Der aufrechte Gang erlaubte es den neuen Savannen-Affen, weite Strecken zwischen verstreuten Nahrungsquellen und Schutzbehausungen zu gehen oder zu laufen und Früchte und Beeren an entfernten Orten zu sammeln. Im Lauf der Zeit wurden sie unter dem Einfluss des gleichen Drucks, der auch die Giraffen geprägt hatte, immer aufrechter und größer. Der aufrechte Gang war ein so großer Vorteil, dass er sich auch schon bei anderen Primaten-Abstammungslinien manifestiert hatte – obwohl diese Geschöpfe lang vor dem Erscheinen der echten Menschen ausstarben.
Die kleinen, dürren Pithecinen, die Weit gejagt hatten, waren wie zweibeinige Schimpansen. Sie waren aufrechter als Capo oder sonst ein Menschenaffe. Aber ihr Kopf mit dem vorspringenden Mund, der kleinen Hirnschale und der platten Nase glich dem eines Affen. Und selbst wenn sie aufrecht standen, war die Körperhaltung gebeugt, stieß der Kopf nach vorn und reichten die langen Arme mit den Greifhänden fast bis auf den Boden. Beim Gehen mussten sie mehr Schritte machen als Weit, um die gleiche Entfernung zurückzulegen, und sie vermochten sich auch nicht so schnell zu bewegen. Doch über die kurzen Distanzen, die sie normalerweise abdeckten, waren sie gute und schnelle Läufer.
Sie lebten an der Peripherie des Waldes. Aber sie hatten auch gelernt, die Ressourcen der Savanne zu erschließen: vor allem die Kadaver der großen Pflanzenfresser, die von Räubern erlegt worden waren. Wenn die Gelegenheit sich bot, rannten sie aus der Deckung des Waldes zu einem Kadaver, schwangen ihre primitiven Steinklingen und kappten Sehnen und Bänder. Einzelne Glieder vermochte man leicht in die Sicherheit des Walds zu schaffen, wo sie zerteilt und verspeist wurden; und mit Hammer-Steinen wurde das Mark aus den Knochen geholt.
All das erzwang eine Selektion unter dem Gesichtspunkt der Intelligenz. Die Hominiden hatten keine spitzen Zähne wie die Hyänen oder Schnäbel wie die aasfressenden Vögel; wenn sie als Ausputzer Erfolg haben wollten, brauchten sie bessere Werkzeuge als Capos rudimentären Werkzeugsatz. Inzwischen war ihr Körper auch in der Lage, besser Fleisch zu verdauen. Viele Pithecinen-Arten hatten Zähne, mit denen sie rohes Fleisch zu zerkleinern vermochten und ein effizientes Verdauungssystem, das eine so kalorienreiche Nahrung zu verwerten imstande war.
Dennoch hatten sie als Ausputzer nur eine Randposition am Boden der Fleischfresser-Hierarchie inne; sie mussten warten, bis die Löwen, Hyänen und Geier sich ihren – den größten – Anteil an der Beute geholt hatten. Zumal das Erbeuten von Aas und die zaghaften eigenen Jagdversuche nicht der einzige (Erfolgs-) Druck waren, der auf den Hominiden der Savanne lastete.
Die Savanne war nämlich ein Tummelplatz für Räuber. Die Leoparden und Bären des Waldes waren schon schlimm genug gewesen. Und draußen in der Savanne gab es große Hyänen, Säbelzahntiger und Hunde mit der Größe von Wölfen. Wenn die kleinen, langsamen und schutzlosen Hominiden sich auch nur für einen Moment aus dem Wald herauswagten, waren sie eine leichte Beute für solche Kreaturen. Bald lernten ein paar Räuber wie der dinofelis sogar, sich auf Hominiden zu spezialisieren.
Es war ein gnadenloser Verschleiß, ein unbarmherziger Druck. Aber die Hominiden hielten stand. Sie lernten das Verhalten der Räuber zu deuten und entwickelten bessere Fluchtstrategien. Sie verbesserten die Zusammenarbeit miteinander, denn Gruppenbildung bot Sicherheit, und sie benutzten Waffen, um die Angreifer abzuwehren. Auch die Sprachentwicklung wurde durch diesen Druck vorangetrieben, und die spezialisierten Alarmrufe, deren Ursprünge noch in den Wäldern der Notharctus lagen, wandelten sich langsam zu richtigen Wörtern.
