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James B. Donovan fixierte Edgar Hoover: »Ist das auch Ihre Ansicht?«

»Sie haben Mr. Scheuner gehört. Ich habe nichts hinzuzufügen.«

Das Gesicht des Anwalts lief tiefrot an. »Wofür halten Sie mich eigentlich, Mr. Scheuner? Wofür halten Sie meinen Mandanten? Soll das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein?«

»Das«, sagte Thomas bescheiden, »ist ein Gebilde meiner Phantasie, Mr. Donovan, und sonst gar nichts.«

»Auf so etwas wird mein Mandant niemals eingehen!« rief James B. Donovan.

12

Am 24. August 1957 erschien ein gewisser Peter Scheuner beim Direktor des New Yorker Untersuchungsgefängnisses. Er hatte von höchster Stelle die Erlaubnis, unter vier Augen mit Rudolf Iwanowitsch Abel zu sprechen. Der Direktor persönlich geleitete diese offenbar »Very Important Person« durch endlose Gänge zum Sprechzimmer. Dabei berichtete er, daß der Sowjetspion sich bereits der Sympathien des ganzen Hauses erfreue: »Die Roten werden sonst in Gefängnissen sehr schlecht von ihren Mithäftlingen behandelt. Aber nicht dieser Abel!« Der Direktor verdrehte die Augen. »Ich sage Ihnen: absoluter Liebling von jedermann! Er hat für die Häftlinge musiziert, ihnen Kabarett vorgespielt, er hat ein neues Verständigungssystem eingerichtet …«

»Was hat er?«

Der Direktor lachte verlegen. »Na, Sie wissen doch, wie die Häftlinge miteinander verkehren, wenn sie in den Zellen sitzen.«

»Das gute alte Klopfsystem«, sagte Thomas, in sentimentale Erinnerung an eigene Zuchthauserlebnisse versinkend.

»Abel hat unseren Gefangenen ein neues, besseres System erklärt, das hundertmal so schnell funktioniert!«

»Und zwar wie?«

»Das will ich nicht unbedingt verraten. Ich sage nur: über die Lichtleitung!«

»Donnerwetter!« Thomas hob die Brauen. Er dachte: Die besten Geschäftspartner trifft man im Leben immer erst, wenn man mit ihnen absolut nichts mehr anfangen kann.

Sie hatten das Sprechzimmer erreicht. Thomas trat ein. Hinter einer feinmaschigen Drahtwand stand, in einem eleganten Zivilanzug, Rudolf Iwanowitsch Abel. Er sah seinem Besucher ernst entgegen. Der Direktor gab den Justizbeamten im Raum einen Wink. Sie zogen sich mit ihm zurück. Die schweren Eisentüren schlossen sich.

Durch eine Drahtwand getrennt, standen Thomas Lieven und der Sowjetspion Abel einander gegenüber. Lange blickten sie einander stumm an. Es war sehr still im Raum. Dann begann Thomas Lieven zu sprechen …

Wir wissen nicht, was er sagte. Wir wissen nicht, was Abel antwortete. Abel hat darüber niemals gesprochen, und Thomas hat darüber niemals gesprochen. Die Unterredung dauerte 49 Minuten.

Am 26. September 1957 begann der Prozeß gegen Rudolf Iwanowitsch Abel. Den Vorsitz führten Seine Ehren Richter Mortimer Byers. Die Verhandlung war hauptsächlich öffentlich.

Mit einem Trick hatte Abel sich des Beistandes eines der besten Anwälte Amerikas versichert. Als man ihn aufforderte, einen Verteidiger zu wählen, erklärte er: »Ich habe kein Geld. Die 3545 Dollar, die bei mir gefunden wurden, gehören mir nicht. Ich kann auch nicht erwarten, daß man mich umsonst verteidigt. Ich bitte daher das Gericht, mir einen Anwalt zu stellen.«

In einem Rechtsstaat wie Amerika bedeutet das nun, daß die Behörden einen Anwalt bestellen mußten, der in keiner Weise kommunistischer Sympathien verdächtigt werden konnte und der ein As auf dem Gebiet der Strafverteidigung war – eben einen Mann wie James B. Donovan!

Der Prozeß entwickelte sich zu einem Unikum. Der Angeklagte durfte sich im Gerichtsgebäude frei bewegen, in der Kantine mit den Geschworenen essen und mit Reportern reden. Auf der andern Seite ordnete Richter Byers an: »Keiner der 38 Zeugen soll vor seiner Aussage den Verhandlungssaal betreten, um den ganzen Prozeß zu verfolgen.«

Das hatten die meisten dieser 38 Zeugen auch gar nicht nötig, denn vom Nachmittag des ersten Verhandlungstages an konnten sie minutiös in den Zeitungen lesen, was sich im Verhandlungssaal zugetragen hatte …

Aus Sicherheitsgründen war angeordnet worden, daß FBI-Agenten und andere gefährdete Personen nur mit verdecktem Gesicht in den Zeugenstand treten durften. Sie trugen Kapuzen mit kleinen Löchern vor Mund und Augen und wirkten wie Ku-Klux-Klan-Delegierte.

