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Mutter kam mit ihnen. Schössling und andere zeigten sich erleichtert. Ein paar hatten schon geglaubt, dass sie vielleicht darauf bestehen würde, bei dem Loch in der Erde zu bleiben, das die Gebeine ihres Sohns enthielt.

Nach einem langen Marsch errichteten sie in der Nähe eines Sees mit einem morastigen Ufer ein neues Lager. Sie schlugen die Zelte auf und bereiteten sich Schlafstätten. Wegen der anhaltenden Trockenheit war das Leben aber hart, und die Kinder und die Alten litten besonders.

Eines Tages brachte Schössling Mutter den Kopf eines jungen Straußenvogels. Der Hals war eine Handlänge unter dem Kopf durchtrennt und der Kopf selbst von einem Speer durchbohrt worden.

Einen fliehenden Straußenvogel zu erlegen, den kleinen Kopf eines rennenden Vogels aus fünfzig oder gar siebzig Metern Entfernung zu treffen, war wirklich eine Leistung. Nach monatelanger Übung hatten Schössling und die anderen jungen Jäger gelernt, mit dem Speerkatapult ihre Waffen mit größter Genauigkeit über nie dagewesene Entfernungen zu werfen. Mit wachsender Zuversicht waren die Jäger immer weiter in der Savanne ausgeschwärmt, und bald sollten die Beutetiere der Ebenen sie richtig fürchten lernen. Es war, als ob man die Jäger mit Schusswaffen ausgerüstet hätte.

Heute platzte Schössling schier vor Stolz auf seine Beute. Vor der Frau, die ihn im Gebrauch der Speerschleuder unterwiesen hatte, demonstrierte er, wie er den Speer geschleudert hatte, wie er sich durchgebogen hatte und davon geschnellt war und wie er präzise ins Ziel gefunden hatte. »Vogel schnell, schnell«, sagte er und scharrte mit den Füßen. »Rennt schnell.« Er zeigte auf sich. »Ich, ich. Verstecken. Felsen. Vogel schnell, schnell. Speer…« Er sprang hinter dem imaginären Felsen hervor und führte noch einmal vor, wie er den Speer ins Ziel geschleudert hatte.

Mutter hatte dieser Tage wenig Zeit für die Leute. Ihre neuen Wahrnehmungen zogen sie zunehmend in den Bann. Aber sie tolerierte Schössling, den einzigen Menschen, den sie hatte, den man als Freund bezeichnen konnte. Abwesend hörte sie seinem Geplapper zu.

»Wind tragen Geruch. Geruch berührt Strauß. Strauß rennt. Nun, hier. Stehen, stehen, verstecken. Wind trägt Geruch. Strauß hier, Wind da, Wind tragen Geruch weg…«

Seine Sprache war eine Art Pidgin aus einfachen Worten, Substantiven, Verben und Adjektiven ohne Beugeendungen. Um etwas zu betonen, kamen noch immer Wiederholungen und die Mimik zum Einsatz. Und bei der kaum vorhandenen Struktur bediente man sich eines sprachlichen ›Freistils‹: Es war der Verständigung nicht gerade förderlich, dass keine zwei Leute, nicht einmal Geschwister, die gleiche Sprache sprachen.

Dennoch bildete Schössling hin und wieder Sätze. Das hatte er von Mutter gelernt. Jeder Satz war eine strikte Subjekt-Verb-Objekt-Zusammensetzung. Die Proto-Sprache der Leute entwickelte sich schnell aus dieser grundlegenden Struktur. Die plappernden Leute mussten bereits Fürwörter erfinden – dich, mich, ihn, sie – und verschiedene Arten, um Handlungen und ihre Ergebnisse auszudrücken: Ich habe getötet, ich töte, ich habe nicht getötet… Sie waren in der Lage, Vergleiche und Verneinungen auszudrücken und Alternativen darzustellen. Sie vermochten allein mit Worten zu erwägen, heute zum See zu gehen oder nicht zum See zu gehen, wo sie zuvor die Richtung dorthin hatten einschlagen oder sich in Gruppen aufteilen müssen.

Es war aber noch keine richtige Sprache. Sie war nicht einmal so differenziert wie Creolisch. Aber es war ein Anfang, und sie entwickelte sich schnell.