Die Savanne prägte die Hominiden. Aber sie waren keine Jäger, sondern Gejagte.
Die Pithecinen waren Beschränkungen unterworfen. Sie brauchten den Wald als Schutzraum, weil sie nicht dafür geschaffen waren, längere Zeit im Freien zu verbringen. Sie waren auf Flüsse, Seen und Feuchtgebiete angewiesen, weil ihr Körper nur wenig Fettgewebe hatte und nicht lang ohne Wasser auszukommen vermochte.
Im Laufe der Zeit hatten das Klima und die Vegetation in Afrika sich jedoch ständig verändert, und die Waldrand-Umgebung, die die Pithecinen bevorzugten, hatte sich ausgebreitet: In einer von kleinen Wäldern durchsetzten Landschaft gab es viele Ränder. Die Gestalt der Pithecinen hatte sich als effektiv und ausdauernd erwiesen, und es hatte eine wahre Explosion der Artenbildung stattgefunden, aus der Affen-Menschen in Hülle und Fülle hervorgegangen waren.
Die robusten Affen-Leute hatten sich vom Waldrand in den dichten Wald zurückgezogen. Dort hatten sie sich eine Nahrungsquelle erschlossen, für die es kaum Konkurrenz gab: Blätter, Rinde und unreife Früchte, die kein anderer Hominiden-Typ zu verdauen, und Nüsse und Samen, die kein anderes Tier zu knacken vermochte. Zu diesem Zweck hatten sie wie die Dickbäuche und Gigantopithecinen große, energieaufwändige Mägen ausgeprägt, um diese minderwertige Nahrung zu verarbeiten, und massive Schädel, die in der Lage waren, die mächtigen Kiefer mit den Mahlzähnen anzutreiben.
Ihr Sozialleben hatte sich auch verändert. Im dichten Wald mit einem konstanten Vorrat an Laub und Rinde bildeten sich feste Gruppen aus Weibchen, die in einem bestimmten Abschnitt des Waldes lebten. Die Männchen streiften als Einzelgänger umher und versuchten, die Weibchen in ihrem jeweiligen Territorium unter Kontrolle zu halten. Deshalb wurden die Männchen größer als die Weibchen, denn schiere Körperkraft war ein Plus, mit dem die Männchen Rivalen abwehrten.
Die Art der Gorilla-Menschen gehörte zu den Hominiden mit der geringsten Intelligenz jener Zeit. Dieser große Magen war sehr energieaufwändig; um den Körperhaushalt auszubalancieren, hatten im Lauf der Anpassung anderweitig Abstriche erfolgen müssen. Intelligenz benötigte ein Harem im stetigen Dämmerlicht des tiefen Waldes nicht, und so hatte das große Primatengehirn mit dem großen Blut- und Energiebedarf sich bei den Gorilla-Leuten zurückgebildet.
Obwohl der Gorilla-Mann über allzeit bereite Weibchen verfügte, hatte er nur kleine Hoden. Im Gegensatz zu ihm mussten die dürren Pithecinen-Männer sich möglichst oft mit möglichst vielen Frauen paaren und benötigten die großen pendelförmigen Hoden, die sie gern präsentierten, um ganze Ströme von Sperma zu produzieren.
Innerhalb dieser beiden grundlegenden Pithecinen-Arten, den grazilen Schimpansen-Leuten und dem robusten Gorilla-Typ gab es noch viele Varianten. Manche perfektionierten den aufrechten Gang. Manche verabschiedeten sich wieder von ihm. Manche ›Schimmis‹ waren intelligenter als andere, und manche Gorilla-Leute waren dümmer als der Rest. Es gab Schimmis, die primitiveres Werkzeug benutzten als Capo und Gorilla-Arten, die Werkzeuge verwendeten, die noch besser waren als die feinen Steinklingen der Pithecinen. Es gab Große und Kleine, Sesshafte und Läufer, Zwerge und Riesen, schlanke Allesfresser und reine Pflanzenfresser. Es gab Geschöpfe mit vorspringenden Gesichtern wie Schimpansen und andere mit senkrecht abfallenden Gesichtern und fein ziselierten Gesichtszügen, die fast schon wie richtige Menschen aussahen. Und es fand eine intensive Vermischung zwischen den Arten statt, woraus wiederum viele Unterarten und Hybride hervorgingen – das volle Spektrum menschlicher Möglichkeiten.