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Und dann sah sie die Fußspuren.

Neugierig stellte sie ihre Füße in die flachen Abdrücke im Boden. Hier waren Zehen gewesen, dort eine Schleifspur, die vielleicht von einem aufgestützten Knöchel stammte. Die Spuren mussten schon alt sein. Der Schlamm war steinhart gebacken, und sie selbst hinterließ keine Abdrücke.

Die Spur zog sich schnurgerade über die Salzpfanne bis zum leeren Horizont. Sie folgte ihr ein paar Schritte. Aber das Salz war hart, verharscht und heiß, und als es in die kleinen Schnittwunden und Kratzer an Händen und Füßen gelangte, brannte es höllisch.

Die Spur lief nicht zurück. Wer auch immer sie gezogen hatte, war nicht wiedergekehrt. Vielleicht hatte der unbekannte Wanderer ganz Nordamerika durchquert, um zum Meer zu gelangen: Es gab schließlich keine Hindernisse mehr.

Sie wusste, dass sie der Spur nicht zu folgen vermochte, die sich in diesem toten Meer verlor.

Und es hätte auch keinen Unterschied gemacht, wenn sie ihr gefolgt wäre. Dies war Neu-Pangäa. Wohin auch immer sie gegangen wäre, sie hätte nur den gleichen roten Boden und die gleiche sengende Hitze gefunden.

Sie blieb für den Rest des Tages an diesem trostlosen stillen Strand. Die untergehende Sonne schwoll an, die Scheibe flackerte, und das grelle Licht verwandelte die Salzebene in ein ausgewaschenes Rosa.

Dies war die letzte weite Reise, die ein Exemplar ihrer uralten, mobilen Abstammungslinie jemals unternahm. Und nun war die Reise zu Ende. Dieser sonnendurchglühte tote Strand war der Endpunkt. Für die Kinder der Menschheit gab es nichts mehr zu erforschen.

Als das Licht erlosch, machte sie kehrt und ging den Hang hinauf. Sie schaute nicht zurück.

In den Jahren nach Ultimas Tod drehte die Erde sich immer langsamer; der Reigen mit dem zurückweichenden Mond neigte sich dem Ende zu.

Und die Sonne loderte immer heller in ihrem vom Wasserstoff befeuerten Furor.

Die Sonne war ein Fusionsofen. Doch nun wurde der Kern der Sonne mit Helium-Asche verstopft, und die umliegenden Schichten stürzten in den Kern: Die Sonne schrumpfte. Und durch diesen Kollaps wurde die Sonne heißer. Nicht viel – alle hundert Millionen Jahre nur um etwa ein Prozent –, aber das genügte schon.

Für die meiste Zeit der Erdgeschichte hatte das Leben sich vor der stetigen Erwärmung zu schützen vermocht. Der lebende Planet hatte mittels seines ›Blutkreislaufs‹ – den Flüssen und Meeren, der Atmosphäre und der Tektonik sowie den Interaktionen von Myriaden Organismen – Schadstoffe beseitigt und Nährstoffe deponiert, wo sie gebraucht wurden. Die Temperatur wurde von Kohlendioxid geregelt, einem wichtigen Treibhausgas und dem Rohstoff für die pflanzliche Photosynthese. Dies war eine Rückkopplungs-Schleife. Je wärmer es wurde, desto mehr Kohlendioxid wurde vom verwitternden Gestein absorbiert, sodass der Treibhauseffekt reduziert und die Temperatur heruntergeregelt wurde.

Doch je heißer die Sonne wurde, desto mehr Kohlendioxid wurde im Gestein gebunden und desto weniger stand den Pflanzen zur Verfügung.

Fünfzig Millionen Jahre nach Ultimas Tod brach die Photosynthese zusammen. Die Pflanzen verwelkten: Gräser, Blumen, Bäume und Farne – alles weg. Und die Lebewesen, die von ihnen lebten, starben auch. Große Königreiche des Lebens implodierten. Erst vergingen die Säugetiere – die Nagetiere hatten bis zuletzt ausgeharrt – und dann die Reptilien. Anschließend waren die höheren Pflanzen verschwunden, gefolgt von den Pilzen und Schleimpflanzen, Geißeltierchen und Algen. Es war, als ob die Evolution in dieser Endzeit sich umgekehrt und die hart erkämpfte Vielfalt des Lebens aufgegeben hätte.

Schließlich vermochten unter einer flammenden Sonne nur noch Hitze liebende Bakterien zu überleben. Viele von ihnen stammten mit geringfügigen Änderungen von den frühsten Lebensformen ab, den primitiven Methanatmern, die existiert hatten, bevor sich giftiger Sauerstoff in der Atmosphäre breit gemacht hatte. Für sie war das wie in den guten alten Zeiten vor der Photosynthese: Die trockenen Ebenen des letzten Superkontinents wurden für kurze Zeit mit bunten Farben verziert, mit Purpur- und Rottönen, die wie Flaggen über die Felsen drapiert waren.

