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Die beiden Soldaten nickten stumm, als sie den irren Ausdruck in Caldwells Augen sahen.

Der Wagen verlangsamte seine Fahrt in der Nähe des Kaffeehauses.

Der Junge wurde auf die Straße hinausgeworfen, und der Wagen fuhr rasch weiter nach Jerusalem.

Es kam genau, wie Caldwell es vorausgesehen hatte. Innerhalb einer Stunde hatte man Ben Solomon umgebracht und verstümmelt. Er wurde enthauptet. Der abgeschlagene Kopf wurde an den Haaren in die Höhe gehalten und mit zwanzig Arabern fotografiert, die lachend dabeistanden. Das Bild wurde vervielfältigt und verbreitet, um den Juden warnend zu zeigen, was ihnen allen früher oder später drohte. Major Fred Caldwell hatte einen verhängnisvollen Fehler begangen. Einer der Araber, die in dem Kaffeehaus saßen und sahen, wie der Junge aus dem Wagen geworfen wurde, war ein Makkabäer.

General Sir Arnold Haven-Hurst war wütend. Unruhig ging er in seinem Dienstzimmer der Kommandantur in Jerusalem auf und ab, dann nahm er Cecil Bradshaws Brief, der auf seinem Schreibtisch lag, und las ihn noch einmal. »Die Situation hat ein solches Stadium erreicht, daß ich mich, falls von Ihnen nicht Vorschläge für eine sofortige Stabilisierung gemacht werden können, dazu gezwungen sehe, die Sache vor die UNO zu bringen.«

Vor die UNO, wahrhaftig! Der General brummte wütend, knüllte den Brief zusammen und warf ihn auf den Fußboden. Das also war der Dank, daß er fünf Jahre lang gegen die Juden angegangen war. Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges hatte er das Kriegsministerium davor gewarnt, Juden in die britische Armee aufzunehmen, aber nein, man hatte nicht auf ihn gehört. Und jetzt sollte vielleicht gar das Palästina-Mandat verlorengehen. Haven-Hurst begab sich an seinen Schreibtisch und begann eine Antwort auf den Brief von Bradshaw auszuarbeiten.

Ich schlage vor, unverzüglich folgende Maßnahmen zu ergreifen, durch welche meiner Meinung nach Ruhe und Ordnung in Palästina wiederhergestellt werden können:

1.    Aufhebung aller zivilen Gerichte und Übertragung der Strafgewalt an den militärischen Befehlshaber.

2.    Auflösung des Jischuw-Zentralrats, der Zionistischen Siedlungsgesellschaft und aller anderen jüdischen Agenturen.

3.    Verbot aller jüdischen Zeitungen und Publikationen.

4.    Rasche und unauffällige Liquidierung von zirka sechzig führenden Jischuw-Männern. Hadsch Amin el Husseini hat sich dieser Methode gegenüber seinen politischen Opponenten erfolgreich bedient. Dieser Teil des Programms könnte durch arabische Helfer ausgeführt werden.

5.    Restloser Einsatz der Arabischen Legion von Transjordanien.

6.    Verhaftung einiger hundert führender Jischuw-Angehöriger zweiter Ordnung, und anschließende rasche Verbannung dieser Leute in irgendwelche entfernten afrikanischen Kolonien.

7.    Bevollmächtigung des militärischen Befehlshabers, jede Siedlung, jeden Ort oder jeden Stadtteil, in dem Waffen vorgefunden werden, zu zerstören. Überprüfung der gesamten jüdischen Bevölkerung von Palästina, und sofortige Deportation aller dabei festgestellten illegalen Einwanderer.

8.    Für jede Terroraktion der Makkabäer wird der jüdischen Bevölkerung eine kollektive Geldbuße auferlegt; diese Geldbußen sind so hoch zu bemessen, daß die Juden veranlaßt werden, sich an der Ergreifung dieser verbrecherischen Elemente zu beteiligen.

9.    Aussetzung höherer Belohnungen für Informationen über prominente Makkabäer, Aliyah-Bet-Agenten, Hagana-Führer etc.

10.    Jeder Makkabäer, der ergriffen wird, ist auf der Stelle zu erhängen oder zu erschießen.

11.    Boykottmaßnahmen gegen den jüdischen Handel, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, und Blockierung des gesamten jüdischen Im- und Exports.

12.    Vernichtung des Palmach durch bewaffnete Angriffe auf jüdische Siedlungen, von denen bekannt ist, daß sie Palmach-Einheiten Unterschlupf gewähren.

Meine Truppen waren bisher gezwungen, unter den denkbar schwierigsten Bedingungen zu operieren. Wir mußten uns an die Regeln halten und darauf verzichten, unser Potential uneingeschränkt und auf die wirkungsvollste Weise einzusetzen. Die Makkabäer dagegen, die Hagana, der Palmach und Aliyah Bet halten sich an keinerlei Spielregeln. Sie halten unsere Zurückhaltung für Schwäche und machen sie sich zunutze. Wenn man mir erlaubt, meine Streitkräfte einzusetzen, versichere ich, daß die Ordnung in kurzer Zeit wiederhergestellt sein wird.

