In wildem Galopp drängten sie vor und ließen die Schlachtreihe der Menschen hinter sich zurück. Ein einzelner Hornstoß war für die Trolle das Kommando vorzugehen.
Orgrim nahm seinen Platz zwischen den Kriegern ein. Zischend zog eine weitere Salve über ihre Köpfe hinweg. Diesmal war der dichte Block aus Speerträgern das Ziel. Der Beschuss der Bogenschützen hatte aufgehört. Die Kentauren versperrten ihnen die Sicht.
Mit ohrenbetäubendem Krachen prallten die beiden Schlachtreihen aufeinander. Etliche Trolle wurden umgerissen. Die Hufe der Kentauren zerstampften die Gestürzten. Die Luft hallte wider von Geschrei und Waffengeklirr.
In der dichten Formation konnte Orgrim mit seinem Kriegshammer nicht richtig ausholen. Er rammte dem Kentauren vor sich den Hammerkopf gegen die Brust. Der bärtige Pferdemann brach in die Knie. Ein Stoß mit dem Schaft des Hammers traf ihn dicht über dem Ohr. Er ging vollends nieder. Orgrim setzte ihm die Kante seines Schildes auf den Hals und drückte zu. Sein Gewicht reichte aus, um dem sterbenden Krieger fast den Kopf von den Schultern zu trennen.
Ein anderer Kentaur nutzte aus, dass Orgrim seine Deckung geöffnet hatte. Ein Speerstoß traf den Rudelführer in den Oberarm. Das schmale Blatt der Waffe zog eine blutige Furche in sein Fleisch. Mit einem Ruck riss Orgrim seinen Schild hoch und zersplitterte den Speerschaft. Dann ließ er seinen Kriegshammer fallen und griff nach der Waffe seines Gegners. Mühelos entrang er dem Kentauren den Speer. Er drehte den Schaft zwischen den Fingern und stieß dem Pferdemann das zersplitterte Ende in die Brust.
Die Reihen der Kentauren begannen zu wanken. Ihre Hufe fanden auf dem Eis kaum Halt. Die Trolle drängten sie zurück, und plötzlich brach Panik unter den Pferdemännern aus. Orgrim sah einen schwarzbärtigen Kerl mit einem Langschwert, der fluchend versuchte, die Reihe zusammenzuhalten. Doch schließlich musste auch er sich in das Unvermeidliche fügen. Der Angriff war zurückgeschlagen.
Die Trolle ringsherum schrien den Flüchtenden Beleidigungen hinterher und machten sich über die Verwundeten her.
Auch die Menschen hatten sich zurückgezogen, um dem Feuer der Katapulte zu entgehen. Überall auf dem Eis lagen Tote.
Mut
Alfadas hatte seine Truppen im Eilmarsch von der Hügelgruppe fortgeführt. Gegen die Stellung mit den Katapulten anzustürmen war Selbstmord. Die Kentauren hatte er nicht mehr aufhalten können, und sie hatten einen hohen Preis für ihren Übermut bezahlt. Es war richtig gewesen, die Schlacht abzubrechen. All seine Pläne hatten sich ins Gegenteil verkehrt. Es sollten die Trolle sein, die unter tödlichem Beschuss gegen ihre Formation aus Piken anstürmten. Doch der Feldherr der Feinde hatte sie gezwungen, ihn anzugreifen. Wer dieser Kerl wohl war?, fragte sich Alfadas, und er musste sich eingestehen, ein völlig falsches Bild von den Trollen gehabt zu haben. Bisher waren sie für ihn so etwas wie Raubtiere gewesen. Geschöpfe, die allein ihren Instinkten folgten. Doch wer immer auf der anderen Seite das Kommando hatte, verstand es zu denken. Obwohl der Angriff ihn überrascht haben musste, hatte er es geschafft, alles zu seinem Vorteil zu wenden.
Der Rückzug erschütterte die Moral der Menschen. Sicher, sie hatten den Flüchtlingszug der Elfen vor den Trollen gerettet, aber sie waren auch vor dem Feind geflohen, den zu bekämpfen sie so viele Mühen auf sich genommen hatten. Alfadas wusste, dass er zu seinen Männern sprechen musste. So wie es nun aussah, waren all die langen, harten Tage der Ausbildung vergebens gewesen, und sie standen einem Feind gegenüber, der sie niedermetzelte, ohne dass es überhaupt zu einem Nahkampf kam. Die Nacht durfte nicht verstreichen, ohne dass er den Mut seiner Männer wieder festigte!
