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Ich hatte einen schlichten Anzug gewählt. Nicht dass ich mich der Uniform geschämt hätte oder dergleichen, aber ich bin der Ansicht, dass man – gerade als Vertreter kompromissloser Ansichten – gelegentlich gut daran tut, ein betont bürgerliches Bild abzugeben. Die ganzen Olympischen Spiele haben wir 1936 nach diesem Motto bestritten, und wie ich gelesen habe, hat man diesen überwältigenden Propagandaerfolg erst kürzlich in Peking mit guten bis sogar sehr guten Ergebnissen zu kopieren versucht.

Wir ließen uns im vorweihnachtlich geschmückten Hotel zu dem verabredeten Konferenzraume geleiten. Und obwohl ich mich bemüht hatte, mit leichter Verspätung einzutreffen, waren wir als Erste im Raum. Das war ein wenig ärgerlich, konnte eine strategische Maßnahme jener Presseschmierer sein, aber natürlich auch ein Zufall. Es dauerte nicht lange, bis die Türe sich erneut öffnete. Eine blonde Dame im Kostüm trat ein und kam auf mich zu. Neben ihr ging ein feister Fotograf, der in der dem Berufsstand eigenen abgerissenen Kleidung sofort begann, ungefragt Bilder zu verfertigen. Bevor Sawatzki oder Sensenbrink auf die ungeschickte Idee kommen konnten, uns wie ein Oberlehrer einander vorzustellen, trat ich vor, nahm die Schirmmütze ab, klemmte sie unter meinen Arm und gab der Dame mit einem »Guten Tag« die Hand.

»Angenehm«, sagte sie kühl, aber nicht unfreundlich, »ich bin Ute Kassler von ›Bild‹.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, sagte ich, »ich habe schon viel von Ihnen gelesen.«

»Eigentlich hatte ich von Ihnen den Deutschen Gruß erwartet«, merkte sie an.

»Dann kenne ich Sie besser als Sie mich«, plauderte ich zurück und geleitete sie zu dem Tisch mit den bereitgestellten Sesseln. »Ich hatte von Ihnen keinen Deutschen Gruß erwartet – und wer hatte nun recht?«

Sie setzte sich und verstaute sorgsam ihre Handtasche auf einem leeren Stuhle. Dieses ganze Handtaschenwesen, diese Unterbringung direkt nach dem Hinsetzen, als nähme man mit Reisegepäck versehen Platz in einem Zugabteil, das wird sich wohl auch in weiteren fünfundsechzig Jahren nicht ändern.

»Wie schön, dass Sie sich endlich Zeit für uns nehmen«, sagte sie.

»Sie können nicht behaupten, dass ich andere Zeitungen Ihnen vorgezogen hätte«, erwiderte ich, »und letzten Endes haben Sie sich ja auch am meisten um mich… sagen wir… bemüht.«

»Sie sind aber auch berichtenswert«, lachte sie. »Wer sind die Herren an Ihrer Seite?«

»Das hier ist der Herr Sensenbrink von der Flashlight«, sagte ich, »und dies«, dabei wies ich auf Herrn Sawatzki, »dies ist der Herr Sawatzki, ebenfalls von der Flashlight. Ein ausgezeichneter Mann!« Aus den Augenwinkeln konnte ich ein Strahlen über Sawatzkis Gesicht gleiten sehen, teils verursacht durch mein Lob, teils mochte dies aber auch der Aufmerksamkeit der durchaus ansehnlichen Reporterin geschuldet sein. Sensenbrink setzte ein Gesicht auf, das man wahlweise als kompetent oder auch ratlos deuten konnte.

»Sie haben uns zwei Aufpasser mitgebracht?«, lächelte sie. »Sehe ich so gefährlich aus?«

»Nein«, sagte ich, »aber ich wirke ohne die beiden Herren so harmlos.«

Sie lachte. Ich auch. Was für ein grotesker Unfug. Der Satz ergab von hinten bis vorne natürlich überhaupt keinen Sinn. Aber ich gebe zu, dass ich die junge blonde Dame ein wenig unterschätzte und zu diesem Zeitpunkte davon ausging, sie mit einigen munteren Plaudereien abfertigen zu können.

