Ohne zu zögern stürmte Alfadas vor. Sein Schwert beschrieb einen funkelnden Halbkreis. Er zog einem der Trolle eine blutige Linie quer über den Rücken. Im selben Augenblick schepperte Metall. Ronardin ging von einem Kriegshammer getroffen in die Knie. Seine Brustplatte war tief eingedellt. Blut quoll dem Elfen von den Lippen. Er zielte mit einem kraftlosen Hieb nach dem Knie seines Gegners. Ein zweiter Treffer prellte ihm das Schwert aus der Hand.
»Heh, Steinhaut«, brüllte Lambi. »Deine Schwester macht für jeden die Beine breit!«
»Er versteht dich nicht!«, rief Alfadas und wich knapp einem tiefen Schlag seines Gegners aus. »Lass den Unsinn!«
Der Troll mit dem Kriegshammer ließ von Ronardin ab und wandte sich um. Seine Brust und seine Beine waren voller blutiger Handabdrücke. An einem Knochenhaken an seinem Gürtel hing ein breiter Streifen Fleisch. »Wenn der Tonfall stimmt, muss man die Worte nicht verstehen«, rief Lambi zurück. Er fuchtelte wild mit seinem Schwert. »Komm her, du Riese, und ich erzähl dir, wie es so ist, wenn man bei deiner Schwester liegt.«
Alfadas duckte sich unter einen verlassenen Schlitten, um einem Hieb zu entgehen. Sein Gegner trug Hosen aus hellem Leder. An seinem Gürtel hingen eine Bogentasche und ein Köcher. Ein Hieb seiner Steinaxt zersplitterte die Sitzbänke des Schlittens.
Der Herzog rollte sich zwischen den Kufen hindurch. Einen Moment lang war das zierliche Gefährt zwischen ihnen, dann riss der Troll es mit einem wütenden Schrei hoch und stemmte es über den Kopf. Alfadas begann zu laufen. Als er einen zweiten Schrei hörte, warf er sich nach links. Auf dem Eis dahinschlitternd, prallte er hart gegen eine bronzebeschlagene Kiste. Der Schlitten verfehlte ihn nur knapp. Trümmer flogen durch die Luft. Eine verbogene Kufe prallte dicht neben Alfadas gegen die Kiste. Der Hechtsprung hatte ihm das Leben gerettet.
Ein Schatten erhob sich über dem Herzog. Nein, der Sprung hatte sein Leben nur um ein paar Herzschläge verlängert. Der Troll stand breitbeinig über ihm. Alfadas versuchte einen geraden Stoß und zielte auf das Gemächt des Hünen. Ein mörderischer Schlag ging auf ihn nieder, ihm wurde das Schwert aus der Hand geprellt. Der Troll hatte ihn mit einem geschickten Rückhandhieb entwaffnet. Grinsend hob der Hüne seine Steinaxt. Plötzlich wuchs ein Pfeilschaft aus seinem rechten Auge. Der Troll zitterte. Dunkles Blut rann ihm über die Wange und sammelte sich in seinem Mundwinkel. Er grinste noch immer.
Schlanke Hände griffen nach Alfadas und zerrten ihn zur Seite. Der Herzog konnte nicht den Blick von seinem Gegner wenden. Die Hand mit der Steinaxt öffnete sich. Die schwere Waffe fiel auf das Eis.
»Es ist vorbei«, sagte eine vertraute Stimme.
Ollowain!
»Danke«, stieß Alfadas atemlos hervor. Der Troll begann zu schwanken. Sein unverletztes Auge war starr auf den Herzog gerichtet. Plötzlich sackte der Hüne nach vorn. Einen Moment lang lag er reglos. Dann streckte sich seine Rechte nach der Axt. Die Fingerspitzen berührten den Schaft der Waffe. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann regte er sich nicht mehr.
»Bedanke dich nicht bei mir«, sagte Ollowain sanft. »Sie hat dich gerettet.« Er deutete zu einer schlanken, weiß gewandeten Gestalt, die einen langen Jagdbogen hielt. Silwyna. Die Elfe stand bei Lambi, der sich schwer atmend auf die Trümmer des Schlittens stützte. Der zweite Troll war verschwunden.
Ollowain kniete neben Ronardin nieder und ergriff dessen Hand. Das Gesicht des Wächters der Mandan Falah war so weiß wie der Schnee rings herum, die Lippen rot vom Blut.
»Sie sind nicht über die Brücke gekommen, nicht wahr?« Seine braunen Augen hielten den Schwertmeister gefangen.
»Die Brücke ist nicht gefallen«, sagte Ollowain mit fester Stimme. »Du hast deine Aufgabe gut gemacht.« Schaumiges Blut perlte von den Lippen des Elfen.
»Bitte ... Die Königin hat die Dame geschickt, um Phylangan zu retten. Bitte sie um Verzeihung. Ich wollte sie mit meinen Blicken nicht beleidigen.« Ronardin versuchte sich aufzurichten, doch Ollowain drückte ihn sanft nieder.
