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Akiba, dessen Verwundung noch nicht wieder ganz ausgeheilt war, wurde in die Vereinigten Staaten geschickt, um dort durch Vorträge für die Sache der jüdischen Heimstätte in Palästina zu werben. Seine Reise stand unter dem Protektorat der amerikanischen Zionisten, deren Führer Bundesrichter Brandeis vom Supreme Court war.

Als man entdeckte, daß Barak ben Kanaan als einfacher Soldat bei den Royal Füsiliers war, wurde er sofort angefordert. Chaim Weizmann, der Sprecher der zionistischen Weltorganisation, war der Meinung, daß es für einen Mann wie Barak Wichtigeres zu tun gab, als ein Gewehr zu tragen.

Gerade zu der Zeit, als Barak Mitglied des Zionistischen Zentralbüros wurde, kam die Kunde von neuen Niederlagen der Engländer im Nahen Osten. General Maude hatte einen Angriff auf die östliche Flanke des ottomanischen Reiches unternommen. Er hatte Mesopotamien als Absprungbasis benutzt, um von Norden her nach Palästina durchzustoßen. Seine Truppen drangen mit Leichtigkeit vor, solange der Gegner aus arabischen Truppen bestand. Dann aber, bei Kut al Imara, stießen die Engländer auf eine türkische Division, und ihre Streitkräfte wurden aufgerieben. Den Engländern stieg das Wasser an den Hals. Die Ottomanen standen am Rande des Suez-Kanals, und die Deutschen hatten die erste russische Welle abgewehrt. Britische Versuche, einen arabischen Aufstand auf die Beine zu bringen, waren fehlgeschlagen. Weizmann und die Zionisten hielten den Augenblick für gekommen, um für die Sache der jüdischen Heimstätte einen Pluspunkt einzuheimsen. England brauchte dringend Sympathie und Hilfe. In Deutschland wie auch in Österreich kämpften die Juden für ihr Vaterland. Um die Unterstützung der Juden in den übrigen Teilen der Welt, insbesondere in Amerika, zu erreichen, brauchte man einen sichtbaren und eindrucksvollen Erfolg.

Nach Abschluß der Verhandlungen zwischen den Zionisten und den Engländern schrieb Lord Balfour, der britische Außenminister, einen Brief an Lord Rothschild, in dem es hieß:

Die Regierung Seiner Majestät betrachtet die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen, und sie wird sich nach besten Kräften bemühen, die Erreichung dieses Zieles zu fördern.

So entstand die Balfour-Deklaration, die Magna Charta des jüdischen Volkes.

XI.

Kemal Paschas Polizei fand Sara ben Kanaan zwei Wochen vor der Geburt ihres Kindes im Kibbuz Schoschana. Bis dahin hatten Ruth und die anderen Angehörigen des Kibbuz sie sorgsam gepflegt und alles getan, daß sie Ruhe hatte und sich wohlfühlte.

Die türkische Polizei war nicht ganz so rücksichtsvoll. Sara wurde mitten in der Nacht aus ihrer Wohnung geholt, in ein geschlossenes Polizeiauto verfrachtet und über eine holprige, schlammige Landstraße zu dem schwarzen Basaltgebäude der Polizeistation von Liberias gefahren.

Dort wurde sie vierundzwanzig Stunden lang pausenlos verhört. Wo ist ihr Mann? Auf welche Weise ist er geflohen? Welche Nachrichtenverbindung haben Sie mit ihm? Es ist uns bekannt, daß Sie Nachrichten aus dem Land schmuggeln. Sie treiben Spionage für die Engländer. Versuchen Sie es nicht zu leugnen. Da, diese Dokumente stammen aus der Feder Ihres Mannes; darin vertritt er die Interessen der Engländer. Welches sind Ihre britischen Verbindungsleute in Palästina?

Sara ließ sich nicht einschüchtern und gab auf alle Fragen klare und sachliche Antworten. Sie gab zu, daß Barak seiner englandfreundlichen Einstellung wegen geflohen sei, denn das war kein Geheimnis. Dagegen blieb sie dabei, daß sie ihm einzig und allein nicht gefolgt sei, um ihr Kind zur Welt bringen zu können. Alle anderen Anschuldigungen wies sie zurück. Am Ende dieser vierundzwanzig Stunden war Sara ben Kanaan von allen in dem Büro des Inspektors anwesenden Personen die ruhigste.

Man ging dazu über, ihr zu drohen, doch Sara blieb weiterhin ruhig und sachlich. Schließlich schleppte man sie in einen finsteren Raum, mit dicken steinernen Wänden und ohne Fenster. Über einem Holztisch brannte eine schwache Birne. Sara wurde auf den Rücken gelegt und von fünf Polizisten festgehalten. Man zog ihr die Schuhe aus und peitschte ihr mit dicken Ruten die Fußsohlen. Dabei wiederholte man alle Fragen. Ihre Antworten waren die gleichen.

