willst, Alfadas! Wäre ich nicht hier, du würdest vielleicht nicht einmal durch das Tor auf dem Hartungskliff ziehen. Du lauerst auf meinen Thron. Und dein Heer aus Habenichtsen und Verrätern wie Lambi ist dir völlig ergeben. Selbst wenn du morgen gehst, wer sagt mir, dass du nicht übermorgen schon zurückkehrst?«

Alfadas sah Horsa fassungslos an. Jetzt war der Alte wirklich wahnsinnig geworden! »Verzeih, aber es war doch deine Idee, ein Heer aufzustellen, in dem du die Unzufriedenen sammelst, und mich mit ihnen nach Albenmark zu schicken, um dort gegen die Trolle zu kämpfen.«

»Das war es nicht!«, grollte der König. »Du und deine Elfenfreunde, ihr habt meine Gutmütigkeit ausgenutzt und mich dazu verführt. Aber ich durchschaue euren Plan jetzt. Es gibt gar keinen Krieg mit den Trollen in Albenmark! Welchen Beweis hätte ich auch dafür, außer eurem Wort? Ihr habt gewusst, dass ich sofort meine Hilfe anbieten würde, wenn ich die Geschichte von der vertriebenen Elfenkönigin höre. Und so habt ihr mich dazu gebracht, dass ich dir das Heer verschafft habe, Alfadas, mit dem du meinem Sohn den Thron rauben willst.«

»So ist es nicht!«, beteuerte Alfadas verzweifelt. »Höre auf dein Herz, und du wirst wissen, dass du von mir nichts zu befürchten hast.«

»Das habe ich in der Tat nicht, wenn du nach Albenmark gehst. Und damit ich ganz sicher bin, dass du nicht wiederkommst, werde ich Asla und deine Kinder mit nach Gonthabu nehmen. Und auch diese schlafende Elfe. Ich sehe wohl, dass sie eine bedeutende Persönlichkeit ist. Ich erkenne eine Fürstin, wenn ich ihr begegne. Wenn ich nie wieder von dir höre, Alfadas, dann wird es ihnen allen gut gehen.«

Der Herzog legte seine Hand auf den Schwertgriff. »War es nicht sehr unklug, uns Verräter in dein Zelt zu rufen?«

Horsa sah ihn finster an. »Ich bin auf jeden Verrat gefasst. Dein Haus ist umstellt, Alfadas. Wenn mir etwas geschieht, dann stirbt deine Familie. Und deine Bauernkrieger werden von meinen Männern im Schlaf überrumpelt.« Unvermittelt wich sein Zorn, und der König wirkte nur noch traurig. »Geh, Alfadas, und komm nicht wieder. Das ist alles, was ich von dir will. Und glaub nicht, dass ich nicht wüsste, dass ich der Schurke in dieser Saga bin. Du weißt ja, unsere Heldengeschichten enden immer tragisch und blutig. So ist das im Fjordland. Deshalb hoffe nicht, ich würde zögern, deine Familie ermorden zu lassen, wenn du dich mir widersetzt.«

»Kennst du die Geschichte von Nazirluma und Aileen?«, fragte Ollowain in einem Tonfall, in dem ein Märchenerzähler zu Kindern sprach.

Alfadas fragte sich, ob der Elf den Ernst der Lage nicht begriff Horsa winkte ab. »Dieser Kinderkram tut jetzt nichts zur Sache. Ich werde morgen deine Familie mitnehmen, Alfadas. Sorge dafür, dass hier im Dorf niemand Widerstand leistet. Ich würde nur ungern ein Blutbad anrichten.« Er wandte sich Ollowain zu.

»Und du. Mach der Leibwächterin deiner Königin klar, dass selbst die allerbeste Schwertkämpferin gegen zweihundert Krieger nur unterliegen kann.«

»Wenn dir am Leben deines Sohns gelegen ist, Horsa, dann solltest du dir lieber meine Geschichte anhören.« Der Schwertmeister trug seine Worte höflich, aber mit Nachdruck vor. »Was gibt es Schlimmeres, als vor dem Grab seines Kindes zu stehen?«

»Mein Sohn ist nicht einmal hier!«, schnaubte Horsa. »Und ich werde dir und deiner Brut nicht verraten, wo er steckt. Er ist außerhalb eurer Reichweite!« Seinen Worten zum Trotz wirkte der Alte unruhig. Alfadas hätte gewettet, dass der König gelogen hatte und Egil irgendwo ganz in der Nähe steckte.