Sie zog ihr Telefon aus der Tasche, zeigte es mir und meinte: »Sie haben nichts dagegen, wenn wir das Gespräch aufzeichnen?«

»So wenig wie Sie«, sagte ich, holte mein Telefon heraus und drückte es Sawatzki in die Hand. Ich hatte keine rechte Ahnung, wie man ganze Gespräche damit aufzeichnete. Sawatzki benahm sich geistesgegenwärtig, als hätte er Ahnung. Ich beschloss, ihn bei Gelegenheit noch einmal zu loben. Ein Kellner trat an den Tisch und fragte nach Getränkewünschen. Wir bestellten. Der Kellner verschwand.

»Und?«, fragte ich. »Was möchten Sie von mir wissen?«

»Wie wäre es mit Ihrem Namen?«

»Hitler, Adolf«, sagte ich, und allein diese Antwort genügte, um Sensenbrink erste Schweißtropfen auf die Stirne zu jagen. Man hätte meinen können, ich hätte mich hier und jetzt zum allerersten Male vorgestellt.

»Ich meinte natürlich Ihren wirklichen Namen«, sagte sie wissend.

»Mein liebes Fräulein«, sagte ich und lehnte mich lachend nach vorne, »wie Sie vielleicht gelesen haben, habe ich vor geraumer Zeit beschlossen, Politiker zu werden. Wie dumm müsste ein Politiker sein, der seinem Volk einen falschen Namen nennt? Wie will man ihn denn dann wählen?«

Auf ihrem Gesicht traten ärgerliche Stirnfalten auf. »Ja, eben. Warum verraten Sie dem deutschen Volk dann nicht Ihren richtigen Namen?«

»Das tue ich doch«, seufzte ich. Das ließ sich sehr ermüdend an. Zumal ich am Vorabend bei N 24 bis tief in die Nacht eine interessant zusammengefaselte Dokumentation über meine eigenen Wunderwaffen gesehen hatte. Ein hochgradig vergnüglicher Schwachsinn, dessen Bilanz ungefähr so aussah, dass jede dieser Waffen den Krieg hätte für uns entscheiden können, wenn es nicht letzten Endes immer wieder ich selber verdorben hätte. Es ist schon erstaunlich, was sich diese Geschichtsphantasten da von keiner Ahnung getrübt sturheil zusammendichten. Man wagt kaum daran zu denken, dass auch die eigenen Kenntnisse über bedeutende Männer wie Karl den Großen, Otto I. oder auch Arminius genau genommen lediglich von irgendeinem sich berufen fühlenden Historiker überliefert wurden.

»Würden Sie uns dann auch Ihren Pass zeigen?«, fragte die junge Dame nun. »Oder Ihren Personalausweis?«

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Sensenbrink ansetzte, um etwas zu sagen. Realistisch betrachtet konnte das nur Unsinn werden. Man weiß nie, wann und warum solche Leute zu reden beginnen, häufig genug sagen sie sogar nur irgendetwas, weil sie bemerken, dass sie bisher noch nichts gesagt haben, oder aber weil sie befürchten, bei weiterem Schweigen für unwichtig erachtet zu werden. Derlei gilt es mit allen Mitteln zu unterbinden.

»Verlangen Sie von allen Ihren Gesprächspartnern, den Pass zu sehen?«, fragte ich zurück.

»Nur von denen, die behaupten, sie hießen Adolf Hitler.«

»Und wie viele sind das?«

»Beruhigenderweise«, sagte sie, »sind Sie der Erste.«

»Sie sind jung und vielleicht schlecht informiert«, sagte ich, »aber ich habe mir zeitlebens eine Sonderbehandlung für mich verbeten. Daran gedenke ich auch jetzt nichts zu ändern. Ich esse aus der Gulaschkanone wie jeder andere Soldat.«

Sie schwieg kurz und überlegte sich einen neuen Ansatzpunkt.

»Sie sprechen im Fernsehen sehr kontroverse Themen an.«

»Ich spreche die Wahrheit an«, sagte ich. »Und ich sage das, was der einfache Mann empfindet. Was er sagen würde, wenn er an meiner Stelle wäre.«