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Alfadas blinzelte ihm zu. Der Schnee stach dem Herzog wie tausend winzige Dolche ins Gesicht. »Ist alles in Ordnung?« Er musste fast schreien, um das Heulen des Windes zu übertönen.

»Ja«, antwortete der ehemalige Fährmann. Dann schüttelte er plötzlich den Kopf. »Nein! Meine Männer haben mich etwas gefragt, und ich weiß keine Antwort darauf. Deshalb will ich dir die Frage stellen. Werden auch wir, die Bauern, Fischer und Handwerker, in die Hallen Norgrimms eingehen, wenn wir heldenhaft kämpfen? In den alten Geschichten sind es Jarls, Könige oder zumindest berühmte Krieger, die Norgrimm zu sich ruft.« Er holte tief Luft. »Und können wir von hier aus, so weit vom Fjordland entfernt, einen Weg in seine goldene Halle finden?«

»Wir werden ihn lehren, dass Mut nichts damit zu tun hat, welchem Stand man angehört«, sagte Alfadas. Er konnte Mag ansehen, dass ihn die Antwort nicht zufrieden stellte. »Bist du jemals einem begegnet, der aus den goldenen Hallen zurückgekehrt ist, um von ihnen zu berichten?«

Der junge Kriegsjarl blickte ärgerlich auf. »Natürlich nicht! Die Helden werden mit Norgrimm ins Fjordland kommen, wenn die letzte aller Schlachten geschlagen wird. Vorher gibt es kein Zurück.«

»Woher wissen wir dann von dem ewigen Fest der Krieger und der prächtigen Halle des Kriegsgottes? Nur von seinen Priestern und von den Skalden, die uns von den Helden erzählen. Wir haben unseren eigenen Skalden. Und Veleif Silberhand gilt als der Beste seiner Zunft. Er wird eine großartige Saga über uns schreiben. Und ich verspreche dir, in dieser Heldensaga werden alle, die tapfer gekämpft haben, ihren Weg zu Norgrimm finden.«

Mag runzelte die Stirn. »Aber ist das die Wahrheit?«

»Wer, außer Luth, dem Schicksalsweber, kennt schon die Wahrheit? Ich weiß nicht, ob es die goldenen Hallen der Götter gibt, Mag. Doch eins weiß ich mit Sicherheit: Wenn Veleif ins Fjordland zurückkehrt, dann werden noch die Enkel unserer Enkel von den Männern erzählen, die auszogen, um an der Seite der Elfen zu fechten. Mehr Ruhm haben auch König Osaberg und all die anderen Helden nicht errungen. Die Geschichten von ihnen haben ihren Tod überlebt. Vielleicht ist es das, was die goldenen Hallen ausmacht. Dort ist, wer nicht in Vergessenheit gerät.«

Mag klopfte sich den vereisten Schnee von den Schultern.

»Man sagt, du glaubst nicht an die Götter. Vielleicht hätte ich jemand anderen um Rat fragen sollen.«

»Du fragst nicht wegen deiner Männer, nicht wahr? Du bist wegen deines Bruders Torad gekommen.«

Mag sah den Herzog überrascht an. Schließlich nickte er.

»Kann man immer so leicht in meinem Herzen lesen?«

»Ist es eine Schande, die Wahrheit nicht verbergen zu können?«

Der junge Kriegsjarl seufzte. »Es ist wohl leichter, den Wind mit Händen zu fangen, als von dir eine eindeutige Antwort zu bekommen, Herzog.«

»Nur wenn du mich etwas fragst, worauf du die Antwort schon in deinem Herzen trägst.« Alfadas musste schmunzeln. Er konnte die Verzweiflung des jungen Kriegsjarls gut nachvollziehen. Er selbst hatte einst dutzende Gespräche wie dieses mit seinem Schwertmeister und Ziehvater geführt. Damals war er es gewesen, der an den Antworten schier verzweifelt war. Erst die Jahre hatten ihn gelehrt, dass sie mehr gewesen waren als nur Ausflüchte vor unbequemen Fragen. Und er hatte gelernt, der Stimme seines Herzens zu folgen. Jedenfalls meistens.

Lysilla, die weißhaarige Elfe, tauchte wie ein Geist aus dem Schneetreiben auf. Tief über die Mähne ihres Schimmels gebeugt, preschte sie an ihnen vorbei.

»Sie sind unheimlich«, sagte Mag. Er sprach so leise, dass der Sturm fast seine Worte verschlang. »Seit wir auf dem goldenen Pfad waren, hat mein Bruder schreckliche Angst vor dem Tod. Er fürchtet, dass er wie die Dunkelheit ist, durch die wir gegangen sind: ein endloser Schrecken.«

Alfadas zögerte kurz, dann entschloss er sich zu lügen. »Wir alle haben den Pfad aus goldenem Licht gesehen, als wir durch die Finsternis gingen. Diesen Pfad gibt es in unser aller Leben. Großmut, Tapferkeit und unser Sinn für Gerechtigkeit sind die Wegweiser auf diesem Pfad. Wenn wir ihn niemals verlassen, dann wird er uns aus dem Leben hinaus zu den Hallen der Götter führen, so wie uns der goldene Pfad durch die Finsternis in die Welt der Albenkinder führte.«

Mag nickte ernsthaft. Er wirkte erleichtert.

