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»Tut mir leid, aber da muß ich dich enttäuschen. Sie ist in Palästina wegen eines Mädchens, das mit der Exodus hergekommen ist. Soviel mir bekannt ist, möchte sie die Kleine später gern adoptieren. Wir beide sind gute Freunde.« »Und sonst nichts?«

»Nichts.«

»Sie gefällt mir, Ari. Sie gefällt mir sehr gut, aber sie ist keine von uns. Warst du in Tel Aviv bei Avidan?«

»Ja. Ich werde für die nächste Zeit höchstwahrscheinlich bei dem Palmach-Kommando in Ejn Or bleiben. Ich soll eine Schätzung über unsere militärische Stärke in den Siedlungen anstellen.«

»Das freut mich. Du bist so lange fortgewesen, daß es deiner Mutter guttun wird, dich eine Weile verwöhnen zu können.«

»Und was ist mit dir, Vater?«

Barak strich sich über seinen roten Bart. »Avidan hat mich gebeten, nach London zu fahren, um an den Konferenzen teilzunehmen.«

»Das hatte ich mir schon gedacht.«

»Es bleibt uns natürlich gar nichts anderes übrig, als auch weiterhin auf der Stelle zu treten und zu versuchen, einen politischen Sieg zu erringen. Auf eine militärische Auseinandersetzung können wir uns nicht einlassen. Also werde ich nach London fahren und dort meinen kleinen Beitrag leisten. Ich tue das sehr ungern, denn ich komme allmählich doch zu der Überzeugung, daß die Engländer uns eines schönen Tages endgültig verraten und verkaufen werden.«

Ari stand auf und ging unruhig im Raum hin und her. Es tat ihm beinahe leid, daß ihn Avidan nicht mit einem neuen Auftrag fortgeschickt hatte. Wenn er Tag und Nacht daran arbeitete, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, dann hatte er wenigstens keine Zeit, darüber nachzudenken, in welcher bedrohlichen Situation sich der Jischuw befand.

»Du solltest übrigens mal nach Abu Yesha gehen und mit Taha reden«, sagte Barak.

»Ich hatte mich schon gewundert, daß er heute abend nicht da war. Stimmt mit ihm irgend etwas nicht?«

»Nur das, was mit dem ganzen Lande nicht stimmt. Zwanzig Jahre lang haben wir mit den Leuten von Abu Yesha in Frieden gelebt. Kammal war viele Jahre lang mein Freund. Und jetzt — eine spürbare Kälte. Wir kennen die Leute alle beim Vornamen, wir sind bei ihnen ein- und ausgegangen, und sie haben unsere Schulen besucht. Wir haben gemeinsame Hochzeiten gefeiert. Ari, diese Menschen sind unsere Freunde. Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen ist — jedenfalls muß es geradegebogen werden.«

»Ich werde morgen mit ihm reden, wenn ich Mrs. Fremont nach Gan Dafna gebracht habe.«

Ari lehnte am Bücherschrank, in dessen Fächern die Werke der Klassiker in hebräischer, englischer, französischer, deutscher und russischer Sprache nebeneinander standen. Er strich mit dem Finger über die Buchrücken, zögerte einen Augenblick, drehte sich dann plötzlich um und sah Barak an. »Ich habe Akiba in Jerusalem getroffen.«

Barak zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Unwillkürlich öffnete er den Mund, aber er unterdrückte die Frage, wie es seinem Bruder gehe. »Hier in meinem Hause wollen wir diesen Namen nicht erwähnen«, sagte er leise.

»Er ist alt geworden, Vater. Er hat nicht mehr allzulange zu leben. Er bittet dich im Namen eures Vaters, du möchtest dich mit ihm versöhnen.«

»Ich will nichts davon hören!« rief Barak mit bebender Stimme. »Sind fünfzehn Jahre des Schweigens nicht lange genug?«

Barak erhob sich in seiner ganzen Größe und sah seinem Sohn in die Augen. »Er hat Zwietracht zwischen Juden und Juden gesät. Jetzt säen die Makkabäer Zwietracht zwischen den Leuten von Abu Yesha und uns. Möge ihm Gott verzeihen — doch ich kann ihm nicht verzeihen — niemals.«

»Bitte, hör mich an!«

»Gute Nacht, Ari.«

Am nächsten Morgen nahm Kitty Abschied von der Familie Ben Kanaan, und Ari fuhr mit ihr hinauf in die Berge nach Gan Dafna. In Abu Yesha hielt Ari einen Augenblick an, um Taha auszurichten, daß er ihn in ungefähr einer Stunde auf dem Rückweg besuchen werde.

