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Ari und hundert weitere Angehörige der Hagana von der Kommando-Einheit P. P. Malcolms wurden in das Gefängnis von Akko geworfen, das einem finsteren Kerker glich. Es war ein düsterer alter Bau mit dicken Mauern, feucht, verwanzt und voller Ratten. Ein großer Teil der Inhaftierten nahm die Sache mit viel Humor. Die eingesperrten Hagana-Leute brachten die englischen Wachtposten zur Verzweiflung, indem sie von morgens bis abends Hagana-Märsche und Siedlerlieder sangen.

Im Frühling 1939 wurde Ari entlassen. Bleich und hager kam er nach Yad El zurück. Sara weinte in der Stille ihrer Kammer, nachdem sie ihn so wiedergesehen hatte. Was hatte das Leben ihrem Sohn von Jugend auf gegeben? Nichts als Ochsenziemer, ein Gewehr und tiefen Schmerz. Dafna war tot, und so viele seiner Kameraden waren gefallen. Wie lange sollte es noch so weitergehen?

Die Engländer setzten wieder einmal einen Untersuchungsausschuß ein. Er stellte fest, daß an dem jahrelangen Blutvergießen, hinter dem der Mufti als treibende Kraft stand, die jüdischen Einwanderer schuld waren.

XVII.

Whitehall und Chatham-House und Neville Chamberlain, englischer Premierminister und als Leisetreter bekannt, verblüfften die Welt durch eine amtliche Verlautbarung. Am Vorabend des zweiten Weltkrieges gab die englische Regierung einen Beschluß bekannt, der den verzweifelten Juden in Deutschland den Weg nach Palästina versperrte und den Juden in Palästina den Erwerb von Grund und Boden untersagte. Die Leisetreter von München, die die Spanier und die Tschechen verraten und verkauft hatten, taten jetzt dasselbe mit den Juden in Palästina.

Die Makkabäer, die bis dahin mehr oder weniger passiv gewesen waren, wurden auf einmal höchst lebendig. Der englische Beschluß führte ihnen neue Mitglieder zu Hunderten zu. Die Makkabäer schlugen mit einer Reihe von Überfällen zurück, sprengten ein britisches Offizierskasino in Jerusalem in die Luft und verbreiteten unter den Arabern Angst und Schrecken. Sie stürmten ein britisches Arsenal und überfielen mehrere Wagenkolonnen.

General Haven-Hurst machte die bisherige Politik der halben Zusammenarbeit mit den Juden in allen Teilen rückgängig. Die von den Engländern aufgestellte jüdische Polizei wurde aufgelöst; die Hagana wurde verboten und mußte untertauchen. Führende Männer des Jischuw-Zentralrats und weitere Angehörige der aufgelösten Kommando-Einheit wurden vor Gericht gestellt und ins Gefängnis geworfen.

Auch diesmal appellierte Ben Gurion an den Jischuw, die gleiche Besonnenheit und Zurückhaltung an den Tag zu legen, die die Juden in Palästina bisher gezeigt hatten. Er distanzierte sich öffentlich von den Terrormethoden. Barak ben Kanaan wurde nach London geschickt, um gemeinsam mit Chaim Weizmann und anderen Wortführern des Zionismus zu versuchen, die Engländer zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen. Doch die Männer von Whitehall waren entschlossen, an dem eingeschlagenen Kurs festzuhalten, um die Araber nicht zu reizen.

In Palästina war der Klan der Husseinis wieder eifrig am Werk. Hadsch Amin war zwar immer noch im Exil, doch die übrigen Angehörigen seines Klans hielten weiterhin die Opposition durch Meuchelmorde in Schach. Ein Neffe des Mufti, Gamal Husseini, rief den Großarabischen Aktionsausschuß wieder ins Leben.

In Deutschland befanden sich die Juden in einer verzweifelten Lage. Die Zionistische Organisation sah sich kaum einer zu meisternden Aufgabe gegenüber, weil jetzt auch diejenigen deutschen Juden, die sich zunächst nicht aus ihrer Ruhe hatten bringen lassen, in panischer Angst aus dem Lande hinauszukommen versuchten.

