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»Können Se nich mal zwei Minuten uffhören?«, meinte Fräulein Krömeier, sie schien regelrecht entnervt. »Et jeht hier nicht um die Zukunft Deutschlands! Det is echt! Det is keen Witz! Det ist ooch keen Auftritt! Det is mein Leben, det diese Arschlöcher da kaputtschreiben!«

Ich setzte mich auf den Stuhl, der ihrem Tische gegenüberstand.

»Ich kann nicht zwei Minuten aufhören«, sagte ich ernst. »Ich will auch nicht zwei Minuten aufhören. Ich werde das, was ich für richtig halte, bis zum Letzten verteidigen. Die Vorsehung hat mich an diesen Posten gestellt, hier stehe ich für Deutschland bis zur letzten Patrone. Und sicherlich können Sie nun einwenden: Kann denn der Herr Hitler nicht trotzdem einmal zwei Minuten nachgeben? Und in Friedenszeiten wäre ich sogar bereit dazu – Ihnen zuliebe, Fräulein Krömeier! Aber ich will es nicht. Ich werde Ihnen sagen, weshalb. Und ich bin sicher, dass auch Sie das dann nicht mehr wünschen!«

Sie sah mich fragend an.

»In dem Momente, in dem ich Zugeständnisse mache, mache ich sie nicht wegen Ihnen – ich mache es letzten Endes, weil dieses Lügenblatt mich dazu bringt. Wollen Sie das? Wollen Sie, dass ich tue, was diese Zeitung verlangt?«

Sie schüttelte den Kopf, erst langsam, dann trotzig.

»Ich bin stolz auf Sie«, sagte ich, »und dennoch ist da ein Unterschied zwischen Ihnen und mir. Was ich von mir verlange, kann ich nicht von allen Menschen verlangen. Fräulein Krömeier, ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn Sie die Tätigkeit für mich niederlegen wollen. Die Firma Flashlight wird Sie mit Sicherheit auch anderswo unterbringen, wo Sie keinen Unannehmlichkeiten mehr ausgesetzt sind.«

Fräulein Krömeier schniefte. Dann richtete sie sich im Sitzen auf und sagte fest:

»Den Teufel werd ick tun, meen Führa!«

xxi.

Das Erste, was ich sah, war ein großer Schriftzug in frakturgeschriebenen Buchstaben, man las das Wort »Heimseite«. Ich griff sofort zum Telefon und rief Sawatzki an.

»Und? Schon gesehen?«, fragte er. Und ohne eine Antwort abzuwarten, jubelte er: »Ist gut geworden, was?«

»Heimseite?«, fragte ich. »Was soll das denn sein? Um welches Heim handelt es sich?«

Sawatzki verstummte in der Leitung.

»Na, wir können doch Ihre Seite nicht ›Homepage‹ nennen…«

»So?«, fragte ich. »Wieso denn nicht?«

»Der Führer kann doch keine Fremdworte…«

Ich schüttelte energisch den Kopf: »Sawatzki, Sawatzki, was wissen Sie denn vom Führer? Dieses verkrampfte Deutschtum ist das Schlimmste, was man tun kann. Sie dürfen Blutreinheit nicht mit mentaler Abschottung verwechseln. Ein Homepage ist natürlich ein Homepage, machen Sie sich nicht lächerlich! Man nennt einen Tank doch auch nicht fahrbares Kettengeschütz, nur weil’s die Engländer erfunden haben.«

»Eine Homepage«, verbesserte mich Sawatzki, »ist ja gut. Ich kümmere mich drum. Wie gefällt’s Ihnen denn sonst?«

»Ich bin noch nicht so weit«, meinte ich und schubste das Mausgerät neugierig weiter über den Tisch. Am anderen Ende der Leitung klapperte Sawatzki in seine Tastatur. Plötzlich stand auf meinem Bildschirm ein großes »Homepage«. »Hm«, sagte er, »so gibt das irgendwie keinen Sinn mehr. Warum sollte man ›Homepage‹ in dieser alten Schrift schreiben?«

»Warum müssen Sie auch alles so kompliziert machen«, tadelte ich, »machen Sie doch einfach ›Führerhauptquartier‹ daraus.«

»Sagen Sie nicht immer, Sie wären derzeit nicht der Oberbefehlshaber der Wehrmacht?«, fragte Sawatzki fast etwas spöttisch.

»Gut aufgepasst«, lobte ich. »Aber das ist hier doch symbolisch. Wie bei meiner E-Mail-Adresse. Ich bin ja auch nicht die neue Reichskanzlei.« Dann legte ich auf und machte mich an die weitere Erkundung meiner Seite.

