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Ari ging mit Kitty durch Saras Garten zu einem niedrigen Gartenzaun. Er stellte den Fuß auf die Querleiste und sah hinaus über die Felder von Yad El. Die Wassersprüher drehten sich und verbreiteten feuchte Kühle, während die Blätter der Obstbäume sacht in der abendlichen Brise bebten. Die Luft war erfüllt vom Duft der Winterrosen, die in Saras Garten blühten.

Kitty sah Ari an, wie er dastand und auf sein Land sah. Zum erstenmal in der ganzen Zeit, seit sie Ari ben Kanaan kannte, schien er innerlich ruhig und entspannt zu sein.

»Natürlich nicht mit Ihrem Indiana zu vergleichen«, sagte Ari.

»Oh«, sagte Kitty, »es macht sich.«

»Na ja, schließlich brauchtet ihr ja auch keinen Sumpf zu entwässern, um Indiana darauf zu errichten.« Ari hatte eine ganze Menge auf dem Herzen. Er hätte Kitty gern gesagt, wie sehr er sich danach sehnte, nach Haus zu kommen, um als Landwirt seinen Grund und Boden bearbeiten zu können. Er hätte sie gern gebeten, zu begreifen, was es für die Juden bedeutete, so ein Stück Land zu besitzen. Kitty stand neben ihm über den Zaun gelehnt und bewunderte die Leistung, die Yad El darstellte. Sie sah wunderbar aus. Ari hätte sie sehr gern in die Arme genommen, doch er tat und sagte nichts. Schweigend gingen beide am Zaun entlang, bis sie zu den Wirtschaftsgebäuden kamen, wo sie das Gackern der Hühner und das Schnattern einer Gans begrüßte. Er machte das Gatter auf. Die obere Angel war gebrochen.

»Das muß ausgebessert werden«, sagte er. »Alles mögliche muß hier bei uns ausgebessert werden. Ich bin dauernd unterwegs, und Jordana ist auch nicht zu Hause. Mein Vater muß so oft verreisen, um an Konferenzen teilzunehmen. Ich fürchte, das Anwesen der Familie Ben Kanaan ist eine Sache geworden, um die sich die Gemeinschaft wird kümmern müssen. Aber eines Tages werden wir alle wieder zu Hause sein, und dann sollen Sie etwas kennenlernen, etwas, das sich wirklich sehen lassen kann.«

Sie gingen an der Scheune, dem Hühnerhaus und dem Geräteschuppen vorbei bis an den Rand der Felder. Ari zeigte mit der Hand auf die Berge in der Nähe der libanesischen Grenze. »Von hier aus können Sie Gan Dafna sehen«, sagte er.

»Die weißen Häuser da?«

»Nein, das ist Abu Yesha, ein Araberdorf. Gan Dafna liegt rechts davon, ein Stück höher, auf dem Plateau mit den Bäumen.«

»Ja, jetzt sehe ich es. Mein Gott, das liegt ja wirklich in den Wolken. Und was ist das für ein Gebäude, das dahinter auf dem Gipfel des Berges liegt?«

»Das ist Fort Esther, eine britische Grenzbefestigung. Aber kommen Sie, ich muß Ihnen noch etwas zeigen.«

Sie gingen in der sinkenden Dämmerung durch die Felder. Die untergehende Sonne ließ die Hänge der Berge in seltsamen Farben erglühen. Am Ende der Felder kamen sie zu einer Waldung und zu einem Fluß, dessen Wasser dem Hule-See zuströmten.

»Von diesem Fluß singen eure Farbigen in Amerika sehr schöne Spirituals.«

»Ist das der Jordan?«

»Ja.«

Ari kam dicht an Kitty heran, und beide sahen sich ernst und feierlich an. »Gefällt es Ihnen?« fragte Ari. »Und mögen Sie meine Eltern?«

Kitty nickte wortlos. Sie wartete darauf, daß Ari sie in seine Arme nahm. Seine Hände berührten ihre Schultern.

»Ari! Ari! Ari!« rief jemand laut in ihrer Nähe. Ari ließ Kitty los und drehte sich um. Ein Reiter kam im Galopp auf sie zu, direkt aus der untergehenden roten Sonne.

»Jordana!« rief Ari.

Sie zügelte das schäumende Pferd, warf beide Arme hoch, stieß einen Freudenschrei aus, sprang ab und warf sich mit solchem Schwung auf Ari, daß beide zu Boden stürzten. Jordana bedeckte Aris Gesicht mit Küssen.

»Hör auf!« rief er abwehrend.

