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Doch dann hatte Ko-Ko plötzlich einen Geistesblitz. Er rannte ins Wasser. »Ya, ya!« Mit wilden Schreien und Schlägen zwang er die Schwimmer, sich an einem Baumstamm festzuhalten und sich treiben zu lassen. Dann ging er zum anderen Ende und schob den langen Stamm mit kräftigen Schwimmstößen durch die küstennahe Brandung in ruhigeres Wasser.

Kieselstein schaute erstaunt zu. Es funktionierte. Anstatt auf dem Baumstamm zu sitzen, nutzten sie ihn als Schwimmhilfe für diese Nichtschwimmer. Bald war der Stamm so weit von der Küste entfernt, dass er nur noch eine Reihe auf und nieder hüpfender Köpfe und den schwarzen Balken zwischen ihnen sah.

Indem sie sich an dem Baumstamm festklammerten und mit aller Kraft paddelten, vermochten selbst die Robusten, die zum Schwimmen zu schwer waren, ein Gewässer zu überqueren, das viel tiefer war als sie hoch. Es war für jeden ersichtlich, dass sie endlich eine Möglichkeit gefunden hatten, die Meerenge zu überqueren, die Kieselstein seit Jahren reizte.

Kieselstein stieß ein Triumphgebrüll aus. Seine Kinder kamen zu ihm gelaufen. Er hob Glatt auf und wirbelte das quiekende Kind in der Luft herum, während Sonnenuntergang ihn um Aufmerksamkeit heischend an den Beinen zog.

Die ›Expedition‹ landete an einem halbmondförmigen, muschelübersäten Sandstrand, der sich an eine Wand aus erodiertem blauschwarzem Gestein schmiegte. Sie stolperten aus dem Wasser und legten sich keuchend auf den Strand. Kieselstein sah mit einem Blick, dass alle, Robuste und Dünne gleichermaßen, es bis zur Küste geschafft hatten.

Die Überfahrt war härter gewesen, als Kieselstein es sich vorgestellt hatte. Er würde nie dieses schreckliche Gefühl vergessen, über der blauschwarzen Tiefe zu hängen, wo unbekannte Kreaturen lauerten. Doch nun war es geschafft.

Und Ko-Ko war schon bei der Arbeit. Er zog einen Stamm ans Ufer und forderte die anderen auf, seinem Beispiel zu folgen. Die Krieger – ein Dutzend Robuste und ein Dutzend Dünne – packten die Ausrüstung aus. Einen Teil der Waffen hatten sie sich auf den Rücken gebunden oder in Netzen verpackt, und andere – zum Beispiel die langen Wurfspeere der Dünnen – hatten sie an die Baumstämme gebunden.

Harpune strich sich über den Bauch und schaute aufs Meer hinaus in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Sie berührte die senkrechten Ockerstreifen in Kieselsteins Gesicht, wie sie es getan hatte, bevor sie das erste Mal kopuliert hatten. Doch nun trug sie die gleiche Kriegsbemalung wie er – alle Leute trugen sie, Dünne und Robuste gleichermaßen. Er grinste, und sie erwiderte das Grinsen.

Geeint durch ihre Symbole, schickten zwei Arten von Leuten sich an, Krieg gegen eine dritte zu führen.

Eine Frau schrie auf. Kieselstein und Harpune wirbelten herum. Ein schwerer Basaltbrocken war auf den Strand gefallen und hatte eine Dünnen-Frau am Bein getroffen. Als der Felsbrocken weggeräumt worden war, wurde ihr Fuß sichtbar – er war eine zertrümmerte, blutige Masse. Sie wehklagte, und Tränen verschmierten die Ockerstreifen auf den Wangen.

Leute riefen durcheinander und zeigten auf die Klippen. »Hai, hai!«

Kieselstein beschirmte die Augen und schaute nach oben. Etwas bewegte sich dort oben: ein Kopf auf schmalen Schultern. Der Felsbrocken war nicht heruntergefallen, wurde Kieselstein sich bewusst. Er war heruntergestoßen oder -geworfen worden.

So hatte es angefangen. Er packte den Stoßspeer, stieß ein zorniges Gebrüll aus und rannte am Strand entlang. Die Leute folgten ihm.

Nach ein paar hundert Metern öffnete dieser geschützte Strand sich auf ein offeneres Gelände aus Dünen und Grasland. Und auf dem offenen Land sah Kieselstein eine Gruppe gespenstischer Hominiden. Sie waren über zwanzig, Männer, Frauen und Kinder. Sie hatten sich um den Kadaver einer Elenantilope versammelt. Beim Anblick von Kieselstein standen sie auf und schauten in seine Richtung.

Kieselstein stürmte mit Gebrüll los.

