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»Weiß einer von euch eigentlich, wo wir uns ungefähr befinden?« fragte Spooky. »Ich wüßte gern, ob wir überhaupt noch eine Chance haben, den Rückweg zu finden.«

Die Menschen sahen sich gegenseitig an und zuckten hilflos mit den Schultern. In der allgemeinen Aufregung hatte niemand daran gedacht, die beschrittenen Gänge zu markieren oder den Weg aufzuzeichnen.

»Mit anderen Worten«, murmelte Danielle leicht deprimiert, »wenn wir nicht irgendwann auf einen Bewohner dieser Höhlen stoßen, werden wir hier im Berg verhungern oder verdursten.«

»Fazit: Wir können nur noch nach vorne fliehen«, stellte Giri fest.

Einmal mehr stieg er als erster die Treppe hinab, die in den nackten Fels gehauen war. Als nach einer halben Stunde noch immer kein Ende der Stufen zu sehen war, begann Spooky zu fluchen.

Etwa einhundertachtzig Meter tiefer endete die Wendeltreppe; mit zitternden Knien hockten sich die Menschen auf die letzten Stufen und erholten sich von der Strapaze des Abstiegs. Der Raum vor ihnen lag noch im Dunkeln – wie fast alle Räumlichkeiten im Innern des Berges würde wahrscheinlich auch hier die Beleuchtung aufflammen, sobald der erste Schritt auf den Boden des Raumes gemacht wurde.

»Was wartet jetzt auf uns«, rätselte Spooky, »neue Bestien?«

Giri zuckte mit den Schultern; er stand auf, stieg die letzten drei Stufen hinab und setzte den Fuß auf den Boden des Raumes. Sofort flammten die Lichter auf, und im Schein der indirekten Beleuchtung erkannten die Menschen einen großen Saal, in dessen Wänden sich zahlreiche Nischen befanden, die mit je einer spärlich erhellten Figur besetzt waren. Spooky richtete den Strahl seiner Lampe auf eine Nische.

In dem Hohlraum wurde eine lebensgroße Gestalt sichtbar, die aussah wie ein Terraner, der sich den hervorragend präparierten Kopf eines Schakals über den Schädel gestülpt hatte. Die Gestalt hatte eine Hautfarbe, die an matte Bronze erinnerte; seine Bekleidung bestand lediglich aus einem strahlend weißen Wickelrock.

»Den Herrn kenne ich doch?« murmelte Spooky nachdenklich.

Auch Danielle fühlte sich an Vertrautes erinnert. Langsam schritt sie von Nische zu Nische. Wesen mit Vogelköpfen gab es und solche mit Widderköpfen. Als das Licht ihrer Handlampe auf einen Löwen mit menschlichen Gesichtszügen fiel, schrie sie leise auf. »Ich weiß, was dies hier ist!« sagte sie laut. »Alle diese Gestalten tauchen in der irdischen Mythologie auf. Die Götter der Antike, die ein Mittelding zwischen Tier und Mensch waren.«

»Richtig!« sagte Spooky. »Vor allem die Ägypter hatten viele Tiergottheiten – Horus, der Falke; Chnum, der Widder; Thoth, der als Ibis auftrat – und hier die berühmte Sphinx.«

»Was aber hat dieses Museum zu bedeuten?« rätselte Giri.

»Vielleicht kann uns dieser Gott hier Auskunft geben!« sagte Sirghia lachend. Sie hatte weitere Nischen untersucht und in einer Höhlung einen Gott gefunden, der sich dort recht unglücklich fühlte und verzweifelt brummte.

»Cerlo«, rief Spooky, als der Stationsleiter von seinen Fesseln befreit wurde. »Wie bist du hierhergeraten?«

Der Morcone holte tief Luft und massierte seine geschundenen Handgelenke; dann berichtete er: »Eigentlich müßtet ihr alle vier längst erschossen sein – jedenfalls glauben Gerbault und seine Leute, euch umgebracht zu haben!«

»Wie das?« fragte Danielle verblüfft.

»Ich weiß es auch nicht«, gestand Cerlo. »Ich nehme aber an, daß es sich um hypnotische Projektionen gehandelt hat. Mir ist nur aufgefallen, daß sich Soleil nicht bei den angeblich Erschossenen befand; außerdem vermißte ich den typischen Gestank nach laserverbranntem Fleisch. Daraus zog ich den gewagten Schluß, daß ihr noch am Leben wart.

