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Lendenschnitten mit Champignons: Die Lendenschnitten in heißem Fett auf beiden Seiten kurz braten und folgendes Champignongericht darüber geben: Eine Zwiebel in Butter dünsten, in einem viertel Liter Weißwein zum Kochen bringen, drei Eigelb, ein Eßlöffel Butter, Saft von einer halben Zitrone, Salz und Pfeffer hineinrühren. Man gieße weiter Wein hinzu und schlage die Masse auf dem Feuer im Wasserbad, bis sie dick wird. Separat dämpfe man Champignons und Schalotten (junge Zwiebeln) in Butter und einem Glas Weißwein. Inzwischen bereite man eine Schwitze aus einem Teelöffel Butter, einem Eßlöffel Mehl, einem halben Liter Brühe, der man die Champignons und die Sauce zufügt und alles nochmals aufkochen läßt.

Coupe Jacques: Eine Portion Vanilleeis bedeckt man mit Schlagsahne. Darüber gibt man Fruchtsalat (frischen oder aus Büchsen), der vorher eine halbe Stunde in Maraschino gezogen hat. Man lege eine Schicht Erdbeereis darüber und garniere den Eisbecher mit Schlagsahne und kandierten Kirschen.

»Oh«, sagte Mimi. Ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit sagte sie nur dieses eine Wort.

Oberst Jules Siméon erwies sich als ein sympathischer Herr. Mit seinem gepflegten Schnurrbart, der römischen Nase und den geistreich-ironischen Augen erinnerte er an den Schauspieler Adolphe Menjou, wenn er auch größer als dieser war. Thomas begrüßte er voller Hochachtung, Mimi wie eine alte Bekannte, was unseren Freund ein wenig beunruhigte.

Siméons dunkelblauer Anzug stammte ohne Zweifel von einem erstklassigen Schneider, aber er glänzte schon ein wenig an den Ellenbogen und am Rücken. Der Oberst trug eine goldene Krawattennadel mit Perle und kleine goldene Manschettenknöpfe, doch die Absätze seiner Schuhe waren vertreten.

Zur Suppe und zur Vorspeise unterhielt man sich über Paris. Bei den Lendenschnitten wurde Oberst Siméon präzise: »Monsieur Lieven, ich bitte zu entschuldigen, daß wir Sie mitten in der Nacht und auch noch beim Essen stören. Herrlich knusprig, diese Pommes chips, finden Sie nicht auch? Ich habe einen Befehl von hoher Stelle erhalten. Wir suchen Sie schon den ganzen Tag.«

Von ferne glaubte Thomas auf einmal die Stimme Jean Louis Barraults zu vernehmen, der heute abend in Shakespeares Stück den dritten Richard gespielt hatte. Undeutlich hörte er einen Vers. Aber er verstand ihn noch nicht.

»So«, sagte er. »Ja, herrliche Pommes chips, Oberst. Den Trick versteht man hier. Das zweimalige Ölbad, das ist es. Ach ja, die französische Küche …«

Thomas legte eine Hand auf Mimis Arm. Der Oberst lächelte. Mehr und mehr gefällt mir dieser Oberst, dachte Thomas.

Der Oberst sagte: »Sie sind aber nicht nur der guten Küche wegen in Paris. Auch wir haben unsere Leute in Köln und in London. Wir wissen, was Sie bei dem verehrten Major Loos – hat er es immer noch mit der Galle? – erlebt haben …«

Wieder glaubte Thomas, die Stimme Jean Louis Barraults zu hören, wieder wähnte er, einen Vers des unsterblichen Shakespeare zu vernehmen, aber er konnte ihn noch immer nicht verstehen.

Und warum lächelt Mimi? Warum lächelt sie so süß?

»Monsieur Lieven«, sagte der Oberst, »ich versichere Sie meiner Sympathie. Sie lieben Frankreich. Sie lieben seine Küche. Aber ich habe meine Befehle. Ich muß Sie ausweisen, Monsieur Lieven; Sie sind zu gefährlich für mein armes, bedrohtes Land. Wir werden Sie zur Grenze bringen, noch heute nacht. Und niemals wieder sollen Sie Frankreich betreten …«

Thomas begann zu lachen.

Mimi sah ihn an. Und zum erstenmal, seit er sie kannte, lachte sie nicht sofort mit. Da hörte auch er wieder auf mit seinem Gelächter.

»… es sei denn«, sagte der Oberst und häufte eine neue Portion Champignons auf seinen Teller, »es sei denn, Monsieur Lieven, Sie lassen sich umdrehen und arbeiten für uns, für das ›Deuxième Bureau‹.«

Thomas richtete sich auf. So betrunken, dachte er, bin ich noch nicht! Er sagte leise: »Sie machen mir das Angebot, für den französischen Geheimdienst zu arbeiten, in Anwesenheit von Mademoiselle Chambert?«

»Aber warum denn nicht, mon chéri?« sagte Mimi zärtlich und gab Thomas einen Kuß auf die Wange. »Ich bin doch auch bei dem Verein!«

»Du bist …« Thomas verschluckte sich.