Wie an den Abenden zuvor hatten sie ihr Lager mit Planen aus schwerem Segeltuch abgespannt, um sich gegen den Wind zu schützen, und einige Feuerbecken aufgestellt. Auch die Flüchtlinge richteten sich für die Nacht ein. Einige Kinder beobachteten neugierig die Menschen. Manche brachten kleine Geschenke, um sich für ihre Rettung zu bedanken. Doch kaum jemand vermochte sich mit den Fremden zu verständigen. Alfadas wollte gerade auf einen Schlitten steigen, um seinen Männern eine ermutigende Rede zu halten, als Lambi ihn am Arm zurückhielt.
»Tu das nicht, Feldherr. Du triffst die richtigen Entscheidungen, und du bist niemandem Erklärungen schuldig. Du schadest dir, wenn du dich jetzt entschuldigst.«
»Aber es muss etwas gesagt werden«, beharrte Alfadas. »Sie dürfen sich nicht für Verlierer halten.« Lambi rieb sich seine verstümmelte Nase. »So wie ich das sehe, hast du uns durch deine Befehle vor einer Niederlage bewahrt. Lass mich eine Rede halten. Ich werde den Jungs schon die Köpfe zurechtrücken. Vertrau mir!«
Alfadas zögerte. Wenn ein Halunke wie Lambi die Worte vertrau mir aussprach, dann bewirkte er damit genau das Gegenteil. Und der Kriegsjarl schien sich dessen bewusst zu sein.
Lächelnd musterte er Lambi, als könne dieser in seinen Gedanken lesen. »Rede«, sagte er schließlich. Sie würden hier nur überleben, wenn sie taten, was Lambi eingefordert hatte: einander vertrauen.
Durch die Katapulte der Trolle waren siebenunddreißig Krieger gefallen. Das hatte tiefe Wunden im Vertrauen der Männer hinterlassen. Vielleicht war Lambi ja der geeignete Heiler? Die Krieger unter seinem Kommando hatten den Rückzug jedenfalls locker weggesteckt. Sie lachten bereits wieder an ihren Feuern.
Der Kriegsjarl stieg auf einen der Schlitten. Er räusperte sich, doch nur wenige Männer beachteten ihn. Es war schlimmer, als Alfadas erwartet hatte. Die meisten Krieger starrten einfach nur in die Flammen. Sie wollten nichts hören.
»Eigentlich hatte ich vor, euch von einem Weib zu erzählen, das darauf wartet, flachgelegt zu werden«, rief Lambi lachend.
»Aber ich sehe schon, dass ich diese Arbeit allein erledigen muss.«
»Willst du vielleicht die Hure des Königs versteigern?« Der Kriegsjarl lachte. »Nein, ich spreche von einem Weib, das so launisch ist, dass unser alter König es bestimmt nicht mehr reiten könnte. Die Rede ist hier von Svanlaug, Norgrimms Tochter, der Herrin des Sieges. Sie hat uns allen heute ins Angesicht gelacht, aber wenn ich euch so um die Feuer stehen sehe, dann wähne ich mich in einem Heer von Blinden. Hat denn keiner von euch dieses herrliche Weib gesehen?«
»Einen Haufen Feiglinge habe ich gesehen, die sich davongeschlichen haben«, rief eine dunkle Stimme aus der Deckung der Menge.
»Du hast Recht, Mann! Reden wir über Feiglinge und nicht über Weiber. Ich will ehrlich zu euch sein. Von Svanlaug habe ich nur gesprochen, damit ihr eure Ohren aufreißt. Oder glaubt ihr, Lambi würde euch verraten, wo man dieses prächtige, dralle Weibsbild trifft? Dorthin würde ich mich allein auf den Weg machen, denn wenn ich Svanlaug treffe, kann ich nicht ein paar hundert geile Böcke im Nacken gebrauchen, die obendrein noch ihre Nasen haben und neben mir so liebreizend aussehen wie die Titten einner Jungfrau! Sprechen wir also jetzt von Feiglingen! Auch ich bin heute den größten Feiglingen begegnet, denen ich je als Krieger gegenüberstand. Und ich meine wirklich den größten, denn neben diesen grauen Riesen sehen wir ja aus wie Kinder. Ich sag euch, ich hatte die Hosen voll, als ich den Ersten von denen im Schneetreiben gesehen habe.«
»Du hättest sie seitdem mal wechseln sollen, alter Stinker«, warf der rotbärtige Krieger aus Lambis Gefolge ein. Einige Männer lachten. Die Spannung begann sich zu lösen.
»Heh, ich dachte, heute stehe ich vor Norgrimm! Und vor einen Gott trete ich lieber mit voller Hose als ohne Hose. Dass sich Männer in ihrem letzten Gefecht mal gehen lassen, ist dem Herrn der Schlachten gewiss nicht neu. Aber wenn ich ohne Hosen vor ihm aufgetaucht wäre, dann hätte er vielleicht vermutet, ich hätte in einem Liebesgeplänkel den Löffel abgegeben.«
»Da hättest du aber eine blinde Hure finden müssen!«, rief Ragni spöttisch.