Als sie von Abu Yesha aus weiter in die Berge fuhren, wurde Kitty immer ungeduldiger, Karen wiederzusehen. Gleichzeitig aber machte sie sich Sorgen, was in Gan Dafna geschehen werde. War Jordana nur eine eifersüchtige Schwester, oder war sie die typische Vertreterin einer Art von Menschen, die ihr infolge der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede feindlich gegenüberstand? Harriet Salzmann hatte sie gewarnt und ihr gesagt, daß sie ein Außenseiter war, der in Palästina nichts zu suchen habe. Alles schien dieses Außenseitertum zu unterstreichen. Der Gedanke an Jordana machte Kitty unruhig. Sie hatte sich bemüht, zu allen Leuten gleichmäßig freundlich zu sein; vielleicht aber zog sie innerlich doch eine Trennungslinie und machte daraus allzuwenig Hehl. Ich bin nun einmal so, wie ich bin, dachte Kitty, und dort, wo ich herkomme, wird jeder nach dem beurteilt, was er darstellt.

Sie fuhren durch die Einsamkeit der Berglandschaft, und Kitty fühlte sich allein und war verzagt.

»Werden wir uns gelegentlich sehen?« fragte sie.

»Von Zeit zu Zeit. Legen Sie denn Wert darauf?«

»Ja.«

»Dann werde ich versuchen, es einzurichten.«

Der Wagen bog um die letzte Kurve, und vor ihnen öffnete sich das Plateau von Gan Dafna. Dr. Liebermann, das Orchester des Jugenddorfes, die Angehörigen der Lagerleitung und des Lehrkörpers und die fünfzig Kinder von der Exodus waren in der Mitte der Grünfläche um die Statue von Dafna versammelt. Kitty Fremont wurde mit warmer und spontaner Herzlichkeit begrüßt, und ihre Befürchtungen waren im Augenblick verflogen. Karen lief auf sie zu, umarmte sie und überreichte ihr einen Strauß Winterrosen. Und dann war Kitty von »ihren« Exodus-Kindern umringt. Sie wandte den Kopf und sah Ari nach, bis der Wagen um die Biegung der Straße verschwunden war.

Als die Begrüßungszeremonie vorbei war, gingen Dr. Liebermann und Karen mit Kitty einen von Bäumen eingesäumten Weg entlang, an dem hübsche kleine Häuser mit zwei oder drei Räumen standen, in denen die Angehörigen des Stabes wohnten. Ungefähr in der Mitte des Weges blieben sie vor einem kleinen Haus mit weißen Wänden stehen, das in einem Meer von Blumen fast verschwand.

Karen rannte vor, machte die Tür auf und hielt den Atem an, als Kitty langsam hineinging. Das Wohn- und Schlafzimmer war einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. Die Vorhänge und die Decke über der Couch waren aus dickem Negev-Leinen, und überall standen Vasen mit frischgeschnittenen Blumen. Quer durch den Raum war ein Spruchband gespannt, das die Kinder von der Exodus gemacht hatten, mit der Aufschrift: SCHALOM KITTY.

Karen lief zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Man hatte eine wunderbare Aussicht auf die sechshundert Meter tiefer gelegene Talsohle. Das Haus enthielt einen großen Raum, ein kleines Studio, außerdem eine kleine Küche und ein Bad. Alles war wunderschön und mit viel Liebe hergerichtet. Kitty lächelte gerührt.

Dr. Liebermann schob Karen freundlich zur Tür hinaus und versicherte ihr beruhigend, daß sie Mrs. Fremont später noch sehen würde.

»Auf Wiedersehen, Kitty.« »Auf Wiedersehen, Liebes.«

»Nun«, fragte Dr. Liebermann, als sie allein waren, »wie gefällt es Ihnen?«

»Ich glaube, ich werde mich hier sehr wohl fühlen.«

Dr. Liebermann setzte sich auf den Rand der Couch. »Als Ihre Kinder von der Exodus hörten, daß Sie nach Gan Dafna kommen würden, haben sie Tag und Nacht gearbeitet. Sie haben das Haus frisch gestrichen, sie haben die Gardinen genäht, sie haben Blumen gepflanzt — sämtliche Blumen, die es in Gan Dafna gibt, befinden sich auf dem Rasen vor Ihrem Haus. Sie haben sich mächtig angestrengt. Die Kinder lieben Sie sehr.«

Kitty war sehr gerührt. »Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe.«

»Kinder haben ein sehr sicheres Gefühl dafür, wer es wirklich gut mit ihnen meint. Haben Sie Lust, sich jetzt Gan Dafna anzusehen?« »Ja, sehr gern.«

Zusammen mit Dr. Liebermann, der sie um Haupteslänge überragte, ging Kitty zu dem Verwaltungsgebäude zurück. Dr. Liebermann hielt im Gehen die Hände auf dem Rücken. Manchmal klopfte er seine Taschen auf der Suche nach einer Streichholzschachtel ab, um seine Pfeife anzuzünden.