Выбрать главу

Ich hielt inne. Hätten diese überlegenen Herrenhunde vielleicht inzwischen schon primitive Schusswaffen? Nein, das musste man als unwahrscheinlich betrachten.

»Dessen ungeachtet sind die Rasseunterschiede jedoch denen des Menschen nicht unähnlich. Insofern ist auch die Frage gerechtfertigt, ob die Welt des Hundes den Juden kennt, sozusagen den Judenhund. Die Antwort lautet hier: Selbstverständlich gibt es einen Judenhund.«

Hier konnte ich mir bereits denken, was die Hunderttausende von Lesern vermuteten, und deshalb galt es sofort vorzubeugen: »Allerdings ist dieser nicht, wie oftmals vermutet, der Fuchs. Ein Fuchs kann niemals ein Hund sein und ein Hund niemals ein Fuchs, insofern ist auch der Fuchs niemals ein Judenhund. Wenn schon, dann ist unter den Füchsen ein eigener Judenfuchs auszumachen, den ich noch am ehesten im Löffelhund erkennen kann, der bezeichnender, typisch jüdischer Weise schon im Namen sein Fuchssein verleugnet.«

Ich hatte mich ein wenig in Rage diktiert. »Löffelhund«, murmelte ich grimmig, »Frechheit!« Dann sagte ich rasch: »Fräulein Krömeier, bitte Löffelhund und Frechheit streichen.« Das war das Unschöne an diesem Zaubertelefon, es gab wohl eine Radierfunktion, aber ich konnte und konnte mir deren Bedienung nicht merken.

»Wir halten also fest«, sagte ich weiter, »der Judenhund ist unter den Hunden zu suchen. Das weitere Vorgehen ist naheliegend: Wir müssen nach einem kriecherischen Hund Ausschau halten, einschmeichelnd, einspeichelnd, aber jederzeit zum feigen Angriff aus dem Hinterhalt in der Lage – es ist selbstverständlich der Dackel. Hier höre ich freilich schon viele, gerade Münchner Hundebesitzer fragen: Wie kann das sein? Ist denn nicht der Dackel der deutscheste aller Hunde?

Die Antwort lautet: nein.

Der deutscheste aller Hunde ist der Schäferhund, dann kommen in absteigender Reihenfolge die Dogge, der Dobermann, der Schweizer Sennenhund (aber nur aus der deutschsprachigen Schweiz), der Rottweiler, sämtliche Schnauzer, Münsterländer und meinetwegen auch noch der schon bei Wilhelm Busch erwähnte Spitz. Undeutsche Hunde hingegen sind – abgesehen von den ohnehin fremdländisch eingeführten Hunden wie Terrier, Bassett und ähnlichem Hundegesindel der Weimaraner (nomen es omen!), der eitle Spaniel, der unsportliche Mops wie überhaupt sämtliche degenerierten Zierhunde.«

Dann schaltete ich ab, sofort aber wieder ein: »Und diese dürren Windhunde!«

Ich überlegte, ob ich etwas Wesentliches vergessen hatte, mir fiel aber nichts ein. Sehr gut. Ich hatte direkt Lust auf die nächste Frage. Leider war noch keine eingegangen. Ich schob das Mausgerät weiter zur letzten Abteilung »Obersalzberg – zu Gast beim Führer«, einem Bereich, der vergleichbar einem Gästebuch im Hotel funktionieren sollte. Hier waren bereits etliche Botschaften eingegangen. Nicht alle waren verständlich.

Die seriösen Mitteilungen waren problemlos: »Hut ab vor Ihrer klaren Sprache«, stand da, oder: »Sehe jede Sendung. Endlich bricht mal jemand die verkrusteten Strukturen auf.« Letzteres schien im Volk ein dringendes Anliegen zu sein, gleich mehrfach wurde das Aufbrechen beziehungsweise Vorhandensein derart verkrusteter Strukturen angemahnt, ein vermutlicher Amateurarchitekt sprach von »Stuckturen«, ein Metallexperte auch von »verrosteten« Strukturen, aber letztlich war klar, was gemeint war. Und für einen Deutschen gibt es natürlich wichtigere Eigenschaften als die Rechtschreibung, die ohnehin einen lästigen Hang zur bürokratischen Haarspalterei besitzt.

Ebenfalls erfreulich war die Mitteilung »Führer rulez«. Man konnte wohl davon ausgehen, dass ich inzwischen auch Anhänger in Frankreich besaß, sofern es sich nicht um einen Tippfehler handelte, denn ich bekam auch die Eintragung »Fuehrer RULZ!« – möglicherweise versuchte sich hier ein Herr Rulz auf meine Kosten etwas Prominenz zu verschaffen. Gleich mehrfach wurde schlicht nur die Aufforderung »Weiter so!« ausgesprochen sowie »Führer for President«. Ich wollte schon meinen Besuch abbrechen, als ich weiter unten in der Liste etwa ein halbes Dutzend absolut identischer Einträge feststellte, abgesandt von jemandem, der sich »blut & ehre« nannte.

