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Jedoch war dieser friedliche Moment nicht von Dauer.

»Hai, hai, hai! Hai, hai, hai!«

Da kamen sein Sohn und seine Tochter, der stämmige Sonnenuntergang und die dünne Glatt. Sie rannten zusammen den Strand entlang und plapperten das Kauderwelsch, das durch die Verschmelzung von Kieselsteins und Harpunes Zungen entstanden war. »Komm, komm, komm her zu uns!« Die nackten Kinder mit der von Salz und Schweiß verkrusteten Haut wollten, dass er herbeikam und bei den Baumstämmen half, die Ko-Ko und andere ins Meer schoben.

Er tat so, als hörte er sie nicht, bis sie fast bei ihm waren. Dann schnappte er sich beide mit Gebrüll, und die drei wälzten sich balgend im Sand. Schließlich ließ Kieselstein sich erweichen. Er legte den Feuerstein weg, stand auf und lief hinter den Kindern den Strand entlang.

Es war ein strahlend schöner, warmer Morgen, und die Luft war vom Geruch nach Salz und Ozon erfüllt. Während die Kinder vor dem langsameren Vater förmlich dahinflogen, überholte Glatt bald ihren Bruder. Kieselstein verspürte einen Anflug von Freude über ihre jugendliche Energie. An diesem Ort würde er zwar nie heimisch werden, aber er hatte auch seine Vorzüge.

Ko-Ko, Hände und Robbe bauten eine Art Floß. Harpune war auch da. Sie hatte die Hände auf ihren Bauch gelegt, der schon sichtlich geschwollen war. Sie grinste, als sie Kieselstein sah.

Die Männer hatten im Wald landeinwärts zwei kräftige Palmen gefällt, die Wipfel entfernt und die Stämme mit Lianen und geflochtenen Ranken zusammengebunden. Nun schleppten Hände und Robbe diese primitive Konstruktion über den Strand zum Wasser. Sie legten sich mächtig ins Zeug und plapperten dabei: »Schieb, schieb, schieb!«

»Zurück zurück, nein, zurück, zurück…«

»Hai, hai!«

Kieselstein kam Hände und Robbe zu Hilfe. Aber auch zu dritt war es noch ein hartes Stück Arbeit, und Kieselstein geriet bald wie die anderen ins Schwitzen. An den Beinen klebte heißer stechender Sand. Ko-Ko wollte auch helfen, aber hier half nur brutale Kraft, die außer Kieselstein und seinen Leuten niemand sonst aufbrachte. Und sie wurden durch die beiden Kinder behindert, die eigentlich nur helfen wollten und durch Harpunes Wolf, der ihnen bellend zwischen den Füßen herumsprang.

Der Wolf, den sie als Welpen gefangen und aufgezogen hatte, war zahm. Das war der Anfang einer Beziehung, die länger dauerte als alle anderen zwischen Mensch und Tier, eine Beziehung, die letztendlich beide Spezies prägte.

Kieselstein hatte sein Ziel, die Insel zu erreichen, nie aus dem Auge verloren. Als er einmal in Gedanken versunken am Strand saß, hatte er Kinder beobachtet, die im Wasser mit Treibholz spielten – und da hatte es in seinem Kopf ›klick‹ gemacht.

Im Mangrovensumpf hatten die Vorfahren von Harpune, auch keine besseren Schwimmer als Kieselstein, einen Weg finden müssen, das von Krokodilen verseuchte Wasser zu überqueren. Nach vielen Versuchen und Fehlern – wobei jeder Fehler mit Verstümmelung oder Tod bestraft wurde –, waren sie auf die Idee gekommen, Mangroven-Stämme zu benutzen. Man legte sich flach auf einen solchen Stamm und ruderte mit den Händen. Auf all ihren Reisen hatten die Dürren diese grundlegende Technik nicht vergessen. Und genau das war es, wobei Kieselstein die Kinder mit dem Treibholz beobachtet hatte. Nun sah er eine Möglichkeit, die Insel zu erreichen.

Über das stille Wasser eines Mangrovensumpfs zu paddeln war jedoch eine Sache. Die bewegte Oberfläche eines Meers abzureiten war eine ganz andere Herausforderung.

Nach ein paar spektakulären Fehlschlägen hatte der einfallsreiche Ko-Ko die Idee gehabt, zwei Baumstämme zu vertäuen. Auf diese Weise erlangte man wenigstens etwas mehr Stabilität. Jedoch bestand auch bei diesen Flößen noch die Gefahr des Kenterns.

Schließlich ließen sie die zusammengebundenen Stämme zu Wasser. Sie schwammen und boten eine stabile Fläche.

