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»Glauben Sie, er würde benehmen sich dann so verrückt?«

»Die Tasche, los, ich will wissen, was in dieser Tasche ist!«

»Das sein Diplomatengepäck, international geschützt! Ich werde beschweren mich bei Ihre Vorgesetzten!«

»Das können Sie gleich tun!«

»Was soll das heißen?«

»Sie kommen mit!«

»Wohin?«

»Zu unserem Korpsgefechtsstand. Daß hier etwas faul ist, das sieht doch ein Blinder! Setzen Sie sich ans Steuer. Drehen Sie den Wagen um. Beim ersten Fluchtversuch wird geschossen. Und nicht auf die Reifen«, sagte Oberleutnant Zumbusch. Er sagte es sehr leise.

2. Kapitel

1

Während er melancholisch seufzte, blickte Thomas Lieven sich in dem rot-weiß-golden dekorierten Schlafzimmer um. Das Schlafzimmer gehörte zum Appartement 107. Das Appartement 107 war eines der vier luxuriösesten des Hotels »Georges V«. Das Hotel »Georges V« war eines der vier luxuriösesten von Paris. Auf seinem Dach wehte seit Stunden die Reichskriegsflagge mit dem Hakenkreuz. An seinem Portal rasselten seit Stunden schwere Panzer vorbei. In seinem Hof stand ein schwarzer Chrysler. Und im Schlafzimmer des Appartements 107 saßen Thomas Lieven, Mimi Chambert und Oberst Jules Siméon.

Sie hatten vierundzwanzig völlig irrsinnige Stunden hinter sich. Einen Panzerspähwagen vor, einen Panzerspähwagen hinter ihrem schwarzen Chrysler, waren sie dem Korpsgefechtsstand nachgejagt. Über Funk hatte der rotblonde Oberleutnant Zumbusch seinen General zu erreichen versucht. Aber der deutsche Vormarsch ging so schnell vor sich, daß es anscheinend überhaupt kein festes Hauptquartier mehr gab. Erst seit Paris kampflos besetzt worden war, schien auch der General zur Ruhe gekommen zu sein: im Hotel »Georges V«.

Auf dem Gang trampelten schwere Landserstiefel vorbei. In der Hotelhalle lagen Kisten, Maschinenpistolen und Telefonkabel herum. Leitungen wurden gelegt. Es herrschte gewaltiger Wirrwarr.

Vor einer Viertelstunde hatte Oberleutnant Zumbusch seine drei Gefangenen in das Schlafzimmer des Appartements 107 geführt. Danach war er verschwunden. Ohne Zweifel erstattete er seinem General Bericht. Die schwarze Ledertasche lag nun auf Thomas’ Knien; er hatte sie an sich genommen, als er den Wagen abschloß. Er fand, daß sie bei ihm immer noch besser aufgehoben war.

Durch die hohe, kunstvoll verzierte Tür zum Salon erklang plötzlich zorniges Gebrüll. Die Tür flog auf. Ein baumlanger Offizier stand in ihrem Rahmen und sagte: »Herr General von Felseneck läßt bitten, Mr. Murphy.«

Noch gelte ich also als amerikanischer Diplomat, dachte Thomas Lieven. Wohlan denn …

Langsam erhob er sich, die Ledertasche unter dem Arm. An dem Adjutanten vorbei schritt er mit würdiger Miene in den Salon.

General Erich von Felseneck war ein untersetzter Mann mit kurzgeschnittenem, eisgrauem Haar und goldgefaßter Brille.

Thomas sah einen kleinen Tisch, auf welchem vor Besteck und Geschirr des Hotels zwei Blechgefäße standen. Der General war offensichtlich bei einer hastigen Mahlzeit gestört worden.

Diesen Umstand nahm Thomas Lieven zum Vorwand, um internationale Höflichkeit an den Tag zu legen: »General, ich bedauere tief, zu stören Ihre Essen.«

»An mir ist es«, sagte General von Felseneck, Thomas die Hand schüttelnd, »eine Entschuldigung auszusprechen, Mr. Murphy.«

Thomas fühlte sich plötzlich schwindlig, als der General ihm jetzt den falschen Diplomatenpaß und die falschen Pässe Mimis und Siméons zurückgab. »Ihre Papiere sind in Ordnung. Verzeihen Sie die Aktion des Oberleutnants. Er wurde durch das Verhalten Ihres Reisegefährten begreiflicherweise mißtrauisch. Aber er hat ohne Zweifel seine Befugnisse überschritten.«

»General, so etwas kann vorkommen …«, murmelte Thomas.