»Ari! Ich küss' dich tot!«

Jordana kitzelte ihn, und beide rollten wie Ringkämpfer am Boden herum. Schließlich mußte Ari sie auf den Rücken legen und festhalten. Kitty betrachtete fröhlich das Schauspiel der Geschwister. Doch dann bemerkte Jordana plötzlich, daß jemand zusah, und ihre Miene wurde ernst. Ari, der Kitty in der Freude fast vergessen hatte, lächelte verlegen, gab Jordana die Hand und half ihr auf die Beine. »Meine überspannte Schwester. Ich vermute, sie hat mich mit David ben Ami verwechselt.«

»Guten Tag, Jordana«, sagte Kitty. »Mir ist, als kenne ich Sie schon; so viel hat mir David von Ihnen erzählt.«

»Und Sie sind Katherine Fremont. Ich habe von Ihnen auch schon gehört.«

Die beiden gaben sich die Hand, doch die Begrüßung war kühl, und Kitty wußte nicht was sie davon halten sollte. Jordana wandte sich rasch ab, nahm ihr Pferd beim Zügel und führte es zum Haus, während Ari und Kitty hinterherkamen.

Jordana sah über die Schulter zurück und fragte Ari: »Weißt du was von David?«

»Er ist für ein paar Tage in Jerusalem. Er bat mich, dir auszurichten, daß er dich heute abend anrufen würde. Er wird gegen Ende der Woche herkommen, falls du es nicht vorziehst, ihn in Jerusalem zu treffen.«

»Ich kann nicht fort, jetzt, da diese Neuen nach Gan Dafna gekommen sind.«

»Ja«, sagte Ari und blinzelte Kitty dabei zu, »da fällt mir eben ein — ich war in Tel Aviv bei Avidan. Er sagte da irgendwas — was war es eigentlich noch —, richtig, daß David nach Ejn Or zur Brigade Galiläa versetzt werden sollte.«

Jordana drehte sich um. Ihre blauen Augen wurden groß, und sie war einen Augenblick lang unfähig, etwas zu sagen. »Ari, ist das wirklich wahr? Oder machst du dich über mich lustig?«

Ari zog die Schultern hoch und sagte nur: »Dumme Gans.«

»Du Scheusal! Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«

»Ich wußte nicht, daß es so wichtig war.«

Jordana war drauf und dran, sich erneut auf Ari zu stürzen und wieder einen Ringkampf mit ihm anzufangen; doch Kittys Anwesenheit hielt sie offensichtlich zurück. »Ich bin glücklich«, sagte sie.

Kitty wurde abermals genötigt, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, und sie tat ihr Bestes, weil eine Ablehnung einem internationalen Zwischenfall gleichgekommen wäre. Als das Abendessen beendet war, belud Sara alle Tische mit Speisen zur Bewirtung der Gäste, die man erwartete.

An diesem Abend kamen fast alle Leute von Yad El in das Heim der Familie Ben Kanaan, um Ari zu begrüßen und um ihre Neugier auf die Amerikanerin zu befriedigen. Die Besucher, die hebräisch flüsternd aufgeregte Vermutungen anstellten, waren rauhe, aber herzliche Leute. Sie gaben sich alle erdenkliche Mühe, Kitty als Ehrengast zu behandeln. Ari hielt sich den ganzen Abend über in ihrer Nähe auf, um sie gegen einen Schwall von Fragen in Schutz zu nehmen, aber er mußte staunend feststellen, wie leicht Kitty mit den Neugierigen, die sie bedrängten, fertigzuwerden verstand.

Im Verlauf des Abends wurde die kühle Ablehnung, die Jordana gegenüber Kitty vom ersten Augenblick an gezeigt hatte, immer deutlicher. Kitty konnte Jordanas feindlicher Miene geradezu ablesen, daß sie dachte: Was bist du für eine Frau, die du meinen Bruder haben willst?

Genau das war es auch, was Jordana bat Kanaan dachte, während sie Kitty beobachtete, die eine vollendete Vorstellung gab und die neugierigen Farmer von Yad El bezauberte. Sie fand, Kitty sah genauso aus wie all diese unnützen Luxuspuppen, die Frauen der englischen Offiziere, die ihre Zeit damit verbrachten, sich zum Tee zu treffen und zu schwatzen.

Es war schon sehr spät, als der letzte Gast gegangen war und Ari und Barak endlich allein miteinander reden konnten. Sie sprachen ausschließlich über ihre Farm. Obwohl Ari, Jordana und Barak so lange nicht dagewesen waren, stand alles gut, weil der Moschaw nach dem Rechten gesehen hatte.

Barak suchte in dem Gewirr von Gläsern, Schüsseln und Tellern nach einer Flasche, in der vielleicht noch ein Restchen Cognak übriggeblieben war, und schenkte sich und seinem Sohn ein Glas ein. Dann ließen sich beide behaglich nieder und streckten die Beine von sich.

»Also, wie steht es denn nun mit deiner Mrs. Fremont? Wir sind alle mächtig neugierig!«