Ko-Ko und Hände warfen sich ins Wasser, dass es nur so spritzte. Dann legten sie sich flach auf die Baumstämme, streckten die Beine aus und ruderten mit den Armen. Langsam entfernten sie sich von der Küste. Aber die Wellen warfen das Floß umher – und schließlich um. Beide Männer fielen ins Wasser. Und dann löste die Vertäuung der Stämme sich.

Hände kam prustend und grummelnd aus dem Wasser. Mit Ko-Ko zog er die Stämme aus dem Wasser an den Strand.

Kieselstein wusste, dass keine Gefahr bestanden hatte, weil das Wasser hier so seicht war, dass man an den Strand zurückzugehen vermochte. Weiter draußen wurde das Meer aber schnell tiefer, und das mussten sie überqueren, wenn sie die Insel erreichen wollten.

Also gingen sie wieder an die Arbeit und probierten alle möglichen Kombinationen aus.

Kieselsteins Leben hatte sich in den letzten sieben Jahren grundlegend verändert.

Diejenigen, die mit ihm aus Plattnases Dorf geflohen waren, hatten die Welt der Reihe nach verlassen. Hyäne hatte sich nicht mehr von seiner Verletzung erholt, und sie hatten ihn in die Erde gelegt. Und nicht viel später hatten sie auch Staub in die Erde legen müssen. Kieselsteins Mutter schien Harpune allmählich ins Herz geschlossen zu haben, diese sonderbare Frau, die bei ihrem Sohn lag. Schließlich hatte ihre Schwäche die Willenskraft jedoch besiegt.

Doch wo Leben verging, entstand auch neues Leben. Seine beiden Kinder waren fast gleichaltrig – sechs und sieben Jahre –, aber sie waren völlig verschieden.

Sonnenuntergang war mit sechs der jüngere. Der Junge war das Ergebnis von Kieselsteins Seitensprung mit Schrei, die ihm noch nachgestellt hatte, nachdem er längst eine Verbindung mit Harpune eingegangen war. Sonnenuntergang war kompakt und rund; ein richtiges Energiebündel und Muskelpaket. Und über einem markanten Brauenwulst hatte er noch immer das feuerrote Haar, mit dem er geboren worden war – Farbton ›Eiszeit-Sonnenuntergangsrot‹.

Sonnenuntergang hatte der armen Schrei jedoch keine Freude bereitet. Sie war bei seiner Geburt gestorben, aber nicht ohne zuvor noch gegen die Anwesenheit der neuen Leute bei ihnen zu protestieren.

Kieselsteins anderes Kind, Glatt, war von Harpune. Obwohl sie auch etwas von der Korpulenz ihres Vaters hatte, schlug sie viel eher nach ihrer Mutter. Sie war jetzt schon größer als Sonnenuntergang. Jedes Mal, wenn er sie sah, staunte Kieselstein von neuem über Glatts flaches Gesicht und die wulstlosen Brauen, die ihre klaren Augen überwölbten.

Kieselstein musste sich nicht darüber wundern, dass aus dem sexuellen Kontakt mit Harpune ein Kind hervorgegangen war. Und nun war sie schon wieder schwanger. Die Unterschiede zwischen den alten Stämmen und Harpunes Stamm waren zwar beachtlich, aber auch nicht so grundlegend, dass die beiden Arten von Leuten sich nicht zu kreuzen vermocht hätten. Und ihre Kinder wären auch keine ›Maultiere‹. Sie waren fruchtbar.

So hatten Harpunes modifizierte Gene und der neue Bauplan ihres Körpers sich in der größeren Population der robusten Leute verbreitet. So wurde der genetische Schicksals-Faden von Glatt, dem Kind mit der menschlichen Gestalt und den robusten Affen-Merkmalen in die Zukunft fort gesponnen.

Während der lange Nachmittag sich hinzog, versuchten sie auf Kieselsteins Betreiben, ein schwimmfähiges Floß zu entwerfen.

Es war frustrierend. Sie waren nicht fähig, ihre Ideen untereinander zu erörtern. Dazu war ihre Sprache einfach zu primitiv. Zumal nicht einmal die neuen Leute begnadete Erfinder waren, weil die Schotts im hoch spezialisierten Bewusstsein es ihnen verwehrten, Handlungen ganzheitlich zu betrachten. Sie vermochten es nicht durchzudenken. Es war in etwa damit zu vergleichen, als ob man eine neue körperliche Fertigkeit wie Fahrradfahren erlernen wollte: Mit einer bewussten Anstrengung allein war es nicht getan. Außerdem war die Arbeit unkoordiniert und ging nur weiter, wenn jemand sich aufraffte und die anderen antrieb.