Doch die Hitze wurde immer unerträglicher. Das Wasser verdampfte, bis irgendwann ganze Meere in der Atmosphäre hingen. Schließlich erreichten die mächtigen Wolken die Stratosphäre, die oberste Schicht der Atmosphäre. Hier wurden die Wassermoleküle vom Ultraviolett der Sonne in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der Wasserstoff verflüchtigte sich im Weltraum und verhinderte, dass sich neuerlich Wasser bildete. Es war, als ob ein Ventil geöffnet worden wäre. Das Wasser der Erde versickerte im Weltall.

Nach dem Verschwinden des Wassers wurde es so heiß, dass das Kohlendioxid aus dem Gestein ausgetrieben wurde. Unter einer Luft mit der Dichte von Wasser heizten die ausgetrockneten Meeresböden sich derart auf, dass man Blei auf ihnen zu schmelzen vermocht hätte. Das war selbst für die Hitze liebenden Bakterien zu viel. Es war das letzte Massensterben von allen.

Jedoch hatten die Bakterien im glutheißen Boden dehydrierte Sporen hinterlassen. In diesen gehärteten, fast unverwüstlichen Hüllen ritten die schlafenden Bakterien die Jahre ab.

Es gab immer noch Erschütterungen, als hin und wieder Asteroiden und Kometen auf dem sonnendurchglühten Land einschlugen – alles Ereignisse im Chicxulub-Maßstab. Nur dass sie natürlich keine Todesopfer mehr forderten. Aber der Erdboden wurde eingedellt und schleuderte beim Zurückschnellen riesige Gesteinsmengen ins All.

Ein Teil dieses Materials, und zwar von den Rändern der Einschlagzonen, war nicht beschädigt worden – und wurde deshalb unsterilisiert ins All befördert. So verließen die Bakteriensporen die Erde.

Sie drifteten unter dem sanften, aber nachhaltigen Druck des Sonnenlichts von der Erde weg und formierten sich zu einer riesigen diffusen Wolke um die Sonne. Die in den Sporen zystenartig eingeschlossenen Bakterien waren praktisch unsterblich. Und sie waren ausdauernde interplanetare Reisende. Die Bakterien hatten ihre DNA-Stränge mit kleinen Proteinen beschichtet, die die Wendelstruktur versteiften und vor chemischen Angriffen schützten. Wenn eine Spore keimte, vermochte sie zur Reparatur von DNA-Schäden spezialisierte Enzyme zu mobilisieren.

Die Sonne setzte derweil mit ihren Planeten, Kometen und der Sporen-Wolke die endlose Umkreisung des Herzens der Galaxis fort.

Schließlich driftete die Sonne in eine dichte Molekül-Wolke. Es war ein Ort, wo Sterne geboren wurden. Der Himmel war hier überfüllt und wimmelte von gleißenden jungen Sternen. Die lodernde heiße Sonne mit den Planeten-Ruinen glich einer verbitterten alten Frau, die einen Kreißsaal betrat.

Hin und wieder stieß eine der von der Sonne getriebenen Sporen jedoch auf ein interstellares Staubkorn, das mit organischen Molekülen und Wassereis angereichert war.

Die harte Strahlung naher Supernovae schlug eine Bresche in die Wolke. Eine neue Sonne wurde geboren und ein neues Planetensystem aus gasgefüllten Riesen und harten steinigen Welten. Kometen fielen auf die Oberfläche der neuen Gesteinsplaneten, so wie damals die Erde durch Einschläge befruchtet worden war.

Und in manchen dieser Kometen waren irdische Bakterien. Nur ein paar. Aber es brauchte auch nur ein paar.

Die Sonne alterte weiter. Sie blähte sich zu einer monströsen, rot glühenden Kugel auf. Die Erde tangierte die diffuse Peripherie der angeschwollenen Sonne wie eine Mücke, die einen Elefanten umschwirrte. Der sterbende Stern verbrannte alles, was er hatte. Im Endstadium loderte die Hülle aus Gas und Staub auf, die die Sonne umspannte. Das Sonnensystem wurde zu einem planetaren Nebel, einer in phantastischen Farben schillernden Sphäre, die über Lichtjahre zu sehen war.

Diese großen Zuckungen markierten den Untergang der Erde. Doch auf einem neuen Planeten eines neuen Sterns war der Nebel nur eine Lichtshow am Himmel. Was zählte, war das Hier und Jetzt, die Meere und das Land, wo neue Ökosysteme entstanden, wo die Lebewesen durch Veränderung ihrer Gestalt auf Veränderungen der Umwelt reagierten und wo Variation und Selektion blindlings immer komplexere Organismen formten.