»Klein, klein nur – aber doch. Ich verdiene mir ein bißchen was nebenbei. Böse?«

»Mademoiselle Chambert ist die charmanteste Patriotin, die ich kenne«, verkündete der Oberst.

Da wurde plötzlich die Stimme, die Thomas Lieven seit langem quälte, die Stimme des Schauspielers Jean Louis Barrault, in seinen Ohren deutlich, und Thomas verstand jetzt die Worte, diese Worte König Richards des Dritten:

»Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter

kann kürzen diese feinberedten Tage,

bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden …«

»Monsieur Lieven«, forschte der Oberst, das Rotweinglas in der Hand, »wollen Sie für uns arbeiten?«

Thomas sah Mimi an, die süße, zärtliche Mimi. Er sah Oberst Siméon an, den Mann mit Lebensart. Er sah das gute Essen an.

Es gibt also keinen Weg für mich, dachte Thomas Lieven. Ich habe mir ein falsches Bild von dieser Welt gemacht. Ich muß mein Leben ändern, und das gleich, wenn ich nicht untergehen will in diesem Strom des Wahnsinns!

Mimis Stimme klang an sein Ohr: »Ah, chéri, sei doch nett und komm zu uns. Wir werden ein so schönes Leben haben!«

Siméons Stimme klang an sein Ohr: »Monsieur, haben Sie sich entschieden?«

Die Stimme des Schauspielers Jean Louis Barrault dröhnte:

»… bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden …«

»Ich bin gewillt«, sprach Thomas Lieven sanft.

6

Zuerst die Deutsche Abwehr. Dann der »Secret Service«. Jetzt das »Deuxième Bureau«. Alles innerhalb von 96 Stunden. Vor vier Tagen, dachte Thomas, habe ich noch in London gelebt, ein geachteter Bürger, ein erfolgreicher Privatbankier. Wer nimmt mir so etwas ab? Wer wird mir all das glauben in meinem Club?

Thomas Lieven fuhr sich mit seiner schmalen, feingliedrigen Hand durch das kurzgeschnittene schwarze Haar und sagte: »Meine Situation scheint hoffnungslos, aber nicht ernst. Angenehm gesättigt, sitze ich auf dem Trümmerhaufen meiner bürgerlichen Existenz. Voilà, ein historischer Augenblick. Emile!« Der alte Oberkellner eilte herbei. »Wir haben Grund zu feiern. Champagner, bitte!« Zärtlich küßte Mimi ihren Freund. »Ist er nicht süß?« fragte sie den Oberst.

»Monsieur, ich verneige mich vor Ihrer Haltung«, sagte Siméon. »Ich bin glücklich darüber, daß Sie sich bereit erklären, für uns zu arbeiten.«

»Ich erkläre mich nicht bereit, es bleibt mir nichts anderes übrig.«

»Das ist dasselbe.«

»Natürlich können Sie nur so lange auf mich rechnen, wie mein Prozeß läuft. Wenn ich den gewonnen habe, will ich wieder in London leben. Ist das klar?«

»Vollkommen klar, Monsieur«, sagte Oberst Siméon und lächelte, als wäre er ein Hellseher und wüßte bereits, daß Thomas Lieven seinen Prozeß einen Weltkrieg später noch immer nicht gewonnen haben und daß er niemals mehr in London leben würde.

»Im übrigen«, sagte Thomas, »ist mir völlig schleierhaft, auf welchem Gebiet ich für Sie von Wert sein könnte.«

»Sie sind Bankier.«

»Na und?«

Siméon zwinkerte. »Madame hat mir erzählt, wie tüchtig Sie sind!«

»Aber Mimi«, sagte Thomas zu der kleinen Schauspielerin mit dem glänzenden schwarzen Haar und den lustigen Augen, »das war sehr indiskret von dir!«

»Madame hat es für die nationale Sache getan. Sie ist eine bezaubernde Persönlichkeit.«

»Ich nehme an, Sie können das gut beurteilen, Herr Oberst!«

Darauf sprachen Mimi und Siméon gleichzeitig: »Als Offizier gebe ich Ihnen mein Ehrenwort.« – »Aber chéri, das war doch lang vor deiner Zeit.«

Dann brachen beide ab und lachten. Mimi schmiegte sich an Thomas. Sie war wirklich verliebt in diesen Mann, der so seriös wirken und dabei so unseriös sein konnte, der aussah wie der Urtyp aller britischen Gentlemanbankiers und dabei liebenswerter und einfallsreicher war als alle Herren, die Mimi kannte. Und sie kannte eine ganze Menge.