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Alfadas versuchte, sich einen Säugling vorzustellen, der zwischen Wolfswelpen lag. »Sie hätten ihn zerfleischen können. Ein Kind, das inmitten eines Wolfsrudels in Sicherheit ist... Wie konntest du nur auf die Idee kommen, ein Kind zwischen reißende Bestien zu setzen? Bist du so kaltherzig? Ist dir sein Leben gleichgültig?«

»Du weißt nicht, worüber du sprichst.« Silwyna sah ihn enttäuscht an. »Du willst mir gar nicht zuhören, nicht wahr? Er interessiert dich nicht.«

»Wie kannst du das sagen? Er ist mein Sohn! Er ... Hat er mehr von mir als nur die Ohren?«

Die Elfe lächelte mild. »Ja, viel mehr. Er fragt immer wieder nach dir. Deshalb bin ich nach Vahan Calyd gegangen. Ich wollte Ollowain treffen und ihn darum bitten, dass er mir hilft, in die Welt der Menschen zu gelangen.« Sie schüttelte den Kopf.

»Doch stattdessen hatte er eine Bitte. Er beauftragte mich, über jene Frau zu wachen, die ich unter allen Geschöpfen Albenmarks am meisten fürchtete. Emerelle, um deretwillen ich in die Wildnis geflohen war.«

Alfadas sah sich um, ob sie immer noch allein waren. Dann erst wagte er zu fragen: »Warst du es? Hast du auf die Königin geschossen?«

Silwyna sah ihn lange an, ohne zu antworten. Mit jedem Herzschlag, der verstrich, wurde Alfadas unsicherer. Das passte nicht zu der Maurawani! Früher war sie immer geradeheraus gewesen. Ihre Antworten kamen ohne Rücksicht. Und sie sprach immer die Wahrheit, ganz gleich, ob sie sich oder anderen damit schadete. Rang sie jetzt mit einer Lüge? »Ich habe nicht auf Emerelle geschossen«, sagte sie schließlich. »Sie ist die Königin. Ich darf sie nicht töten. Und dennoch hätte Ollowain niemanden finden können, der schlechter geeignet war, auf Emerelle zu achten. Ich habe den Schützen entdeckt, der sie auf dem Achterdeck ihres Schiffes töten wollte. Und ich habe nichts gegen ihn unternommen. Sie ist eine Gefahr für unser Kind, Alfadas. Ich kann sie nicht beschützen!«

»Aber du hast ihnen doch bei der Flucht aus der Stadt geholfen. Du hast ...« Alfadas stockte.

»Ich habe Ollowain geholfen, denn ich vertraute darauf, dass er einen Weg aus dem Inferno finden würde. Und das hat er ja schließlich auch. Es ging mir nicht um die Königin. Ich wollte überleben, und ... ich wollte zu dir gelangen.«

»Aber indem du Ollowain geholfen hast, hast du auch Emerelle gerettet«, beharrte Alfadas, der einfach nicht wahrhaben wollte, dass Silwyna sich gegen die Königin gestellt hatte.

»Das mag schon sein«, entgegnete die Maurawani ruhig.

»Aber es zählt nichts, denn es war nicht meine Absicht, der Königin zu helfen. Und sie sollte besser niemals auf meine Hilfe rechnen.«

»Weiß Ollowain davon?«

»Das muss er nicht. Er misstraut mir. Und er tut gut daran.«

Alfadas konnte Silwynas Gefühle nicht wirklich begreifen. Sie hasste Emerelle und fürchtete um ihr Kind. Sie beschütze die Königin nicht, unternahm von sich aus aber auch keinen Versuch, ihr ein Leid zuzufügen. »Wo ist mein Sohn jetzt? Hast du ihn bei den Wölfen gelassen? Und wie alt ist er? Er ist doch nicht etwa immer noch bei diesem Berg, der so einen üblen Ruf hat, dass sich nicht einmal die Maurawan in seine Nähe wagen.«

»Unser Sohn erlebt seinen zwölften Winter. Und er ist in Sicherheit unter den Wölfen. Sie würden sich für ihn zerfleischen lassen. Ich ...« Ihr versagte die Stimme. Sie wandte ihr Gesicht ab. »Ich kann niemandem trauen.«

Alfadas trat dicht an sie heran und strich ihr sanft über die Wange. »Mir kannst du vertrauen.« Sie zu berühren ließ all seine Wut verfliegen, und es geschah, wovor er sich am meisten gefürchtet hatte. All die Bilder jenes halben Jahres, das sie gehabt hatten, traten überdeutlich in seine Erinnerung zurück. Es war das erste Mal in seinem Leben gewesen, dass er sich glücklich gefühlt hatte.