Eine Leiste verlief quer darüber, auf der man mit dem Mausgerät bestimmte Abteilungen betrachten konnte. Eine hieß »Neueste Meldungen«, wo wir künftig Neuigkeiten zu verkünden gedachten und wo es bislang noch etwas leer war. Dann kam die »Wochenschau«, wo für den Besucher meine bisherigen Auftritte in einem kleinen Fensterlein als Film aufgeführt wurden. Dann eine ausführliche Biografie von mir, die den Zeitraum von 1945 bis zu meiner Wiederkehr als »Nicht-Unternehmen Barbarossa« bezeichnete. Sawatzki hatte das vorgeschlagen, ich hatte durchaus gelacht bei dem Gedanken, ich hätte zwischenzeitlich wie der große Kaiser in einer Art Kyffhäuser geschlafen. Andererseits konnte ich zur verstrichenen Zeit auch keine näheren oder besseren Angaben machen, insofern hatte ich der Verwendung zugestimmt. Eine weitere Abteilung lautete: »Fragen Sie den Führer!«, sie sollte der Kommunikation zwischen mir und meinen Anhängern dienen. Neugierig sah ich nach, ob denn bereits eine Frage eingegangen war. In der Tat hatte mir ein Herr geschrieben:

Sehr geehrter Herr Hitler,

mit Interesse habe ich von Ihrem Konzept der unterschiedlichen Wertigkeit der Rassen gelesen. Nun züchte ich seit Längerem Hunde und sorge mich seither, ob ich nicht vielleicht eine minderwertige Rasse züchte. Daher die Frage: Welches ist die beste Hunderasse der Welt, welches die schlechteste? Und wer ist der Jude unter den Hunden?

Helmut Bertzel, Offenburg

Das gefiel mir gut. Eine gute Frage und eine interessante dazu! Zumal ich gerade in letzter Zeit so sehr zu militärischen Dingen gefragt wurde, dass es mir selbst beinahe zu viel geworden war. Obendrein sind militärische Themen auch von begrenztem Unterhaltungswerte, wenn man immer nur schlechte Nachrichten bekommt. In den ersten Kriegsjahren hatte es ja häufig bei Tisch anregende Unterhaltungen zu den unterschiedlichsten Themengebieten gegeben, ich hatte das zuletzt richtig vermisst. Die Hundefrage erinnerte mich jetzt direkt ein wenig an diese doch immer wieder schöne Zeit! Ich holte sofort mein Wundertelefon hervor und suchte sogar eigens die etwas komplizierte Diktierfunktion, so große Lust hatte ich auf die Beantwortung der Frage.

»Mein lieber Herr Bertzel«, begann ich, »tatsächlich ist die Hundezucht bisher in ihren Ergebnissen weiter als die Fortpflanzung und Entwicklung des Menschen.« Ich überlegte kurz, ob ich Herrn Bertzel nur eine knappe Antwort zukommen lassen sollte, beschloss dann aber aus lauter Lust am Nachdenken über dieses Thema, es mit einer des Führers würdigen Gründlichkeit zu bearbeiten und ein wenig weiter auszuholen, um den gesamten Rahmen des Gebietes einmal umfassend und endgültig abzustecken. Aber wo sollte man anfangen?

»Es gibt Hunde, die so gescheit sind, dass es beängstigend ist«, sprach ich erst ein wenig nachdenklich, dann immer flüssiger in den Apparat. »Die Hundezucht ist somit ein interessantes Beispiel, wo der Mensch jetzt schon sein könnte. Allerdings sehen wir auch, wozu hemmungsloses Mischlingstum führt, denn auch und gerade der Hund paart sich ohne Aufsicht völlig wahllos. Die Folgen kann man vorwiegend in Südeuropa häufig sehen, der Mischlingshund verwahrlost, wildert, er kommt herunter. Wo hingegen eine ordnende Hand eingreift, da entwickeln sich reine Rassen, jede zu ihrem jeweils Besten hin. Es gibt, man muss das in dieser Deutlichkeit sagen, weltweit mehr Elitehunde als Elitemenschen – ein Defizit, das bei etwas größerem Durchhaltewillen gerade des deutschen Volkes Mitte der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts heute schon als behoben gelten könnte.«

Ich hielt inne und erwog, ob man damit nicht zu viele Volksgenossen vor den Kopf stieß, aber andererseits traf die Bemerkung nun wirklich vor allem die inzwischen ganz Alten, und für die war sie ja wohl auch gedacht! Die Jüngeren hingegen sollten gleich einmal sehen, welche Anforderungen dereinst wieder an sie gerichtet würden!

»Natürlich ist die Fortpflanzung und die Entwicklung des Hundes nicht denselben Gesetzen unterworfen wie die des Menschen. Der Hund untersteht der Herrschaft des Menschen, der Mensch kontrolliert seine Ernährung und Vermehrung, insofern wird der Hund niemals ein Problem mit dem Lebensraum haben. Daher sind auch die Zuchtziele nicht immer angelegt auf den dereinstigen Endkampf um die Weltherrschaft. Insofern muss die Frage, wie die Hunde aussähen, wenn sie seit Jahrmillionen um die Weltherrschaft ringen müssten, vollkommen der Spekulation anheimgestellt bleiben. Fraglos ist, dass sie größere Zähne hätten. Und eine stärkere Bewaffnung. Ich halte es auch für mehr als nur denkbar, dass solche Hunde heute schon einfache Geräte bedienen könnten, etwa Keulen, Steinschleudern, womöglich sogar Pfeil und Bogen.«