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So plötzlich, wie dieser seltsame Mann in Yad El erschienen war, war er auch wieder verschwunden. P. P. Malcolm hinkte zum Tor hinaus, laut einen Psalm singend. Barak ben Kanaan sah ihm nach, strich sich über seinen Bart und schüttelte den Kopf.

Etwas später rief er Avidan an. Sie sprachen Jiddisch miteinander, für den Fall, daß die Leitung angezapft war.

»Wer ist dieser Mann?« fragte Barak. »Er kam herein wie der Messias und fing an, mir eine Predigt über den Zionismus zu halten.«

»Wir haben Berichte über ihn bei uns vorliegen«, sagte Avidan. »Ich muß Ihnen gestehen, der Mann ist so sonderbar, daß wir nicht wissen, was wir von ihm halten sollen.«

»Ist er vertrauenswürdig?«

»Wir wissen es nicht.«

Major P. P. Malcolm verbrachte jetzt seine ganze freie Zeit mit Juden. Er äußerte unumwunden, die englischen Offiziere seien dumm und langweilig. Innerhalb weniger Monate war er bei allen Angehörigen des Jischuw eine bekannte Figur. Obgleich er in den höchsten Kreisen verkehrte, behandelten ihn die führenden Männer meist wie einen harmlosen Exzentriker. Man fand ihn sehr nett und nannte ihn »unseren verrückten Engländer«.

Doch es stellte sich bald heraus, daß P. P. Malcolm keineswegs verrückt war. Bei Diskussionen im kleinen Kreis entfaltete er eine unerhörte Überredungsgabe. Mitglieder des Zentralrates, die bei ihm gewesen waren, gingen nach Haus und waren überzeugt, daß Malcolm sie verhext habe.

Nachdem Malcolm fast sechs Monate lang mit irgendwelchen Ausreden hingehalten worden war, erschien er eines Tages unangemeldet in Ben Gurions Büro im Gebäude des Jischuw-Zentralrats in Jerusalem.

»Hören Sie mal, Ben Gurion«, sagte er bissig, »Sie sind ein verdammter Idiot. Sie verschwenden Ihre ganze Zeit damit, sich mit Ihren Feinden zu unterhalten, und für einen Freund haben Sie keine fünf Minuten übrig.«

Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging wieder hinaus.

Dann ließ sich Malcolm bei General Charles melden, dem Kommandeur der britischen Streitkräfte in Palästina. Er trug dem General seine Ansichten vor und versuchte ihn dafür zu gewinnen.

Er wollte einige seiner Theorien über die Kriegführung gegen die Araber unter Verwendung jüdischer Truppen erproben. General Charles war, wie die meisten Offiziere seines Stabes, proarabisch eingestellt; doch die Rebellion des Mufti fing allmählich an, zu einer Blamage für ihn zu werden. Die Engländer hatten gegenüber den Arabern so kläglich versagt, daß der General beschloß, Malcolm freie Hand zu lassen.

Malcolm kreuzte mit seinem Klapperkasten in Hamischmar auf. Posten der Wache nahmen ihn in Empfang und führten ihn den Hang hinauf zu Ari. Der stämmige Anführer der Hagana musterte verwundert den dürren Engländer, der da plötzlich vor ihm stand. Malcolm klopfte ihm auf die Schulter.

»Sie scheinen ein ordentlicher Junge zu sein«, sagte er. »Hören Sie auf meine Worte, befolgen Sie meine Befehle, geben Sie auf meine Handlungen acht, und ich mache aus Ihnen einen erstklassigen Soldaten. So, und jetzt zeigen Sie mir mal Ihr Lager und Ihre Stellungen.«

Ari war völlig verblüfft. Auf Grund eines gegenseitigen Abkommens hatten sich die Engländer bisher in Hamischmar nicht sehen lassen und Aris Patrouillen nicht zur Kenntnis genommen. Dennoch war es natürlich ihr gutes Recht, Hamischmar zu inspizieren, Major Malcolm nahm Aris Mißtrauen und seinen offensichtlichen Versuch, ihm nur einen Teil der Stellungen zu zeigen, überhaupt nicht zur Kenntnis.

»Wo ist Ihr Zelt, mein Sohn?« fragte er schließlich. In Aris Zelt streckte sich P. P. Malcolm auf dem Feldbett aus und dachte nach. »Was wollen Sie eigentlich hier?« fragte Ari.

»Geben Sie mir eine Karte, mein Sohn«, sagte Malcolm, ohne Aris Frage zu beantworten. Ari gab ihm die Karte, P. P. Malcolm setzte sich auf den Rand der Koje, entfaltete die Karte und strich sich über seine Bartstoppeln. »Wo ist die Hauptabsprungbasis der Araber?«

Ari zeigte mit dem Finger auf eine kleine Ortschaft rund fünfzehn Kilometer jenseits der libanesischen Grenze.