Ein paar der Hominiden drehten sich um und ergriffen die Flucht – Mütter mit Kindern und ein paar der Männer. Andere stellten sich dem Kampf. Sie hoben Steine auf und schleuderten sie gegen die Eindringlinge, als ob sie umherstreifende Hyänen abwehren wollten. Diese Leute waren groß, schlank und nackt; ihre Körper wiesen auf den ersten Blick eine Ähnlichkeit mit dem Harpunes auf. Aber die Köpfe waren ganz anders. Sie hatten breite, vorspringende Gesichter, dicke Brauenwülste und flache Hirnschalen.

Sie waren eine späte Variante des Homo erectus. Diese Gruppe war auf die Insel eingewandert, als in einem Extrem der Eiszeit der Meeresspiegel so tief gesunken war, dass eine Brücke zum Festland entstand. Als der Meeresspiegel dann wieder gestiegen war, hatten sie überlebt, während der Rest ihrer Art umgekommen war. Es hatte nämlich niemand gewusst, wie man die unruhige Meerenge überqueren sollte, um ihnen die Insel streitig zu machen.

Bis jetzt.

Ein Mann, der kräftiger war als die anderen, ergriff eine große, schwere Steinaxt und rannte auf Hände zu. Der große Robuste reagierte mit einem Brüllen und packte den massiven Stoßspeer fester. Mit der Geschwindigkeit eines Schemens wich der Mann Händes Attacke aus und schlug ihm mit der Steinaxt in den Nacken. Blut spritzte, und Hände brach zusammen und kippte vornüber. Aber er kämpfte noch weiter. Er drehte sich auf den Rücken und versuchte den Stoßspeer zu heben. Doch der große Mann stand schon mit erhobener Axt über ihm.

Der wütende Kieselstein rammte dem Mann seinen Speer in den Rücken. Mit dieser Waffe vermochte Kieselstein die Haut und den Brustkorb eines Elefantenbabys zu durchstoßen und es war ein Kinderspiel, den schweren Speer durch die Haut, Rippen und das Herz eines Hominiden zu treiben. Er hob den Körper des Manns wie einen aufgespießten Fisch an. Er zappelte, und Blut schoss ihm aus Mund und Rücken. Die klebrige rote Flüssigkeit lief am Schaft des Speers entlang und benetzte Kieselsteins Arme.

Dann kniete Kieselstein neben Hände nieder. Aber der große Mann lag bewegungslos, und die muskulösen Gliedmaßen waren schlaff. Trauer keimte in Kieselstein auf: Er hatte schon wieder einen Kameraden verloren. Er stand auf, wobei ihm das Blut von Händen und Armen herablief und hielt Ausschau nach dem nächsten Gegner.

Aber die gespenstischen Nackten suchten das Weite. Die Dünnen schleuderten die Speere aus feuergehärtetem Holz, und diese regneten auf die fliehenden Hominiden herab.

Kieselstein erschauerte. Er war froh, dass nicht er es war, den diese Dünnen mit einem solchen Vernichtungswillen verfolgten. Dann hob er den Stoßspeer auf und folgte den Verbündeten. Händes Körper überließ er den Hyänen.

Die Auslöschung einer Gruppe durch eine andere war weit verbreitet bei sozialen und Fleischfresser-Spezies – bei Ameisen, Wölfen, Löwen, Affen und Menschenaffen zum Beispiel. In dieser Hinsicht war das Verhalten der Leute nur ein Ausfluss ihrer tiefen animalischen Verwurzelung.

Doch unter Wölfen, Menschenaffen, Pithecinen und sogar den Läufern hatten solche Maßnahmen sich als ineffizient erwiesen. Ohne wirkungsvolle Waffen waren solche Feldzüge nur mit einer überwältigenden zahlenmäßigen Überlegenheit erfolgreich, und es dauerte unter Umständen Jahre, bevor ein Krieg zwischen zwei rivalisierenden Gruppen aus ein paar Dutzend Pithecinen beendet war. Selbst in der langen Geschichte der sesshaften Robusten hatten solche Massaker kaum stattgefunden. Wohl wurden verirrte Fremde getötet, aber es wurden keine Kriege um Lebensraum geführt.

Allerdings änderte sich das nun in dem Maß, wie die genetische Definition von Harpunes neuem nomadischem Stamm sich ausbreitete. Harpunes Art verfügte über präzise, weit tragende Waffen und helle Köpfe, die in zunehmendem Maß zu strukturiertem und analytischem Denken befähigt waren. Sie waren in der Lage, Massentötungen mit nie da gewesener Gründlichkeit durchzuführen. Jedoch wirkte sich das auch kontraproduktiv aus. Die Kriegführung gegen andere Gruppen zwang die Hominiden, sich zu immer größeren Verbänden zusammenzuschließen – mit allen sozialen Komplikationen, die sich daraus ergaben. Außerdem prägte das Morden die Mörder: Parallel zur Liebe entwickelte sich der Hass.