»So etwas hat nicht vorzukommen, Mr. Murphy! Die Deutsche Wehrmacht ist korrekt. Wir respektieren diplomatische Gepflogenheiten. Wir sind keine Raubritter!«

Menu • 15. Juni 1940

Beim Eintopf »eroberte« Thomas Lieven

einen deutschen General.

Eintopf auf verschiedene Art

Kartoffelgulasch: Man nehme Fett und Zwiebeln, die man glasig dünsten lasse; dabei müssen sie gut gesalzen und mit Paprika gewürzt werden. Alsdann schneide man kleingewürfeltes Rindfleisch hinein. Kurz bevor das Fleisch weich wird, schneide man kleingewürfelte Kartoffeln dazu. Man beachte: Es müssen ebensoviel Pfund Zwiebeln sein wie Fleisch! Außerdem gebe man ganz zum Schluß Majoran und kleingehackte süß-saure Gurken in den Topf.

Risi-Pisi: Fertig gekochter Reis wird mit grünen Erbsen (entweder aus der Konserve oder frische – dann separat bereits vorgekocht) vermengt. Unter kurzem Umrühren werden nun bei kleiner Flamme Butter oder Fett dazugetan und entweder Fleisch- oder Bratenreste oder Frankfurter Würstchen – natürlich kleingeschnitten – hineingemengt. Nach Belieben würzen, am besten mit Curry, und bei Tisch mit etwas Parmesankäse bestreuen.

Irish-Stew: Unter diesem Namen gibt es verschiedene Rezepte, Hammelfleisch und Weißkohl zu einem feinen Eintopf zuzubereiten. Eine der besten Arten ist das mecklenburgische Rezept: Das Hammelfleisch wird in viereckige Stückchen gehauen, gesalzen und eine bis eineinhalb Stunden gekocht. Darauf werden die Kohlköpfe von den äußeren Blättern und dem Stengel befreit, in vier Teile geschnitten, eine Viertelstunde in kochendem Wasser abgekocht und dann stark in einem Tuch ausgedrückt. Dann belege man einen großen Topf mit dünnen Speckscheiben, gebe darauf eine Lage Weißkohl, die runde Seite muß immer nach oben zeigen, darauf einige Stückchen Fleisch, feingeschnittene Zwiebeln, Kerbel, Salz und Pfeffer sowie ein wenig Nelken. Dann kommt immer wieder abwechselnd eine Lage Kohl, eine Lage Fleisch mit obigen Gewürzen. Die Schlußlage oben im Topf muß Kohl sein. Anschließend fülle man die vom Bodensatz abgegossene Hammelfleischbrühe hinzu und lasse das Ganze etwa eine Stunde einkochen. Beim Anrichten wird das Gericht auf eine Schüssel gestürzt.

»Certainly not …«

»Mr. Murphy, ich bin ganz ehrlich. Hatte erst vorige Woche furchtbaren Ärger. Wäre fast bis zum Führer gegangen. Haben da doch ein paar Übereifrige bei Amiens zwei Herren von der schwedischen Militärmission festgenommen und durchsucht. Gräßlicher Krach! Mußte mich persönlich entschuldigen. War mir vielleicht eine Warnung. So was passiert mir nicht zum zweitenmal. Haben Sie schon gegessen, Mr. Murphy?«

»N-Nein …«

»Darf ich Sie vor Ihrer Abfahrt einladen? Schlichte Kriegerkost. Die Hotelküche funktioniert noch nicht. Und bei ›Prunier‹ wird heute wohl noch geschlossen sein, hahaha!«

»Hahaha!«

»Also dann – kleiner Schlag aus deutscher Gulaschkanone?«

»Wenn ich nicht störe?«

»Ist mir doch eine Freude! Kogge, noch ein Gedeck! Den Herrschaften drüben lassen Sie auch was bringen …«

»Jawohl, Herr General!«

Fünf Minuten später …

»Bißchen eintönig, der Fraß, was, Mr. Murphy?«

»Oh no, entsprechend die Umstände es schmecken delikat …«, sagte Thomas Lieven, der allmählich seine Fassung wiederfand.

»Ich weiß nicht, was das ist; die Kerle können keinen Eintopf machen!« ärgerte sich der General.

»General«, sagte Thomas Lieven sanft, »ich möchte mich gerne revanchieren für Ihre Freundlichkeit und Ihnen geben einen kleinen Tip …«

»Donnerwetter, Mr. Murphy, Sie sprechen phantastisch Deutsch!«

Das ist ein lebensgefährliches Kompliment, dachte Thomas und ließ rapide in seinen Sprachkenntnissen nach. »Thank you, General. Meine Kinderfräulein sein gewesen eine mecklenburgische Amme. Ihre speciality waren mecklenburgische Eintöpfe …«

»Interessant, was, Kogge?« sagte der General zu seinem Adjutanten.