»Wir werden diese Basis heute nach vernichten«, sagte Malcolm kurz und schlicht.

In dieser Nacht ging unter der Führung von Malcolm ein Kommandotrupp, bestehend aus acht Männern und zwei Frauen, von Hamischmar aus über die libanesische Grenze. Die Juden waren baß erstaunt, in was für einem Tempo und mit welcher Ausdauer dieser Mann mit dem gebrechlichen Körper sie über die steilen Hänge und durch die Windungen der Berge führte. Er blieb nicht ein einziges Mal stehen, um auszuruhen oder sich zu orientieren. Bevor sie losgegangen waren, hatte Major Malcolm einen von ihnen niesen gehört. Der Betreffende durfte nicht mitkommen. Jeder, der das Tempo nicht durchhielt, sollte windelweich geschlagen werden.

Als sie in der Nähe ihres Zieles angekommen waren, ging Malcolm allein voraus, um den Ort zu erkunden. Nach einer halben Stunde kam er zurück.

»Sie haben, wie ich es vermutet hatte, keine Wachen ausgestellt. Wir werden es also folgendermaßen machen.« Er skizzierte mit raschen Strichen einen Lageplan und zeichnete die drei oder vier Hütten ein, von denen er vermutete, daß sie den Schmugglern als Unterkunft dienten. »Ich gehe mit drei von euch Burschen in die Ortschaft, wir eröffnen auf kurze Entfernung das Feuer und werfen ihnen ein paar Handgranaten in die Bude, um die Bande ein bißchen aufzupulvern. Alle werden in wilder Flucht davonstürzen. Ich werde sie mit meiner Gruppe hierher an das Ende der Ortschaft treiben, wo Sie, Ben Kanaan, mit dem Rest der Leute im Hinterhalt liegen. Sehen Sie zu, daß Sie ein paar Gefangene machen, denn die Gegend hier ist offensichtlich von heimlichen Waffendepots voll.«

»Ihr Plan ist unsinnig«, sagte Ari. »Das klappt nicht.«

»Dann schlage ich Ihnen vor, daß Sie sich auf den Rückweg nach Palästina begeben«, sagte Malcolm.

Das war das erste- und letztemal, daß Ari die Richtigkeit irgendeiner Maßnahme von P. P. Malcolm anzweifelte.

Malcolms Plan wurde ausgeführt. Der Major ging mit einem aus vier Mann bestehenden Kommando dicht an das vermutliche gegnerische Hauptquartier heran. Vier Handgranaten flogen in die Eingange der Hütten, und sofort danach wurde das Gewehrfeuer eröffnet. Genau wie Malcolm es vorhergesagt hatte, entstand eine Panik. Kaltblütig trieb er die Strauchdiebe Ari direkt in die Arme. Innerhalb von zehn Minuten war alles vorbei.

Zwei Gefangene, die Aris Gruppe gemacht hatte, wurden dem Major vorgeführt.

»Wo habt ihr eure Waffen versteckt?« fragte er den ersten auf Arabisch. Der Araber zog die Schultern hoch.

Malcolm schlug dem Mann ins Gesicht und wiederholte seine Frage. Diesmal beteuerte der Araber bei Allah seine Unschuld. Malcolm nahm in aller Ruhe seine Pistole heraus und schoß dem Araber durch den Kopf. Dann wandte er sich an den zweiten Gefangenen. »Wo habt ihr eure Waffen versteckt?« fragte er ihn. Der zweite Araber beeilte sich, die genaue Lage der Waffenlager zu verraten.

»Ihr Söhne und Töchter Judäas habt heute nacht eine ganze Menge wichtiger Dinge gelernt«, sagte Malcolm. »Ich werde es euch morgen im einzelnen noch genauer erklären. Für jetzt nur sovieclass="underline" man soll sich nie brutaler Mittel bedienen, um etwas in Erfahrung zu bringen, sondern immer auf dem kürzesten Weg zur Sache kommen.«

Die Nachricht von Malcolms erfolgreichem Stoßtruppunternehmen machte auf alle Leute in Palästina sehr großen Eindruck. Allerdings wirkte es auf die verschiedenen Leute sehr verschieden. Für die Juden war es ein Ereignis von historischer Bedeutung. Zum allererstenmal waren die Juden aus ihren Siedlungen herausgegangen, um einen Angriff zu unternehmen. Viele meinten, das hätte schon viel früher geschehen sollen.