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Der Untersuchungsausschuß der UNO war in Kürze zu erwarten. Haven-Hurst beschloß, den Jischuw kleinzukriegen, bevor die internationale Delegation eintraf. Der General besaß eine Liste von Offizieren und Angehörigen des Mannschaftsstandes, die wegen ihrer ausgesprochen antisemitischen Aktivität bekannt waren. Er überprüfte die Liste persönlich und wählte sechs der übelsten Burschen aus: zwei Offiziere und vier aktive Unteroffiziere. Die sechs mußten sich in seiner in der Schneller-Kaserne gelegenen Dienstwohnung melden, wurden zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet und mit einer Sonderaktion betraut. Fünf Tage lang wurde die Sache geplant. Am sechsten Tag startete Haven-Hurst das Unternehmen, durch das er die Situation mit einem letzten, verzweifelten Schlag retten wollte.

Die sechs Leute wurden als Araber getarnt. Zwei von ihnen fuhren mit einem Lastwagen, der zwei Tonnen Dynamit geladen hatte, die King-George-Avenue entlang und auf das Gebäude der Zionistischen Siedlungsgesellschaft zu. Unmittelbar vor der Auffahrt, die zu dem Haupteingang führte, hielt der Wagen an. Der als Araber verkleidete Fahrer stellte das Steuerrad fest, schaltete den Gang ein und stellte den Gashebel auf Vollgas. Die beiden Männer sprangen von dem rasenden Wagen und verschwanden.

Der Wagen brauste über die Straße, fuhr durch das offene Tor und die Auffahrt entlang. Dabei kam er seitlich aus der Fahrtrichtung, kippte über den Rand der Auffahrt und stieß unmittelbar neben dem Haupteingang gegen die Mauer. Die zwei Tonnen Dynamit detonierten donnernd, und das Gebäude der Zionistischen Siedlungsgesellschaft existierte nicht mehr.

Gleichzeitig versuchten zwei andere Männer mit einem anderen Lastwagen, der gleichfalls Dynamit geladen hatte, das gleiche Manöver zwei Querstraßen weiter bei dem Gebäude des Jischuw-Zentralrats. Der Zentralrat hielt gerade eine Versammlung ab. In dem Gebäude befanden sich fast alle führenden Männer und Frauen des Jischuw.

Der Lastwagen, der auf dieses zweite Gebäude losfuhr, mußte im letzten Augenblick die Bordschwelle eines Bürgersteigs nehmen. Als er gegen die Kante stieß, wurde er so weit aus seiner Richtung gebracht, daß er das Gebäude des Zentralrats verfehlte und ein daneben liegendes Wohnhaus in die Luft jagte.

Die vier Attentäter flohen in zwei Wagen, die von den anderen zwei Männern des Teams gefahren wurden. Sie brausten eilig davon und begaben sich in Sicherheit.

Im Gebäude der Zionistischen Siedlungsgesellschaft fanden hundert Menschen den Tod. Von den Angehörigen des Jischuw-Zentralrats war niemand ums Leben gekommen. Unter den Todesopfern befand sich Harriet Salzmann, die achtzigjährige Leiterin des Jugend-Aliyah.

Unmittelbar nach den beiden Explosionen machten sich die Geheimdienste der Hagana und der Makkabäer an die Arbeit, die Täter zu ermitteln. Bis zum Abend desselben Tages hatten beide Organisationen festgestellt, daß es sich bei den »Arabern« um englische Soldaten gehandelt hatte. Sie waren außerdem in der Lage, die Urheberschaft der Aktion bis zu Arnold Haven-Hurst zurückzuverfolgen, wenn sie hierfür auch keine schlüssigen Beweise hatten.

Haven-Hursts verzweifelter Versuch, die führenden Köpfe des Jischuw mit einem Schlag aus dem Weg zu räumen, hatte den gegenteiligen Erfolg. Unter den Juden von Palästina entstand durch diese Aktion eine Einigkeit, wie es sie bisher noch nie gegeben hatte, und die beiden bisher getrennten Streitkräfte, die Hagana und die Makkabäer, wurden gezwungen, sich zu einigen. Die Hagana war in den Besitz einer Abschrift des »Zwölf-Punkte-Programms« Haven-Hursts gekommen.

Wem es bis dahin noch nicht klar gewesen sein sollte, dem hatte jetzt die geglückte Zerstörung der Zionistischen Siedlungsgesellschaft und der mißglückte Versuch, das Gebäude des Zentralrats in die Luft zu sprengen, klar und eindeutig gezeigt, daß Haven-Hurst die Absicht hatte, die Juden in Palästina zu vernichten. Avidan schickte Seew Gilboa nach Jerusalem mit dem Auftrag, Bar Israel aufzusuchen und eine Zusammenkunft mit den Führern der Makkabäer zu verabreden.