»Sie war dir niemals böse, mein Freund. Und nun ruh dich aus. Wir werden dich zurück zum steinernen Garten bringen, damit du weiter über die Brücke wachst.«
»Sie dürfen nicht ...« Ronardins Augen weiteten sich. »Du musst ...«
Ollowain verharrte noch einen Augenblick, dann faltete er die Hände des Toten über dessen Brust.
»Was hatte das zu bedeuten?«, fragte Alfadas verwundert.
»Er glaubte wohl, dass er auf der Mandan Falah gekämpft hat. Er war ihr Wächter, viele Jahre lang.«
Der Sturm hatte sich gelegt. Es fiel nur noch wenig Schnee. Vor ihnen zeichneten sich schlanke Gestalten im Weiß ab. Kutschen und Schlitten kamen ihnen entgegen. Die Flüchtlinge vom Rosenberg.
Die Menschenkrieger brachen in Jubel aus. Sie hatten gesiegt! Lambi kam heran und klopfte dem Herzog auf die Schulter.
»Denen haben wir ganz schön in den Arsch getreten, nicht wahr?«
Alfadas nickte erschöpft. »Das Bündnis hat seine erste Probe bestanden. Das ist ein gutes Omen. Wir konnten die Elfen retten, zumindest diese dort.«
Lambi lachte. »Was heißt hier zumindest diese dort. Das war erst der Anfang. Wir folgen den Trollen in die Hügel und erledigen sie. Ich habe mit diesem Kerl mit den blutigen Händen auf seinem Wanst noch eine Rechnung zu begleichen. Man schubst mich nicht ungestraft herum.«
Der Herzog spürte, wie das Eis unter seinen Füßen erbebte. Erhielt der Feind Verstärkung? Diese Schlacht war noch nicht gewonnen!
Die Schlacht auf dem Eis
»Sie haben uns überrascht, Rudelfiihrer«, sagte Brud zerknirscht. »Wir sind völlig überrumpelt worden.«
Der Anführer der Kundschafter kniete vor Orgrim und erwartete offensichtlich, bestraft zu werden. »Lass es gut sein. Das konnte niemand ahnen. Es war klüger, die Krieger hierher zurückzubringen, als sie in einem ehrenhaften, aber sinnlosen Kampf zu opfern.« Der Rudelführer blickte auf die Ebene hinaus. Weit entfernt formte sich eine breite, schwarze Linie auf dem Eis. Es sah ganz so aus, als machten sie sich für einen Angriff bereit.
»Du bist dir sicher, dass es Menschen waren?«
Der Kundschafter nickte. »Ja. Und es hatte den Anschein, als seien sie darauf vorbereitet gewesen, gegen uns zu kämpfen.«
»Unsinn!«, fluchte Gran. »Sie haben uns überrascht, und sie hatten Glück.« Der riesige Krieger nahm einen Streifen blutigen Fleischs vom Haken an seinem Gürtel und biss ein großes Stück heraus. »Wir sollten hinunter und ihnen die Schädel einschlagen«, forderte er auf beiden Backen kauend. »Du hast hier mehr als zweihundert kampferprobte Krieger, Rudelführer. Wir werden sie in Stücke hauen, wenn wir angreifen. Es sind nur Menschen. Sie können uns nicht widerstehen!«
»Warum glaubst du, sie wären auf einen Kampf mit uns vorbereitet gewesen, Brud?« Orgrim sah den Anführer der Kundschafter forschend an. Versuchte er seine Niederlage in entschuldigende Lügen zu kleiden?
»Sie schienen nicht überrascht zu sein, als sie auf uns stießen. Und einige von ihnen trugen seltsame Waffen. Beile auf langen Stangen. Damit können sie uns angreifen, ohne in die Nähe unserer Keulen zu kommen.«
»Was hältst du davon, Mandrag?«
Der alte Troll blickte lange auf die Ebene hinaus, bevor er antwortete. »Ich denke, dass die Elfen sehr verzweifelt sind, wenn sie Menschen als Verbündete aufbieten müssen.«
Orgrim nickte anerkennend. Aus dieser Warte hatte er die Sache noch gar nicht betrachtet.
»Wir sollten einen dieser Menschen fangen«, mischte sich Birga ein. »Ich bin sicher, er würde mir alles erzählen.«
»Die Frage ist nur, wer ihn verstehen wird?«
Die Augen der Schamanin musterten Orgrim kühl. »Vergiss nicht, wer ich bin, Welpe. Ich kann in tausend Zungen reden, wenn ich es denn will. Ich verstehe das Geflüster der Bäume und lausche dem Geschwätz der Raben auf den Schlachtfeldern. Verschaff mir einen dieser Menschen, und ich werde dir sagen, woher sie kommen und warum sie hier sind.«