Sie sind eine Spionin! Auf welchem Wege lassen Sie Barak ben Kanaan Nachrichten zukommen? Reden Sie endlich! Sie stehen in Verbindung mit anderen britischen Agenten. Wer sind Ihre Komplicen?

Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Sara gab überhaupt keine Antwort mehr. Sie biß die Zähne zusammen. Der Schweiß brach ihr aus. Ihre Standhaftigkeit steigerte die Wut der Türken. Ihre Sohlen platzten unter den Schlägen, und das Blut spritzte heraus.

»Jüdin! Spionin!« schrien die Polizisten. »Reden Sie endlich! Gestehen Sie!«

Sara zitterte und wand sich vor Schmerz. Dann wurde sie ohnmächtig.

Man schüttete ihr einen Eimer kalten Wassers über das Gesicht. Die Schläge und Fragen begannen von neuem. Sie wurde ein zweitesmal ohnmächtig, und man brachte sie ein zweitesmal wieder zu sich. Jetzt zog man ihr die Arme auseinander und legte heiße Steine in ihre Achselhöhlen.

»Reden Sie! Reden Sie!«

Drei Tage und drei Nächte lang folterten die Türken Sara ben Kanaan. Dann ließ man sie frei, aus Achtung vor ihrem Mut.

Die Türken hatten noch nie erlebt, daß jemand Schmerzen mit solcher Würde ertragen hatte. Ruth, die im Vorraum der PolizeiStation gewartet hatte, brachte Sara auf einem Eselskarren nach Schoschana zurück.

Als die ersten Wehen kamen, schrie Sara vor Schmerz zum erstenmal auf. Sie holte alle Schreie nach, die ihr die Türken nicht hatten entlocken können. Ihr zerschlagener Körper rebellierte mit heftigen Zuckungen.

Ihre Schreie wurden leiser und schwächer. Niemand glaubte, daß sie die Geburt überleben würde. Doch Sara ben Kanaan gebar einen Sohn und blieb am Leben.

Wochenlang schwebte sie in Todesgefahr. Ruth und die Siedler von Schoschana umgaben sie mit aller nur denkbaren Sorge und Liebe. Die ungewöhnliche Zähigkeit, die die kleine dunkeläugige Oberschlesierin während der Folterung durch die Türken und der Geburtswehen am Leben erhalten hatte, verließ sie auch jetzt nicht. Ihr Wunsch und Wille, Barak wiederzusehen, waren stärker als der Tod.

Sie brauchte über ein Jahr, um wieder zu Kräften zu kommen. Ihre Genesung ging langsam und schmerzvoll vor sich. Es dauerte Monate, bis sie aufstehen und auf ihren zerschlagenen Füßen laufen konnte. Sie hinkte.

Das Kind war kräftig und gesund. Alle Leute sagten, daß der Kleine zu einem zweiten Barak heranwachsen werde, denn er war schon jetzt groß und kräftig. Aber er hatte dunkle Haare und den bräunlichen Teint der Mutter. Das Schlimmste schien überstanden, und Sara und Ruth warteten auf die Heimkehr ihrer Männer.

Im Frühjahr 1917 trieben die Engländer von Ägypten aus die Türken über die Halbinsel Sinai bis an die Grenze von Palästina zurück. Bei Gaza wurden sie aufgehalten. Jetzt aber übernahm General Allenby das Oberkommando, und unter seiner Führung gingen die Engländer erneut zum Angriff vor. Bis zum Ende des Jahres 1917 waren sie nach Palästina vorgestoßen und hatten Ber Scheba erobert. Allenby nutzte den Sieg und trug den Angriff gegen die historischen Zinnen von Gaza weiter vor. Auch Gaza wurde im Sturm genommen. Die Engländer marschierten an der Küste entlang und eroberten Jaffa.

Gleichzeitig mit Allenbys siegreichem Feldzug setzte der längst überfällige, immer wieder angekündigte, teuer bezahlte und in seiner Wirkung wesentlich überschätzte Aufstand der Araber ein. Faisal, der Sohn des Scherifs von Mekka, führte ein paar Araberstämme aus der Wüste heran, als die Niederlage der Türken bereits praktisch entschieden war. In dem Augenblick, da es mit den Ottomanen zu Ende ging, strichen die Araber die Flagge ihrer Neutralität, um bei der Verteilung der Beute dabeisein zu können. Faisals »Rebellen« machten allerhand Lärm, beteiligten sich aber niemals an irgendeiner größeren oder kleineren Schlacht.