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Sie setzten sich und sahen hinüber zu den funkelnden Lichtern von Tiberias. Kitty spürte Aris Nähe, sie wandte den Kopf und sah ihn an. Was für ein gutaussehender Mann Ari ben Kanaan war! Sie hatte plötzlich das Verlangen, den Arm um ihn zu legen, seine Wange zu berühren und ihm über das Haar zu streichen. Sie hatte den Wunsch, ihn zu bitten, sich nicht so zu überarbeiten. Sie hätte ihn gern gebeten, nicht länger so verschlossen ihr gegenüber zu sein. Sie hatte den Wunsch, ihm zu sagen, wie ihr zumute war, wenn er in ihrer Nähe war, und sie hätte ihn gern gebeten, nicht so fremd zu sein, sondern zu suchen, ob es für sie beide nicht etwas Gemeinsames gab. Aber Ari ben Kanaan war eben doch ein Fremder, und sie würde niemals wagen, ihm zu sagen, was sie für ihn empfand.

Der See Genezareth bewegte sich sacht und rauschte gegen das Ufer. Ein plötzlicher Wind ließ das Schilf schwanken. Kitty Fremont wandte den Blick von Ari und sah beiseite.

Ein Zittern lief durch ihren Körper, als sie fühlte, wie seine Hand ihre Schulter berührte. »Ihnen wird kalt«, sagte Ari und reichte ihr die Stola. Kitty legte sie um die Schultern. Lange sahen sie sich schweigend an.

Plötzlich stand Ari auf. »Mir scheint, die Barkasse kommt zurück«, sagte er. »Wir müssen gehen.«

Als die Barkasse vom Ufer ablegte, verwandelte sich der See Genezareth plötzlich, wie Ari es vorausgesagt hatte, in ein wogendes Meer. Der Schaum brach über den Bug herein und sprühte über das Deck. Ari legte den Arm um Kittys Schultern und zog sie an sich, um sie vor dem Sprühregen zu schützen. Während der ganzen Fahrt über den See stand Kitty mit geschlossenen Augen, den Kopf an seine Brust gelehnt, und hörte den Schlag seines Herzens.

Hand in Hand gingen sie vom Pier zum Hotel. Unter der Weide, die ihre Zweige wie einen riesigen Schirm ausbreitete und bis in das Wasser des Sees hängen ließ, blieb Kitty stehen. Sie versuchte, zu sprechen, doch ihre Stimme versagte, und sie bekam kein Wort heraus.

Ari strich ihr das nasse Haar aus der Stirn. Er ergriff sie sanft bei den Schultern, und die Muskeln seines Gesichts spannten sich, während er sie an sich zog. Kitty hob ihm ihr Gesicht entgegen. »Ari«, flüsterte sie, »küß mich, bitte.«

Alles, was monatelang geschwelt hatte, loderte bei dieser ersten Umarmung flammend auf. Sie küßten sich wieder und wieder, Kitty preßte sich an ihn und spürte die Kraft seiner Arme. Dann lösten sie sich voneinander und gingen schweigend nebeneinander her zum Hotel.

Vor der Tür zu ihrem Zimmer blieb Kitty stehen, befangen und verwirrt. Ari wollte zu seinem Zimmer weitergehen, doch sie ergriff seine Hand und zog ihn an sich. Einen Augenblick lang standen sie sich wortlos gegenüber. Dann nickte Kitty ihm zu, wandte sich ab, ging rasch in ihr Zimmer und schloß die Tür hinter sich.

Sie zog sich aus, ohne Licht zu machen, schlüpfte in ein Nachthemd und ging zu dem Balkon ihres Zimmers, von wo sie das Licht in Aris Zimmer sehen konnte. Sie konnte seine Schritte hören. Das Licht ging aus. Kitty wich in die Dunkelheit zurück. Im nächsten Augenblick sah sie ihn auf dem Balkon ihres Zimmers stehen.

Sie lief in seine Arme, drängte sich an ihn und hielt ihn umschlungen. Zitternd vor Sehnsucht. Seine Küsse bedeckten ihr Gesicht, ihren Mund, ihre Wangen und ihren Hals, und sie erwiderte Kuß um Kuß, mit einer Leidenschaft und Unersättlichkeit, wie sie noch nie einen Mann geküßt hatte. Ari hob sie hoch, trug sie in seinen Armen zum Bett, legte sie darauf nieder und kniete sich neben sie.

Kitty war auf einmal verzagt. Sie krampfte ihre Hände in das Laken und wand sich schluchzend unter seinen Liebkosungen. Dann entzog sie sich heftig und unvermittelt seinen Armen und erhob sich taumelnd. »Nein«, sagte sie, nach Luft schnappend.

Ari erstarrte.

