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Daß es sich um sein Appartement auf Sansibar handelte, war offensichtlich. Das Bett, die Poster an der Wand – all das kam ihm völlig bekannt vor. Er stellte fest, daß er seinen Schlafanzug trug, der eigentlich auf Sansibar in der Kiste mit der ungewaschenen Kleidung hätte liegen müssen.

»Gut, gut«, murmelte der Terraner. »Für einen Alptraum ist dies jedenfalls erträglich.«

Er stand auf und grinste schwach; wenn er sich wirklich in seiner Wohnung befand – wie auch immer er dorthin gekommen sein mochte –, mußte hinter der vollständigen Shakespeare-Werksausgabe noch eine Flasche Whisky stehen.

»King Lear«, murmelte Spooky, dann zog er das Buch aus dem Regal. Sein Gesicht verfärbte sich leicht, als er hinter dem Band tatsächlich eine gefüllte Flasche entdeckte. Er nahm einen Schluck, und der Whisky erwies sich als echt. Versehentlich ließ der Terraner das Buch in seiner Hand fallen. Der Band krachte auf den Teppichboden und öffnete sich. Spooky kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder und sah noch einmal auf den Boden; die Blätter waren vollständig weiß. Als Spooky blätterte, wuchs sein Erstaunen – lediglich auf der ersten Seite fanden sich einige Shakespeare-Zitate, die zudem meist gar nicht aus King Lear stammten.

Langsam begann der Mann zu ahnen, wo er sich befand; nachdem er sich erneut an der Flasche gütlich getan hatte, zog er sich rasch an und drückte die Klinke an der Tür nieder.

»Aha«, murmelte DeLacy, als er auf den Gang trat, dann aber wurde sein Gesicht wieder nachdenklich. »Bin ich, wie angenommen, noch immer auf Mainares, kann ich weitergehen; sollte ich indes auf Sansibar sein, müßte ich eigentlich auf meinem Balkon stehen.«

Er überlegte krampfhaft, ob er den nächsten Schritt tun sollte; daß er sich in einem Zwischenstadium zwischen Bewußtsein und Trance befand, hielt er für sicher – fraglich war nur, welcher Teil des ihn umgebenden Bildes der Realität entsprach. Mit sehr gemischten Gefühlen dachte Spooky daran, daß er auf der Erde im 58. Stock eines Hochhauses wohnte.

Mehr und mehr begann er sich zu fürchten. Selbstverständlich hatte sein Balkon ein festes Geländer, aber er war sehr sicher, daß der Unbekannte, der ihm eine optische Täuschung vorspielen konnte, auch seine anderen Sinne würde manipulieren können. Spooky überlegte fieberhaft; seinen Unmut über die vertrackte Situation machte er mit halblauten Flüchen Luft. Sein Zorn legte sich erst, als er Danielle erkannte, die aus einer anderen Tür trat und ihn verwundert musterte.

»Was machen wir nun?« fragte sie, nachdem Spooky sein befremdendes Betragen erklärt hatte.

»Suchen«, schlug DeLacy vor. »Hier gibt es sicher einen Aufenthaltsraum – und wahrscheinlich werden wir dort auch Giri und Sirghia finden.«

Nacheinander nahmen sie sich die Türen vor; erst beim achten Versuch ließ sich eine der Klinken niederdrücken.

»Endlich!« seufzte Sirghia, die in einem hochlehnigen Sessel Platz genommen hatte. »Wir wunderten uns schon.«

»Ich hatte einige Orientierungsschwierigkeiten«, murmelte Spooky.

Wenig später erschienen auch Giri und Cerlo; eine kurze Diskussion ergab, daß alle Beteiligten in Räumen aufgewacht waren, die ihren Privatwohnungen stark glichen. Woher allerdings die beträchtlichen Fehler stammten, konnte nicht geklärt werden.

Ein Kratzen an der Tür unterbrach die Unterhaltung. Spooky öffnete sehr vorsichtig und landete unter Soleils Ansturm eine halbe Sekunde später in einer Ecke des Raumes.

»Das nennt man Treue!« bemerkte Danielle und streichelte das Tier.

»Ich wüßte nur zu gern«, überlegte Spooky heiter, »wie Soleils Nachtquartier ausgesehen hat.«

»Wie eine Bärenhöhle, selbstverständlich«, sagte eine fremde Männerstimme. »Seien Sie mir willkommen!«

Die Menschen fuhren herum und sahen einen Mann in einem bisher nicht erkennbaren Türrahmen stehen, der die Gruppe mit einem freundlichen Lächeln begrüßte. Interessiert musterte Spooky den Fremden; irgendwie sah der Mann merkwürdig aus, obwohl er auf den ersten Blick wie ein gutgewachsener Terraner wirkte.

