»Und was wirst du mir mitbringen? Noch eine Kutsche?«
»Ist etwas mit der Kutsche nicht in Ordnung?« Er schlang seinen Arm um sie und zog sie zu sich heran. Ihr Leib war angenehm warm.
Asla schüttelte sich. »Das ist ja, als sei der Winter in mein Bett gekrochen.« Sie drehte sich um und küsste ihn sanft auf die Stirn. »Komm zu mir zurück aus Albenmark, das ist das einzige Geschenk, das ich mir von dir wünsche.«
Wieder hatte er das Gefühl, als sei sein Magen voller Eis. Ahnte sie etwas? »Die Elfen bauen sehr schöne Kutschen«, sagte er, um von etwas anderem zu sprechen.
Asla versetzte ihm einen Knuff. »Willst du eine Kutscherin aus mir machen? Bin ich vielleicht einem deiner Geheimnisse auf der Spur? Schätzt du Elfen, die gern auf dem Bock sitzen?«
Alfadas zog sie auf sich. »Eigentlich bevorzuge ich wilde Reiterinnen.« Aslas langes Haar strich ihm über das Gesicht. Ihre Hände spannten sich um seine Schultern.
»Es gäbe doch etwas, das ich mir wünsche. Diese selbstgefällige, dunkelhaarige Ziege, von der du wolltest, dass sie meinen Bauch betastet... Lündin, oder so. Sie hatte ein kleines Glasfläschchen. Darin war ein wunderbar duftendes Wasser. Ich habe sie einmal beobachtet, wie sie ein wenig davon auf ihren Hals getupft hat. Sie roch danach wie ein Blumengarten. Es wurde einem ganz behaglich bei diesem Duft. So etwas hätte ich auch gerne.« Alfadas vergrub seinen Kopf zwischen ihren Brüsten. »Ich mag den Geruch deiner Haut. Kein Duftwasser könnte mich so berauschen.«
Sie schob sich auf seinen Schoß. »Du bist ein schlechter Lügner. Ich kenne keinen Mann, der sich so oft wäscht wie du. Warum solltest du meinen Geruch schätzen, wenn du deinen eigenen nicht ertragen kannst?«
»Wenn wir uns geliebt haben, wasche ich mich manchmal tagelang nicht.« Er zog sie zu sich herab und küsste sie. Wenn sie einander liebten, dann war alles wie in jenem wundervollen ersten Jahr. Jedenfalls solange Asla ihn nicht neckte. Damals hatte sie ihn zu sehr bewundert, um ihre Spaße mit ihm zu treiben. Was wohl hinter ihrem Wunsch steckte? Duftwasser! Er mochte ihren Geruch wirklich! Es war zu dunkel in der Schlafnische, um irgendetwas sehen zu können. Aber er war sich sicher, dass sie jetzt grinste. Sie wollte ihn mit ihrem Wunsch foppen! Asla rieb sich sanft an ihm. Wohliges Schaudern durchlief seinen Leib. Das Eis in seinem Magen war verschwunden.
»Wirst du mir meinen Wunsch erfüllen?« Sie erhob sich ein wenig.
»Ich werde dir eine ganze Sammlung von Duftwasser mitbringen!« Wieder rieb sie sich an ihm. »Ein Fläschchen reicht mir. Dann würde ich dir auch verzeihen, wenn du noch eine Kutsche anschleppst.« Ihre Wärme umschloss ihn. Alfadas biss sich auf die Lippen. Er wollte nicht, dass die Männer draußen in der Halle ihn vor Lust stöhnen hörten.
Asla begann sich in langsamem Rhythmus zu bewegen. Ihre Wärme umfloss ihn und trug ihn davon. Fort von Horsa und all seinen Sorgen. Sie liebten sich so leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr, und als sie später, den Kopf auf seine Brust gesenkt, einschlief, schwor er sich, dass er zurückkommen würde. Ganz gleich, was auch geschehen mochte. Das war sein letzter Gedanke, bevor er einschlief.
In seinen Träumen belästigte ihn Ole. Er hatte einen Hund mitgebracht, so groß wie ein Pferd, und wollte ihn an Asla verkaufen.
Abschied
Ollowain griff nach der Hand der schlafenden Königin.
»Sie ist immer noch kalt«, sagte Yilvina. »Seit Lyndwyn ihren Zauber gewirkt hat, will die Wärme nicht mehr in ihre Glieder zurückkehren. Ich kann ihr nichts zu essen geben und kaum einmal etwas zu trinken. Sie atmet nur ganz flach. Manchmal denke ich, sie ist wie eine dieser kleinen Eidechsen, die für den Winter erstarren und im ersten Frühlingslicht erwachen.«
Die Brandwunden im Antlitz der Herrscherin waren völlig ausgeheilt. Es waren keinerlei Narben zurückgeblieben. Der Schwertmeister musste an Lyndwyns Worte denken. Floh die Königin vor ihren Taten? Wollte sie nicht erwachen? Er kannte Emerelle schon sehr lange. Vor dem Schicksal davonzulaufen, sah ihr nicht ähnlich.