Kitty schossen die Tränen in die Augen, sie drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand, um das Zittern zu überwinden und sank dann auf einen Stuhl. Es dauerte eine Weile, bis das Beben nachließ und ihr Atem ruhiger wurde. Ari stand vor ihr und sah sie wortlos an. »Sie müssen mich hassen«, sagte sie schließlich.

Ari sagte nichts. Sie blickte zu ihm hinauf und sah den verletzten Ausdruck seines Gesichts.

»Reden Sie, Ari, sagen Sie es. Sagen Sie irgend etwas.«

Er blieb stumm.

Kitty stand langsam auf und sah ihn an. »Ich will das nicht, Ari. Ich mag nicht, daß man mich einfach schwach macht und nimmt. Vermutlich lag es nur an dem Mondschein —.«

»Ich hatte wirklich nicht angenommen, daß ich einer widerspenstigen Jungfrau den Hof machte«, sagte er.

»Ari, bitte —.«

»Ich habe keine Zeit für Spiele und Koseworte. Ich bin ein erwachsener Mann, und Sie sind eine erwachsene Frau.«

»Wie gut Sie es zu formulieren verstehen.«

»Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mich jetzt entfernen«, sagte er kühl.

Kitty zuckte zusammen, als er die Tür mit einem Ruck geschlossen hatte. Lange stand sie an der Balkontür und sah auf das Wasser hinaus. Der See war böse, und der Mond verschwand hinter einer dunklen Wolke.

Kitty war wie betäubt. Warum war sie vor ihm geflohen? Noch nie hatte sie für einen Mann ein so starkes Gefühl gehabt, und noch nie hatte sie wie hier die Herrschaft über sich selbst so völlig verloren. Sie war überzeugt, daß Ari ben Kanaan kein ernstliches, tiefes Verlangen nach ihr hatte. Für eine Nacht, ja, aber sonst brauchte er sie nicht, und noch nie hatte ein Mann sie so behandelt wie er.

Doch dann wurde ihr klar, daß es gerade ihr starkes Gefühl für ihn war, wovor sie geflohen war, diese Sehnsucht nach Ari, die imstande war, sie dazu zu bringen, in Palästina zu bleiben. Sie durfte es nie wieder so weit kommen lassen. Sie war entschlossen, mit Karen nach Amerika zurückzukehren, und nichts sollte sie daran hindern! Sie war sich klar darüber, daß sie vor Ari Angst hatte; denn Ari konnte ihr gefährlich werden. Falls er nur die geringsten Anzeichen dafür erkennen ließ, daß er sie wirklich liebte, dann würde sie kaum die Kraft haben — doch der Gedanke an seine Kälte und Härte bestärkte sie in ihrem Entschluß, fest zu bleiben, gab ihr die Sicherheit wieder und machte sie, seltsamerweise, gleichzeitig traurig.

Sie warf sich auf ihr Bett und fiel in einen Schlaf der Erschöpfung, während der Wind, der über das Wasser herankam, an ihrem Fenster rüttelte.

Am nächsten Morgen war es windstill, und der See war wieder glatt. Kitty schlug die Decke zurück, sprang aus dem Bett, und ihr fiel alles wieder ein. Sie errötete. Was geschehen war, erschien ihr jetzt nicht mehr so schrecklich, doch sie war beschämt. Sie hatte eine Szene gemacht, und zweifellos hatte Ari das Ganze reichlich dramatisch und zugleich kindisch gefunden. Es war alles ihre Schuld gewesen; sie wollte es wiedergutmachen, indem sie sich mit ihm in aller Ruhe und mit aller Klarheit auseinandersetzte.

Sie zog sich rasch an und ging in den Frühstücksraum hinunter, um auf Ari zu warten. Sie überlegte sich die Worte, mit denen sie ihn um Entschuldigung bitten wollte.

So saß sie eine halbe Stunde, trank ihren Kaffee und wartete. Ari kam nicht. Sie drückte die dritte Zigarette im Aschenbecher aus und ging durch die Halle zum Empfang.

»Haben Sie Mr. Ben Kanaan heute früh gesehen?« fragte sie den Portier.

»Mr. Ben Kanaan ist um sechs Uhr weggefahren.«

»Hat er gesagt, wohin?«

»Mr. Ben Kanaan sagt nie, wohin er fährt.«

»Vielleicht hat er irgendeine Nachricht für mich hinterlassen?«

Der Portier drehte sich um und zeigte auf das leere Schlüsselfach. »Ich sehe schon—ja, also — besten Dank.«

XI.

Dov Landau fand ein Zimmer in einem viertklassigen Hotel in der Jerusalemer Altstadt. Wie man ihm geraten hatte, begab er sich in das auf der Nablus-Straße gelegene Saladin-Café und hinterließ dort seinen Namen und seine Hoteladresse zur Weiterleitung an Bar Israel.