Im Grunde hatte Mutter diese grundlegende Satzstruktur auch nur entdeckt und nicht erfunden. Ihre zentrale Logik spiegelte nämlich das tiefe Verständnis der Welt wider, das die Hominiden hatten – einer Welt voller Gegenstände mit Eigenschaften –, die ihrerseits eine noch tiefere neuronale Architektur reflektierte, wie sie den meisten Tieren eigen war. Wenn ein Löwe oder ein Elefant zu sprechen vermocht hätte, dann hätte er genauso gesprochen. Dieses zentrale Paradigma sollte von fast allen der Myriaden menschlicher Sprachen geteilt werden, die in der Zukunft sich herausbildeten: eine Universalschablone, die die essentielle Kausalität der Welt und ihrer menschlichen Wahrnehmung reflektierte. Aber es hatte Mutters dunklen Genies bedurft, um dieser tiefen Architektur Ausdruck zu verleihen und den linguistischen Überbau zu inspirieren, der alsbald folgte.

Und nun wurde es Zeit für den nächsten Schritt.

Schössling sagte etwas, bei dem sie aufhorchte: »Speer töten Vogel«, sagte er aufgeregt. »Speer töten Vogel, Speer töten Vogel…«

Sie runzelte die Stirn. »Nein, nein.«

Er verstummte mitten im Satz. Er war so in seine Darbietung versunken, dass er ihre Anwesenheit vergessen zu haben schien. »Speer töten Vogel.« Er imitierte den Flug des Speers, hob den abgetrennten Straußenkopf auf und beschrieb mit den Händen die authentische Bahn des auf ihn zufliegenden Speers.

»Nein!«, schrie sie ihn an. Sie stand auf und packte ihn an der Hand. »Du heben Hand.« Sie drückte ihm die Speerschleuder in die Hand. »Hand schieben Stock. Stock schieben Speer. Speer töten Vogel.«

Er wich verwirrt zurück. »Speer töten Vogel.« Habe ich das denn nicht gesagt?

Ungehalten fing sie noch mal von vorne an. »Du heben Hand… Speer töten Vogel. Du töten Vogel.« Es bestand zwar eine Kausalkette, aber die Intention entsprang nur einem Ort: Schösslings Kopf. Sie sah es ganz deutlich. Er hatte den Vogel getötet, nicht der Speer. Sie hieb ihm auf den Kopf. Hier ist der Vogel gestorben, du Dummbatz. In deinem Bewusstsein. Der Rest ist nur noch eine Formsache. Sie zankten sich noch für eine Weile, doch Schössling wurde zunehmend verwirrt. Die schlichte jungenhafte Freude über die Beute legte sich nun, da seine Prahlerei in diese philosophische Erörterung ›ausgeartet‹ war.

Plötzlich schoss Mutter ein stechender Schmerz durch die Schläfen – so plötzlich, wie Schösslings Speer aus gehärtetem Holz sich durch den Kopf dieses Pechvogels von Strauß gebohrt haben musste. Sie brach in die Knie und presste sich die Fäuste gegen die Schläfen.

Doch in diesem Moment des Schmerzes sah sie plötzlich eine neue Wahrheit.

Sie stellte sich vor, wie der Speer in hohem Bogen durch die Luft flog – wie der helle Blitz in ihrem Kopf –, den Schädel des Vogels durchstieß und sein Leben auslöschte. Sie wusste, dass Schössling den Speer geworfen hatte. Er hatte den Willen besessen, den Vogel zu töten, und alles andere, was sich daran angeschlossen hatte, war unerheblich.

Aber was, wenn sie nicht gesehen hätte, wie Schössling den Speer geworfen hatte? Was, wenn er von einem Felsen oder einem Baum verdeckt worden wäre? Hätte sie geglaubt, dass der Speer der eigentliche Grund gewesen sei – dass der Speer selbst beabsichtigt hätte, den Vogel zu töten? Nein, natürlich nicht. Auch wenn sie nicht die ganze Kausalkette sah, musste sie trotzdem existieren. Wenn sie den Speer fliegen sah, würde sie wissen, dass jemand ihn geworfen haben musste.

Ihre besondere Sicht der Welt, des Spinnennetzes aus Ursachen, das sich aus der Vergangenheit in die Zukunft über die Welt spannte, vertiefte sich weiter. Wenn ein Straußenvogel von einem Speer getötet wurde, hatte ein Jäger das gewollt. Und wenn eine Person starb, war eine andere dafür verantwortlich. So einfach war das. Das alles sah sie plötzlich und begriff es auf einer tiefen, intuitiven Ebene unterhalb der Sprache, während neue Verbindungen in ihrem komplexen, schnell sich entwickelnden Bewusstsein geknüpft wurden.

Die Logik war klar und zwingend. Erschreckend – und tröstlich.

Und sie wusste auch, welche Konsequenzen sie aus dieser neuen Erkenntnis zu ziehen hatte.

Sie wurde sich bewusst, dass Schössling vor ihr kniete und sie an den Schultern fasste. »Weh? Kopf? Wasser. Schlafen. Hier…« Er fasste sie am Arm und half ihr beim Aufstehen.