»Wie geht es dir?« Ollowain blickte zu Yilvina auf.
Die Kriegerin lächelte müde. »Das Leben hier ist nicht gerade sehr aufregend. Ich verlasse niemals das Haus. Nachts schlafe ich vor dem Lager der Königin. Ich bin immer in ihrer Nähe, für den Fall, dass sie plötzlich erwacht.«
»Du solltest dich nicht einsperren«, drängte Ollowain.
»Ich habe versprochen, über Emerelle zu wachen«, beharrte Yilvina.
»Aber hier gibt es keine Feinde.«
»Und dieser König?«, entgegnete sie. »Ich traue ihm nicht. Sein Angebot, Emerelle an seinen Hof nach Gonthabu zu bringen, erschien mir ganz so, als habe er darüber nachgedacht, unsere Herrin als Geisel zu nehmen.«
»Er wird dich nicht noch einmal bedrängen.« Ollowain dachte an die vergangene Nacht. Er hatte den König lange beobachtet. Der Alte hatte zusätzliche Lichter aufgestellt. Sein Schattenriss war deutlich durch die Zeltwände zu sehen gewesen. Horsa hatte bis zum Morgengrauen reglos an seinem Tisch gesessen. Dann hatte er seine Wachen antreten lassen und eine ergreifende Rede über die Flüchtigkeit der Jugend und den ewigen Ruhm tapferer Taten gehalten. Horsa war ein Säufer und ein Hurenbock. Ein Machtmensch, der kaum von Skrupeln geplagt wurde. Aber trotz all dieser Fehler hatte er auch Charisma, und er kannte seine Fjordländer. Jedes seiner Worte hatte sie mitten ins Herz getroffen. Zuletzt hatten sie alle mit Alfadas ziehen wollen, doch er hatte es nur hundert von ihnen gestattet, sich dem Heer des Herzogs anzuschließen.
Der Heereszug war schon vor Stunden aufgebrochen. Ollowain war zurückgeblieben, um von seiner Königin ungestört Abschied zu nehmen. Ein wenig hatte ihn auch die Hoffnung getrieben, Emerelle werde vielleicht erwachen, wenn er an ihrem Lager kniete und leise auf sie einsprach. Doch die Herrscherin lag nach wie vor wie tot in dem Bett, das Asla ihr bereitet hatte.
Ollowain verabschiedete sich von Yilvina mit dem Kriegergruß. Selbst hier im Haus hatte die Elfe ihre beiden Schwerter nicht abgelegt. Die Waffengurte der Klingen kreuzten sich über ihrer Brust. Auch sie trug nun Kleider der Menschen. Doch Ollowain hatte ihr ein Kettenhemd und Armschienen aus Phylangan mitgebracht, damit sie wieder wie eine adlige Kriegerin aussah. Mit den kurz geschorenen Haaren und ihren hohen Wangenknochen hatte das Gesicht der Schwertkämpferin etwas Abweisendes. Sie wirkte kalt und unnahbar. Hoffentlich würde ihre spröde Art Asla nicht reizen. Es war nicht ganz einfach, mit Yilvina auszukommen. Vielleicht war sie zu sehr Kriegerin? Schon ihr Blick hatte etwas Herausforderndes. »Möge dein Weg dich nach Albenmark zurückführen«, sagte Ollowain.
»Nur an der Seite der Königin«, erwiderte sie knapp.
Der Schwertmeister wusste, das Yilvina keinen Wert auf höfliche Floskeln legte. Schweigend ging er hinaus und stieg in den Sattel. Sein prächtiger Schimmel brachte ihn um den Fjord bis fast zum Gipfel des Hartungskliffs. Erst als sie ein Geröllfeld erreichten, stieg der Schwertmeister ab und führte den Hengst am Zügel weiter. Sein Weg führte ihn vorbei an Kindern und Greisen. Alle waren aufgebrochen, um zu sehen, wie das magische Tor sich öffnen würde. Kalf trug eine alte Frau auf dem Rücken, die zu schwach war, den Berghang noch aus eigener Kraft zu erklimmen. Ollowain sah eine Frau, die ein Mädchen mit wunderschönen braunen Augen auf den Armen trug. Das Kind mochte fünf oder sechs Jahre alt sein. Die Mutter redete unablässig auf die Kleine ein. Sie beschrieb das Blau des Fjords und wie winzig klein die Hütten von hier oben aussahen. Jetzt erst begriff der Schwertmeister. Die Augen des Mädchens standen still. Sie blickten ins Leere. Die Kleine war blind. Er würde die Menschen niemals begreifen. Die Szene rührte ihn, auch wenn seine Vernunft sich dagegen sperrte. Es war Unsinn zu glauben, dass sie ihrer Tochter auch nur einen Bruchteil der Wunder dieser Welt beschreiben könnte. Aber es war achtenswert zu sehen, wie sie gegen das Schicksal aufbegehrte! Nicht bereit war hinzunehmen, dass ihre Tochter ausgeschlossen war.