»Ich will Sie nicht beleidigen«, sagte der Terraner vorsichtig. »Aber ich bin sehr sicher, daß Sie keine Eltern haben.«

»Meinen Glückwunsch zu Ihrer guten Beobachtungsgabe«, sagte der Mann liebenswürdig; er sprach in jenem Misch-Englisch, mit dem DeLacy aufgewachsen war. Verwunderlich war, daß auch Giri den Mann verstehen konnte.

»Sie haben mit Ihrer Vermutung durchaus recht«, gestand der Unbekannte. »Ich bin ein Kunstprodukt – Sie würden wahrscheinlich Androide sagen. Und bevor Sie sich wundern, warum ich anscheinend für jeden seine Heimatsprache verwende – die Kommunikation zwischen Ihnen und mir erfolgt auf geistiger Ebene. Damit meine ich, daß Sie meine Stimme quasi in Ihrem Kopf hören, und zwar in der Sprache, die Ihnen die vertrauteste ist. Sie selbst können jede beliebige Sprache wählen – ich würde allerdings empfehlen, Morcash zu verwenden, damit Sie sich auch untereinander verstehen.«

Mit einer Handbewegung forderte er die Menschen auf, sich in die großen, schweren Sessel zu setzen. Sobald alle fünf Platz genommen hatten, sprach der Fremde weiter: »Sie werden wahrscheinlich sehr neugierig sein. Welchen Themenkomplex wollen wir zunächst angreifen – meine Person, die Ereignisse der letzten Tage und Stunden oder die Geschichte dieses Systems?«

»Fangen wir mit Ihnen an«, schlug Giri höflich vor; der Androide nickte lächelnd.

»Einen Namen habe ich leider nicht«, sagte er. »Ich bestehe zum größten Teil aus Zellgewebe, das dem Ihren sehr ähnlich ist – genetisch bedingte Schwächen Ihrer Zellen wurden jedoch bei meiner Konstruktion vermieden. Ich bin also lediglich ein wenig stärker, intelligenter und reaktionsschneller als Sie. Ich bin sterblich wie Sie, altere aber nicht – zum Ausgleich sind Ihre Herstellungskosten wahrscheinlich um ein Vielfaches niedriger.«

»Wie steht es mit den Grundgesetzen der Robotik?« erkundigte sich Spooky mißtrauisch.

»Kenne ich nicht«, erklärte der Namenlose. »Ich handle prinzipiell logisch – nur wenn kein Schaden für mich oder meine Umwelt zu befürchten ist, kann ich auf Gefühlserlebnisse umschalten. Meine Erbauer legten Wert darauf, daß kein Unbefugter diese Anlagen betritt. Um unerwünschte Besucher abzuhalten, wurden verschiedene Sperren eingerichtet. Soleil beispielsweise wäre bereits an der ersten Felswand gescheitert. Daß sich die Pforte kurz nach seinem Brüllen öffnete, war reiner Zufall. Mit Hilfe der sehr bösartigen Tiere sollte Ihre Aggressivität erprobt werden – hätten Sie sofort geschossen, hätte ich Sie über verschiedene Wege wieder zur Außenwelt zurückgeführt.«

»Wie steht es mit Gerbault und seinen Gefährten?« erkundigte sich Spooky. Der Androide lachte unterdrückt.

»In seinem Fall ist uns ein schwerwiegender Fehler unterlaufen«, sagte er heiter. »Aufgrund seiner Abmessungen und seines Haarwuchses hat ihn der Pförtnerautomat als einen Artgenossen von Soleil eingestuft. Was sich anschließend ereignete, wissen Sie bereits. Die Automaten werden ihn und seine Männer noch ein paar Stunden in Atem halten. Wenn er genügend verängstigt ist, werden wir ihn abziehen lassen.«

»Sie sagen wir«, erinnerte ihn Danielle. »Wer außer Ihnen lebt noch in den Höhlen?«

»Danke«, sagte der Androide mit einer leichten Verbeugung. »Für den Ausdruck ›leben‹. Außer mir gibt es noch einige Dutzend Rechengehirne in dieser Anlage – da wir ständig miteinander kommunizieren, haben wir uns angewöhnt – nun, von ›wir‹ zu reden. Unsere Robothirne sind so weit entwickelt, daß sie fast eine Art Individualität entwickelt haben. Zum Testprogramm gehörte übrigens auch die kleine Rennfahrt – sie sollte Ihr Reaktionsvermögen ermitteln und außerdem zeigen, wie gut Sie sich beherrschen können.«

»Und die Zimmer?« bohrte Spooky. »Der verstümmelte Shakespeare?«