Nachdem Gerbault seine Freude über eure Ermordung ausgetobt hatte, marschierten die Gangster weiter – wir hatten völlig die Orientierung verloren, und die Männer wurden immer unruhiger. Nach einiger Zeit schlug einer der Schufte vor, mich schnell aus dem Weg zu räumen, da ich doch nur das kostbare Wasser verbrauchen würde. Meine Hoffnungen waren allmählich auf den Nullpunkt gesunken, zumal sich auch nicht die geringste Chance zeigte, den Burschen zu entkommen.

Ich kann euch nicht sagen, wo in diesem Labyrinth es genau geschehen ist – aber ich verschwand plötzlich. Ich spürte gerade noch, wie sich unter meinen Füßen ein Loch auftat und ich hinabfiel; dann sah ich Gerbault auf mich feuern, und vor Schreck verlor ich die Besinnung. Als ich wieder zu mir kam, lag ich hier – so, wie ihr mich gefunden habt.«

Die anderen hatten kopfschüttelnd mitgehört. Endlich brach Danielle das Schweigen. »Ich kann aus den Vorkommnissen nur einen Schluß ziehen«, sagte sie nachdenklich. »Wir werden pausenlos überwacht und getestet – ich frage mich nur, was am Ende dieser Tests stehen wird.«

Giri zuckte mit den Schultern.

Überraschend erschien an der Decke des Raumes ein Pfeil in grüner Farbe.

»Sieh an«, sagte der Morcone leise. »Soll das eine Einladung sein?«

»Möglich«, meinte Spooky. »Wir sind unseren unsichtbaren Freunden ohnehin völlig ausgeliefert – ohne ihre Hilfe finden wir den Ausgang dieses Labyrinths niemals.«

»Recht hat er«, sagte Danielle leise. Sie streichelte Soleil, der sich eng an sie schmiegte und zaghaft brummte. Gehorsam trottete das Tier hinter der Frau her, als sich die Gruppe in Bewegung setzte.

Der Weg führte durch ein kompliziertes System von Gängen und Räumen; jedesmal, wenn Wegalternativen auftauchten, gab der Pfeil an der Decke einen deutlichen Hinweis. Als er endlich erlosch, standen die vier vor einigen recht absonderlich aussehenden Maschinen, die Spooky entfernt bekannt vorkamen.

Zwei gummibereifte Räder, die durch ein kompliziertes Gestell miteinander verbunden, waren leicht zu erkennen. Was sich aber zwischen den Rädern befand, erregte Giris Interesse. Der Morcone besah sich die Maschine von allen Seiten und gab ein gelegentliches Brummen von sich. Vor allem die zahlreichen Hebel, die aus der Maschine herausragten, erregten seine Neugierde. Als er sich dann auf eine der Maschinen schwang, kehrte auch Spookys Erinnerung langsam zurück; irgendwo in seinem Gedächtnis formte sich das Bild eines Mannes, der genau wie Giri rittlings auf einem solchen Gerät hockte.

»Das ist ein Bodenfahrzeug!« stellte Giri kühn fest. »Und mit dem Gehörn kann man den Kurs bestimmen.«

»Genau!« rief Spooky erfreut. »Das sind uralte Räder mit Motor – ich glaube, mein Großvater hat noch solch ein Ding besessen. Wartet!« Er beschäftigte sich mit den Hebeln und nickte dazu.

»Gasdrehgriff, Kupplung …«, murmelte er. »Und dies hier wird der Starter sein.« Er trat den Kickstarter durch, und sofort sprang die Maschine an. Der Motor heulte auf, weil Spooky einen Handgriff bis zum Anschlag hochgedreht hatte. Aus einer langen Blechröhre an der Seite der Maschine kam ein unangenehm riechender Qualm.

Als Spooky sich wieder herunterschwingen wollte, rutschte er ab, und die Maschine wäre fast auf ihn gefallen, da er versehentlich die Seitenstütze entfernt hatte. Der Terraner versuchte festen Halt zu bekommen und trat dabei auf einen weiteren Hebel; etwas klickte leise, und vorsichtshalber ließ Spooky die Hebel am Lenker los, die er in der Hand hielt.

Die Maschine machte einen gewaltigen Satz nach vorn; Spooky verlor den Halt und stürzte zu Boden. Nur dem Umstand, daß er sich sofort zur Seite rollte, verdankte der Terraner, daß er nicht unter die gleichfalls zu Boden krachende Maschine geriet. Als sich der Terraner wieder aufrichtete, lag die Maschine verbeult, aber immer noch laut knatternd an einer Wand.

Nach über einer Stunde waren Giri und Spooky fähig, auf den Motorrädern einige Runden in dem geräumigen Saal zu drehen. Cerlo hatte die Technik der Geräte sogar noch etwas schneller begriffen.

»Was nun?« fragte Sirghia, nachdem die Männer ihre Maschinen abgestellt hatten.