Auch Thomas Lieven erschien mit einer derartigen Kopfbedeckung. Auf der Brust trug er, wie alle vermummten Zeugen, eine Nummer. Auszugsweise liest sich sein Verhör im stenographischen Protokoll so:

BYERS: »Nummer 17, Sie waren anwesend, als Mr. Abel verhaftet wurde. Schildern Sie sein Verhalten.«

NUMMER 17: »Mr. Abel war sehr gelassen. Nur während der Hausdurchsuchung wurde er hysterisch.«

BYERS: »Weshalb?«

NUMMER 17: »Weil in der Wohnung nebenan ein Radio losplärrte. Elvis Presley sang. Mr. Abel preßte beide Fäuste gegen die Ohren. Er rief wörtlich: ›Das ist das reinste Nervengift! Dieser Bursche ist der Hauptgrund dafür, warum ich nach Rußland zurückkehren will!‹«

Gelächter.

BYERS: »Ich bitte mir absolute Ruhe aus! Nummer 17, Sie haben mit Hausbewohnern gesprochen. Welchen Eindruck hatten diese von Mr. Abel?«

NUMMER 17: »Den denkbar besten. Sie hielten ihn allesamt für eine Seele von einem Menschen. Viele von ihnen hatte er im Lauf der Zeit porträtiert – auch Beamte des FBI-Büros, das sich im Gebäude befand.«

Unruhe.

BYERS: »Er hat FBI-Beamte gemalt?«

NUMMER 17: »Ein halbes Dutzend. Und sehr begabt, Euer Ehren.«

BYERS: »Aus den Akten geht hervor, daß Abel den Kurzwellensender, den er benutzte, völlig offen im Atelier stehen ließ.«

NUMMER 17: »Das ist so, Euer Ehren.«

BYERS: »Fiel das den FBI-Agenten nicht auf?«

NUMMER 17: »Doch. Manche ließen sich das Gerät genau erklären. Sie hielten Abel für einen Amateurfunker. Einmal begann der Apparat sogar zu arbeiten, während Abel einen FBI-Agenten malte. Abel funkte kurz zurück. Der Apparat verstummte. Der FBI-Agent fragte: ›Wer war denn das?‹ – Abel antwortete: ›Was glauben Sie denn, wer das war? Moskau natürlich!‹«

Lautes Gelächter.

BYERS: »Wenn sich eine solche Szene wiederholt, lasse ich den Saal räumen! Nummer 17, Sie waren es, der eine Reihe von alten Papiertaschentüchern sicherstellte, in denen Abel winzige Mikrofilme verborgen hatte. Einer dieser Filmpunkte enthielt den Dechiffrierschlüssel für einen komplizierten Code. Ist es Ihnen gelungen, die Nachricht zu entschlüsseln, die der Angeklagte unmittelbar vor seiner Verhaftung in Form vieler vierstelliger Zahlengruppen niedergeschrieben hatte?«

NUMMER 17: »Es ist mir gelungen, Euer Ehren.«

BYERS: »Was war das für eine Botschaft?«

NUMMER 17 (liest von einem Zettel ab): »Wir beglückwünschen Sie zu Ihren herrlichen Kaninchen. Vergessen Sie nicht, sich mit der Beethoven-Partitur zu beschäftigen. Rauchen Sie Ihre Pfeife, aber halten Sie das rote Buch in der rechten Hand.«

BYERS: »Das ist doch nicht der Klartext!«

NUMMER 17: »Natürlich nicht, Euer Ehren. Das ist der entschlüsselte Zifferncode. Abel scheint alle seine Botschaften zweimal verschlüsselt zu haben.«

BYERS: »Und der Schlüssel für den zweiten Code?«

NUMMER 17: »Wurde leider niemals entdeckt, Euer Ehren.«

Großes Gelächter. Unruhe. Richter Byers läßt den Saal räumen. Verhandlung unterbrochen um 11 Uhr 34 …

Der Prozeß dauerte fast vier Wochen. Dann war die Reihe an den Geschworenen, ihren Schuldspruch zu fällen. Stundenlang berieten sie. Immer unruhiger wurden Zuschauer und Reporter. Was gab es da noch stundenlang zu beraten?

Erst um 19 Uhr 45 am 23. Oktober kehrten die Geschworenen in den Saal zurück. Totenstill wurde es. Alle Anwesenden hatten sich erhoben, als Richter Byers fragte: »Nun, Herr Obmann, haben Sie Ihren Wahrspruch gefällt?«

»Ja, Euer Ehren.«

»Wie lautet er?«

»Unser einstimmiger Wahrspruch lautet: Der Angeklagte ist schuldig im Sinne der Anklage.«