Die Engländer machten es den Jischuw-Angehörigen, die ihnen durch ihre Tätigkeit in der Hagana und bei der illegalen Einwanderung bekannt waren, fast ebenso schwer, aus Palästina hinauszukommen, wie den deutschen Juden, nach Palästina hereinzukommen. Als Ari von Avidan den Befehl bekam, sich nach Berlin zu begeben, mußte er bei Hamischmar schwarz über die libanesische Grenze und zu Fuß nach Beirut gehen. Er reiste mit dem Paß eines Juden, der vor kurzer Zeit als »Tourist« nach Palästina gekommen war. Von Beirut aus fuhr er per Schiff nach Marseille, und eine Woche später erschien er in Berlin im Hauptquartier der Zionistischen Vereinigung, in der Meineckestraße 10. Sein Auftrag lautete, soviel Juden wie möglich aus Deutschland hinauszuschaffen. Die Nazis holten aus dem Geschäft mit Ausreisegenehmigungen alles heraus, was nur herauszuholen war. Je verzweifelter die Juden wurden, desto höher wurde der Preis, den sie für ihre Freiheit bezahlen mußten. Viele Familien opferten ihr gesamtes Vermögen für das Recht, aus Deutschland fliehen zu dürfen. Visa wurden gefälscht und gestohlen. Ein Visum bedeutete Leben. Sehr bitter war es, daß nur wenige Länder der Welt die deutschen Juden aufnehmen wollten. Die meisten Länder machten ihnen die Tür vor der Nase zu. Wenn sie bereit waren, Einreisevisa zu erteilen, dann nur unter der stillschweigenden Bedingung, daß die Juden nicht wirklich in das betreffende Land einreisten.

Ari sah sich vor die Aufgabe gestellt, zu entscheiden, wer ein Visum bekommen sollte und wer nicht. Tag für Tag kamen Leute zu ihm, die ihm drohten, ihn zu bestechen versuchten oder ihn verzweifelt anflehten, ihnen zu helfen. Nachdem die Zionisten fünf Jahre lang die deutschen Juden vergeblich aufgefordert hatten, Deutschland zu verlassen, waren sie jetzt der Ansicht, daß in erster Linie die Kinder herausgebracht werden sollten, außerdem wichtige Spezialisten, wissenschaftliche Kapazitäten und bedeutende Künstler: die Elite. Es gelang Ari und der Aliyah Bet, Hunderte aus Deutschland hinauszuschmuggeln, doch diesen Hunderten standen Tausende gegenüber, die in der Falle saßen.

In dem angsterfüllten Sommer des Jahres 1939 arbeitete Ari Tag und Nacht. Mitte August bekam er von der Aliyah Bet in Frankreich die dringende Aufforderung, Deutschland sofort zu verlassen. Ari kümmerte sich nicht darum und setzte seine Arbeit fort. Jeder Tag wurde zu einem Wettrennen mit dem Tod.

Dann erhielt er eine zweite Aufforderung. Diesmal kam sie von der Hagana und enthielt den Befehl zurückzukommen. Ari nahm es auf seine Kappe, nochmals zweiundsiebzig Stunden weiterzuarbeiten, weil er gerade damit beschäftigt war, Ausreisegenehmigungen für mehrere hundert Kinder zu beschaffen, die mit einem Sonderzug nach Dänemark fahren sollten.

Es kam ein drittes Telegramm und ein viertes. Als der Zug mit den Kindern die dänische Grenze überquerte, machte sich Ari ben Kanaan seinerseits auf die Flucht. Er verließ Deutschland achtundvierzig Stunden, bevor Hitlers Wehrmacht Polen überrollte und den zweiten Weltkrieg einleitete.

Der Jischuw-Zentralrat war sich bei Kriegsausbruch sofort über den einzuschlagenden Kurs klar. Ben Gurion richtete an die Juden in Palästina die Aufforderung, in die britische Armee einzutreten, um gegen den gemeinsamen Feind zu kämpfen. Diese Aufforderung wurde noch durch die Hagana unterstützt, die hierin eine Möglichkeit erblickte, jüdische Soldaten auf legale Weise auszubilden.

General Haven-Hurst, der Kommandeur der britischen Streitkräfte in Palästina, meldete beim britischen Kriegsministerium schwere Bedenken dagegen an, Palästina-Juden in die britische Wehrmacht aufzunehmen. »Wenn wir die Juden jetzt ausbilden und ihnen die Möglichkeit geben, Fronterfahrung zu gewinnen, dann setzen wir uns damit nur Läuse in den Pelz, denn mit Sicherheit werden wir eines Tages gegen genau dieselben Juden zu kämpfen haben.« Innerhalb einer Woche nach Ausbruch des Krieges hatten sich hundertdreißigtausend Männer und Frauen — jeder vierte der Juden in Palästina — beim Jischuw-Zentralrat gemeldet, um als Freiwillige in die britische Armee einzutreten.

Die Araber dagegen warteten darauf, daß die Deutschen als ihre »Befreier« auch nach Palästina kämen.

Es war für die Engländer ein Ding der Unmöglichkeit, das Angebot der jüdischen Bevölkerung von Palästina zu ignorieren. Aber ebenso unmöglich war es, General Haven-Hursts Warnung in den Wind zu schlagen. Beim Kriegsministerium entschloß man sich daher zu dem Kompromiß, die Juden zwar in das britische Heer aufzunehmen, sie aber nicht an der Front zu verwenden, sondern sie als Transportkolonnen, Pionierbataillone und technische Hilfstruppen einzusetzen. Der Jischuw-Zentralrat protestierte heftig gegen diese Diskriminierung und verlangte für die Juden das Recht, mit der Waffe in der Hand gegen die Deutschen zu kämpfen.