Erst Asla hatte die tiefe Wunde heilen können, die Silwyna ihm geschlagen hatte, als sie plötzlich verschwunden war. Er hatte die Maurawani verflucht. Und er hatte sie gesucht, Wochen um Wochen. Doch schon am ersten Tag seiner Suche hatte er gewusst, dass er Silwyna niemals finden könnte, es sei denn, sie wollte es. Als er die Suche schließlich aufgegeben hatte, hatte er versucht, sie zumindest zu verstehen. Doch auch das war ihm nicht gelungen. Niemand begriff die Maurawan, hieß es immer, und zuletzt hatte er sich dieser Meinung gefügt. Und dann war sein Vater gekommen. Mit ihm zu reiten und alles hinter sich zu lassen, was an Silwyna erinnerte, war ihm nur willkommen gewesen. Und so hatte er zu Asla gefunden. Sie hatte ihn geliebt, vom ersten Tag an. Und er?

Asla hatte ihm gut getan. Bei ihr hatte er Frieden gefunden. Doch jedes Mal, wenn er hinauf zur steinernen Krone des Hartungskliffs geblickt hatte, war er sich bewusst gewesen, was er Asla angetan hatte. Sie hatte die Lücke füllen müssen, die Silwyna hinterlassen hatte. Er liebte seine Frau ... Aber es war eine andere Art von Liebe, als er sie für die Elfe empfand.

Silwyna küsste ihn. Es war nur eine flüchtige Berührung und doch voller Leidenschaft.

»Ich werde dir nicht im Wege stehen«, sagte sie mit heiserer Stimme. Dann verschwand sie mit eiligen Schritten in die Nacht.

Begegnung im Sturm

In der vergangenen Nacht hatte er kaum Schlaf gefunden, und sie waren lange vor Morgengrauen wieder aufgebrochen. Dichtes Schneetreiben verbarg die Ebene vor ihren Blicken und ließ die Welt auf einen wenige Schritt weiten Fleck zusammenschrumpfen.

Alfadas dachte an Asla. Er war all die Jahre glücklich mit ihr gewesen. Auch wenn er die Erinnerung an Albenmark nicht hatte abschütteln können. Hatte er sich etwas vorgemacht? Er wünschte, er hätte das Gespräch letzte Nacht nicht eingefordert. Jetzt marschierte er inmitten der Kolonne seiner Männer. Ein verlorener schwarzer Fleck in einer langen Reihe schwarzer Flecken. Er starrte auf den Umhang des Mannes, der vor ihm ging. Der Wind zerrte an dem zerschlissenen Stoff. Schnee sammelte sich in den tiefen Falten auf den Schultern. Das einzig Gute an diesem elenden Wetter war, dass ihnen die Schneebrillen erspart blieben. Wenn man diese Lederstreifen mit den schmalen Schlitzen darin über den Augen trug, machte es keinen großen Unterschied mehr, ob man tatsächlich blind war.

Jeden Moment wartete er darauf, dass ein Bote von Graf Fenryl kam und ihn aufforderte, das Kommando zu übergeben. Wie dicht musste das Schneetreiben noch werden, bis der Elfenfürst eine Gefahr darin sah? Es wäre klüger, die Männer anhalten zu lassen. Der Herzog starrte auf den Rücken des Mannes vor ihm. Wenn er die Falten des Umhangs nicht mehr deutlich erkennen könnte, würde er den Befehl geben stehen zu bleiben, ganz gleich, ob der Graf noch zögerte.

Alfadas tastete über seine Brust, dort, wo er unter seinem Kettenhemd und der gepolsterten Lederweste das Amulett der Elfen trug. Ohne diese kleinen verzauberten Goldstücke wäre wohl die Hälfte seiner Männer in der vergangenen Nacht erfroren.

Egal, wie schlecht es im Augenblick vielleicht für die Elfen aussah, wer solche Wunder vollbringen konnte, der würde niemals von einem Haufen ungewaschener Trolle besiegt werden. Sie mussten gewinnen, so wie es immer gewesen war!

Mag schloss zu ihm auf. Der Umhang des Kriegsjarls war von Schnee verkrustet. Er ging leicht vorgebeugt und stemmte sich gegen den Wind.