Die Zusammenkunft fand um ein Uhr nachts auf offenem Felde statt, an der Stelle, an der sich einstmals das Lager der zehnten römischen Legion befunden hatte. Vier Männer waren dabei anwesend: von den Makkabäern Akiba und Ben Mosche, von der Hagana Avidan, und Seew Gilboa für den Palmach. Zwischen den beiden Parteien wurden weder Händedrücke noch freundliche Worte gewechselt. Voller Mißtrauen standen sie sich in der Dunkelheit gegenüber. Die Nachtluft war kalt, obwohl es auf den Sommer zuging.

»Ich habe um diese Zusammenkunft gebeten«, sagte Avidan, »um zu prüfen, ob es irgendeine Grundlage für eine engere Zusammenarbeit zwischen uns gibt.«

»Ach, Sie möchten wohl gern, daß wir uns Ihrer Befehlsgewalt unterstellen?« fragte Ben Mosche mißtrauisch.

»Ich habe es längst aufgegeben, Einfluß auf die Handlungen der Makkabäer ausüben zu wollen«, sagte Avidan. »Ich bin nur der Meinung, daß es die gegenwärtige Situation erfordert, alle Kräfte zu einer höchsten Anstrengung zu konzentrieren. Ihr verfügt über starke Kräfte in den drei Städten und seid in der Lage, beweglicher zu operieren, als wir das können.«

»Das also ist der wahre Grund«, sagte Akiba bissig. »Ihr möchtet, daß wir für euch die Kastanien aus dem Feuer holen.«

»Laß ihn ausreden, Akiba«, sagte Ben Mosche.

»Mir gefällt die ganze Sache nicht. Ich war von Anfang an gegen diese Zusammenkunft, Ben Mosche. Diese Leute haben uns bisher verraten und verkauft und werden es auch weiter tun.«

Avidans Gesicht lief bei diesen Worten des alten Mannes dunkel an. »Ich habe mich entschlossen«, sagte er, »mir heute nacht deine Beleidigungen anzuhören, Akiba, weil im Augenblick zuviel auf dem Spiele steht. Ich verlasse mich darauf, daß du trotz aller Differenzen, die zwischen uns bestehen, Jude bist und dein Land liebst.«

Er überreichte Akiba einen Durchschlag der »Zwölf Punkte« Haven-Hursts.

Akiba gab das Dokument Ben Mosche, der den Schein seiner Taschenlampe darauf richtete.

»Vor vierzehn Jahren schon habe ich gesagt, die Engländer seien unsere Feinde. Du wolltest es mir damals nicht glauben«, sagte Akiba leise.

»Ich bin nicht hergekommen, um über Politik zu streiten. Wollt ihr mit uns zusammenarbeiten, ja oder nein?« fragte Avidan.

»Wir wollen es versuchen«, sagte Ben Mosche.

Nach dieser Zusammenkunft machten sich Gruppen von Verbindungsleuten an die Arbeit, den Plan für eine gemeinsame Aktion von Hagana und Makkabäern auszuarbeiten. Zwei Wochen später bekamen die Engländer die Antwort auf ihre Sprengstoffanschläge. In einer einzigen Nacht zerstörte die Hagana sämtliche Gleisanlagen und legte jeden Zugverkehr nach oder aus Palästina lahm. In der nächsten Woche brachen die Makkabäer in die Gebäude von sechs englischen Botschaften und Konsulaten in den Mittelmeerländern ein und zerstörten Aktenmaterial, das der Bekämpfung der illegalen Einwanderung nach Palästina diente. Gleichzeitig unterbrach der Palmach an fünfzehn Stellen die Ölleitung vom Mossul-Gebiet nach Haifa.

Dann machten sich die Makkabäer daran, den Plan für die letzte und entscheidende Aktion auszuarbeiten: ein Attentat auf General Sir Arnold Haven-Hurst. Angehörige der Makkabäer bewachten Tag und Nacht die Schneller-Kasernen. Sie registrierten alles, was hineinging und herauskam, führten Buch über den Zeitpunkt der Ankunft und Abfahrt aller PKW und Lastwagen und stellten einen bis in alle Einzelheiten gehenden Grundriß des gesamten Gebäudekomplexes her.

Nach vier Tagen sah es so aus, als sei einfach nichts zu machen. Haven-Hurst saß in der Mitte einer Festung, von Tausenden von Soldaten umgeben. Niemand, der nicht zum britischen Personal gehörte, durfte auch nur in die Nähe seiner Büroräume und seiner Dienstwohnung. Wenn Haven-Hurst diese Festung verließ, dann geschah es heimlich und unter schwerer Bewachung. Die Makkabäer würden hundert Leute verlieren, wenn sie diesen Geleitschutz angriffen.