Alfadas fühlte sich elend dabei, voller Inbrunst über etwas zu reden, wovon er nicht wirklich überzeugt war. Mag hingegen schien völlig vergessen zu haben, dass er ihm eben noch vorgeworfen hatte, nicht an die Götter zu glauben. Doch wer wusste schon eine ehrliche Antwort? Was nach dem Tod kam, war allein eine Frage des Glaubens.

»Herzog!« Ollowain galoppierte die Kolonne entlang.

»Hier!« Alfadas trat aus der Reihe der Marschierenden.

Der Schwertmeister parierte sein Pferd und sprang aus dem Sattel. »Sie sind hier. Keine halbe Meile voraus. Die Trolle! Es hat begonnen.«

Einige der Männer blieben stehen und blickten zu ihnen hinüber. Alfadas war sich jedoch sicher, dass sie im Sturmgeheul nicht verstehen konnten, was gesprochen wurde. »Wie viele sind es?«

»Ich weiß es nicht. Lysilla hat sie entdeckt. Sie greifen die Elfen vom Rosenberg an. Wir müssen ihnen helfen.« Alfadas‘ Gedanken überschlugen sich. Alles war anders, als er es geplant hatte.

»Haltet die Kolonne an«, schrie er den Marschierenden zu.

»Ruft alle Kriegsjarls!« Sein Plan war es gewesen, die Trolle durch einen Pfeilhagel gegen einen Wall aus Piken anstürmen zu lassen, doch nun hatte sich alles ins Gegenteil verkehrt. Sie würden angreifen müssen. Und das schnell! Bogenschützen hatten im dichten Schneetreiben keinen Wert. Ebenso die große Formation der Pikenträger. Für einen Angriff auf einen unsichtbaren Gegner waren sie zu schwerfällig.

Als sich die Unterführer versammelten, befahl er den Bogenschützen und den Pikenträgern, eine Verteidigungslinie zu bilden, um den übrigen Truppen einen Rückhalt zu geben. Die Männer mit den Stangenbeilen und die Schwertkämpfer ließ er in lockerer Linie antreten. Sie würden den Angriff führen, und die Elfen sollten sich entlang der Schlachtreihe verteilen, um ihre Waffenbrüder, so gut es ging, zu unterstützen. Graf Fenryl stand bei den Unterführern und beobachtete scheinbar gelassen, wie Alfadas‘ Befehle ausgeführt wurden. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis sich die Schlachtreihe formiert hatte. Man musste sehr genau hinsehen, um zu bemerken, wie sich Fenryls Hand um seinen Schwertgriff schloss und wieder entspannte. Immer und immer wieder. Irgendwo dort draußen im Schneetreiben waren seine Frau und sein Kind. Und ihm blieb nichts übrig, als zu warten, bis die Menschen bereit waren.

Alfadas schritt die ganze Reihe der Männer ab, bevor er den Befehl zum Angriff gab. Ihr erstes Gefecht durfte kein Fehlschlag werden. Die Moral der Krieger würde sich nie wieder davon erholen. Die Männer von Lambi und Ragni bildeten die erste lockere Reihe. Darauf folgten die jungen Krieger aus Horsas Leibwache. Dann erst kamen die Kämpfer mit den Stangenbeilen.

Der Herzog zog sein Schwert. Das Schneetreiben erlaubte ihm gerade einmal zehn Schritt weit zu sehen. Er hatte seinen Männern verboten, irgendwelche Hornsignale zu geben. Ihr Angriff sollte die Trolle völlig überraschen. Alfadas ließ sein Schwert einmal in blitzendem Bogen über seinem Kopf kreisen, dann deutete er nach vorn und ging los. Lambi gesellte sich an seine Seite. »Du erwartest hoffentlich nicht, dass wir sie behandeln wie die Stiere.«

Der Herzog sah den Jarl verständnislos an. »Was meinst du?« Sein Kamerad grinste. »Selbst wenn du mich in Ketten legen lässt, werde ich keinen dieser Trolle fressen, nachdem ich ihn geschlachtet habe.« Einige Männer, die den Jarl gehört hatten, lächelten. Selbst Alfadas fühlte sich ein wenig entspannter.

»Ich glaube, ich werde mit ihnen machen, was mein Vater mit ausgesuchten Feinden getan hat: ihnen die Leber herausschneiden und sie an die Hunde verfüttern.«