Überraschenderweise war die Mitteilung eher kritisch: »Schlus mit den Lügen, Türkenjude!«

Kopfschüttelnd rief ich Sawatzki an, dass jemand den Unfug beseitigen sollte. Was sollte das sein – ein Türkenjude? Er versprach, sich darum zu kümmern, und sagte, ich solle nochmals die erste Seite aufrufen. »Führerhauptquartier« stand da.

Es sah richtig gut aus.

xxii.

Die Pressearbeit ist schon etwas Mühseliges, so ganz ohne Gleichschaltung. Nicht nur für Politiker wie mich, die ein Volk zu erretten haben, nein, es ist mir auch absolut unbegreiflich, warum man derlei den deutschen Menschen antut. Nehmen wir etwa diese Wirtschaftsberichte. Jeden Tag sagt ein anderer »Fachmann«, was nun zu tun wäre, und am folgenden Tag sagt dann wieder ein anderer, noch größerer »Fachmann«, warum das gerade das Allerfalscheste wäre und folglich die gegenteilige Lösung die beste sei. Es ist ebendas jenes jüdische, wenn auch inzwischen offenbar hier weitgehend ohne Juden arbeitende Prinzip, dessen einziger Inhalt es ist, das größtmögliche Chaos zu verbreiten, weshalb die Menschen auf der Suche nach der Wahrheit noch mehr Zeitungen kaufen müssen und noch mehr Fernsehsendungen ansehen. Man sieht das ja an den Wirtschaftsteilen, die haben früher keinen Menschen interessiert, inzwischen muss sie jeder verfolgen, nur um sich von diesem Wirtschaftsterrorismus noch mehr ängstigen zu lassen. Hinein in die Aktien, heraus aus den Aktien, nun Gold, jetzt Anleihen, dann wieder Immobilien. Der einfache Mann wird da hineingedrängt in eine Nebenerwerbstätigkeit als Finanzfachmann, was letzten Endes nur bedeutet, dass man ihn zum Glücksspiele schickt mit seinem eigenen mühsam Ersparten als Einsatz. Ein Unding, der einfache Mann soll rechtschaffen arbeiten und seine Steuern bezahlen, und dann sollte ihm ein verantwortungsbewusster Staat im Gegenzuge aber auch dafür seine Geldsorgen abnehmen! Das ist ja wohl das Mindeste, auch und gerade von einer Regierung, die sich aufgrund lächerlicher Bedenken (keine eigenen Atomwaffen und dergleichen Ausreden) hartnäckig weigert, den Menschen kostenloses Ackerland in den russischen Ebenen zukommen zu lassen.

Dass die Politik die derzeitige Pressepanikmache zulässt, ist natürlich der Gipfel der Blödheit: In diesem Chaos sieht ja die eigene Ratlosigkeit noch dümmer aus als sowieso schon, und je größer die Sorge und die Panik sind, desto ratloser steht man als Politkasperl wieder da. Ich meine, mir kann es recht sein, da sieht das Volk Tag um Tag deutlicher, welche Laiendarsteller hier an verantwortlichster Position vor sich hin dilettieren dürfen. Was mich wirklich nur verblüfft, ist, dass nicht schon längst Millionen mit Fackeln und Heugabeln vor diese parlamentarischen Schwatzbuden ziehen, den Aufschrei im Munde: »Was macht ihr mit unserem Geld???«

Aber der Deutsche ist nun einmal kein Revolutionär. Man muss es sich auch einmal wieder vor Augen halten, dass ihm selbst die sinnvollste, berechtigtste Revolution der deutschen Geschichte 1933 mit einer Wahl ermöglicht werden musste. Eine Revolution nach Vorschrift, sozusagen. Nun, ich kann versichern, ich werde auch diesmal mein Möglichstes dazu tun.

Ich hatte Sawatzki zum Adlon mitnehmen wollen. Nicht dass ich mir von ihm gewaltige Eingebungen versprach, aber es schien mir angemessen, mit einem Gefolge aufzutreten und für den Fall streitiger Äußerungen einen Zeugen dabeizuhaben – einen Zeugen, wohlgemerkt, aber Sensenbrink musste unbedingt auch noch mitkommen. Ich bin nicht sicher, ob Sensenbrink glaubte, hier hilfreich eingreifen zu können oder aber eher überwachen wollte, was ich so zu sagen hätte. Letzten Endes gehört Sensenbrink, wie ich inzwischen wohl mit Sicherheit zu sagen weiß, zu jener Gruppe von subalternen Unternehmensführern, die meinen, es ginge überhaupt alles nur, wenn sie sich in irgendeiner Form daran beteiligen. Ich kann an dieser Stelle vor derlei nicht genug warnen, es passiert höchstens einmal in hundert oder zweihundert Jahren, dass jemand wirklich ein Universalgenie ist und dann neben manch anderen Tätigkeiten auch noch den kompletten Oberbefehl über die Ostfront an sich ziehen muss, weil sonst alles verloren ist – aber im Normalfalle entpuppen sich diese Universalunentbehrlichen dann eben doch als sehr entbehrlich und nutzlos, Letzteres im glücklichsten Falle. Sehr häufig richten sie nämlich sogar auch noch den allergrößten Schaden an.