General Sir Arnold Haven-Hurst KBE, CB, DSO, MC Cecil Bradshaws Gesicht war bleich, als General Tevor-Browne in seinem Büro in Chatham-House anlangte.

»Nun, Bradshaw, Sie wollten wissen, was Haven-Hurst vorzuschlagen hat. Jetzt wissen Sie es.«

»Ist der Mann wahnsinnig geworden? Großer Gott, was er da vorschlägt, das hört sich ähnlich an wie Adolf Hitlers ,Endlösung'.« Bradshaw nahm Haven-Hursts »Zwölf Punkte« von seinem Schreibtisch und schüttelte den Kopf. »Wir haben weiß Gott den Wunsch, Palästina zu halten — aber morden, Ortschaften niederbrennen, Menschen erhängen und aushungern? Solche Vorschläge kann ich nicht befürworten. Und selbst, wenn ich es täte, so weiß ich nicht, ob es in der britischen Armee genügend Leute gibt, die bereit wären, sie auszuführen. Ich habe mich mein ganzes Leben lang für das Empire eingesetzt, Sir Clarence, und mehr als einmal mußten wir uns entschließen, harte Maßnahmen zu ergreifen. Doch glaube ich noch an Gott. Auf diese Weise werden wir Palästina nicht halten. Ich jedenfalls will damit nichts zu tun haben. Mag jemand anderer Haven-Hurst seine Zustimmung erteilen — ich nicht.«

Cecil Bradshaw nahm Haven-Hursts Vorschläge und knüllte sie zusammen. Er legte sie in seinen großen Aschenbecher, hielt ein Streichholz daran und sah zu, wie das Schriftstück verbrannte. »Wir haben gottlob den Mut, für unsere Sünden geradezustehen«, sagte er leise.

Die Frage des Palästina-Mandats wurde vor die UNO gebracht.

VII.

Gegen Ende des Frühjahrs 1947 verschwand Ari ben Kanaan, den Kitty auch schon vorher kaum gesehen hatte, völlig aus ihrem Leben. Sie sah und hörte nichts mehr von ihm. Sollte er Jordana Grüße für sie aufgetragen haben, so hatte Jordana diese Grüße jedenfalls nicht ausgerichtet. Die beiden Frauen sprachen kaum noch miteinander. Kitty bemühte sich, Jordana gegenüber höflich zu sein; doch Jordana machte selbst das schwierig.

Die Frage des Palästina-Mandats lag jetzt vor der UNO, die einen Ausweg aus der verfahrenen Situation finden sollte. Der umständliche Apparat der Vereinten Nationen setzte sich in Bewegung, einen Ausschuß aus Vertretern kleinerer neutraler Länder zu bilden, der den Fall untersuchen und der Vollversammlung Vorschläge unterbreiten sollte. Der Jischuw-Zentralrat und die Zionistische Weltorganisation waren damit einverstanden, daß sich die UNO mit der Sache befaßte. Die Araber dagegen versuchten durch Drohungen, Boykotte, Erpressungen und andere Druckmittel eine unparteiische Beurteilung des Palästina-Problems zu verhindern.

In Gan Dafna wurde die militärische Ausbildung der Gadna-Gruppe mit beschleunigtem Tempo durchgeführt. Das Jugenddorf wurde zu einem Schwerpunkt der geheimen Waffenlagerung. Gewehre wurden nach Gan Dafna gebracht, um hier von den Jugendlichen gereinigt und danach heimlich zu den Palmach-Einheiten in die Siedlungen des Hule-Gebietes gebracht zu werden. Immer wieder wurde Karen dazu abkommandiert, an diesem Waffenschmuggel teilzunehmen. Genau wie alle anderen unterzog sie sich dieser Aufgabe mit selbstverständlicher Bereitwilligkeit. Kitty war jedesmal nahe daran, Karen vor der Teilnahme an diesen gefährlichen Dingen zu warnen, doch sie sagte nichts. Sie wußte, daß es zwecklos gewesen wäre. Karen ließ auch in ihren Nachforschungen über den Verbleib ihres Vaters nicht nach, obwohl bisher alles erfolglos gewesen war. Die zuversichtliche Hoffnung, von der sie in La Ciotat erfüllt gewesen war, begann allmählich zu schwinden. Sie blieb in Verbindung mit den Hansens in Dänemark. Sie schrieb jede Woche einen Brief, und jede Woche kam ein Brief und oft auch ein Paket für sie aus Kopenhagen. Meta und Aage Hansen hatten alle Hoffnung aufgegeben, daß Karen jemals zu ihnen zurückkehren würde. Auch wenn Karen ihren Vater nicht finden sollte, war sie, wie ihre Briefe zeigten, für die Hansens verloren. Karen identifizierte sich immer ausschließlicher mit Palästina und dem Judentum. Die einzige Einschränkung dabei war Kitty Fremont.