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Der erste Blick auf den Planeten bewies, daß die Kontaktaussichten sehr gering waren; unter sich erkannten die Menschen zwar ausgedehnte Stadtanlagen, aber nicht die leiseste Bewegung. Die Straßen waren menschenleer.

Spooky wies den Androiden an, er solle auf die größte Stadt zuhalten; das kalkweiß schimmernde Viereck am Stadtrand hielt er für einen Raumhafen. Der Eindruck bestätigte sich, als sich die VANITY FAIR nur noch einen halben Kilometer über dem Erdboden befand. Der weite Platz war verlassen, und stellenweise wuchs Gras zwischen großen Platten hervor. Staub und ausgerissene Pflanzen wirbelten umher, als die VANITY FAIR auf dem Boden des Planeten aufsetzte.

Giri betrat als erster die Oberfläche; als letzter stieg der Androide ins Freie. Er ließ eine Luke an der Seite des Schiffes aufspringen, und eine halbe Minute später stand ein zusammenklappbarer Gleiter auf dem Platz.

»Fahren wir zunächst zum Tower!« sagte Spooky und wies auf den etwa vierhundert Meter hohen Turm, der sich an der stadtnächsten Ecke des Raumhafens erhob.

Sogar Soleil fand auf der Ladefläche des Gleiters Platz, der sich leise summend in Bewegung setzte. Als er sich dem Tower näherte, stiegen die Hoffnungen etwas. An dem Gebäude waren keine Erosionsschäden zu erkennen, und selbst die großen Fenster wirkten so, als seien sie vor Stunden erst geputzt worden. Am Fuß des Gebäudes knarrte ein vom Wind lose hin und her geworfener Türflügel; Lebewesen waren nicht zu sehen.

Spooky drang in den Turm ein. Dicker Staub wallte unter seinen Tritten auf. Der Lift funktionierte noch und trug den Mann bis hinauf zur Spitze des Turmes, der unter dem Druck des Windes leicht schwankte. Der Terraner versuchte, unter der Staubschicht irgendwelche Gegenstände ausfindig zu machen; mit beiden Händen wirbelte er die Sedimente beiseite und brachte eine große Kladde zum Vorschein, deren Seiten mit handgeschriebenen Zeichen gefüllt waren. Spooky brachte seinen Fund dem Androiden, der die Schrift mit peinlicher Sorgfalt prüfte.

»Die Zeichen kann ich lesen, nicht aber den Text verstehen«, erklärte der Kunstmensch. »Die Schrift ist jene, die auch meine Erbauer zu benutzen pflegten – aber die Sprache ist mir unbekannt.«

»Sehen wir weiter!« meinte Giri und machte sich daran, den Turm einmal zu umrunden, aber schon nach einer halben Minute kehrte er grinsend zurück. »Kommt einmal mit!«

Nachdem die Gruppe eine Ecke des Turmes passiert hatte, wies der Morcone auf die Wand; ein Stadtplan leuchtete in mehreren Farben, als sei er erst vor kurzem aufgehängt worden. Ein Gewirr von Straßen war zu erkennen. Blaue, rote und grüne Linien zogen sich durch die Stadt, und auch einzelne Häuserblocks waren durch Farben gekennzeichnet.

»Wir müssen jetzt nur noch wissen, was wir suchen«, meinte Spooky. »Wohin fahren wir zuerst – zum Bürgermeister oder zur Stadtbibliothek?«

»Zur Stadtverwaltung!« rief Danielle. Ihr Vorschlag wurde gebilligt. Allerdings erhob sich das Problem, welche Farbe Ämter und Verwaltungsstellen kennzeichnete.

»Rot!« schlug Spooky vor. »Das ist die augenfälligste Farbe.«

»Falsch!« konterte Danielle. »Die Farbe mit dem höchsten Aufmerksamkeitswert ist Orange, nach Möglichkeit in Leuchtfarbe.«

Sirghia hatte sich inzwischen etwas näher mit der Karte beschäftigt und schlug Gelb vor. »Seht her!« erklärte sie und wies auf einen ausgedehnten Gebäudekomplex im Süden der Stadt. »Dies hier ist die größte Stadt, die wir erkennen konnten. Logischerweise sollte sich in dieser Stadt auch der Amtssitz des Fürsten oder Oberhaupts befinden. Und es ist weiter logisch, daß sich diese Person keine Hütte zur Behausung aussucht, sondern die größten Gebäude. Also diese hier!«

Langsam durchquerte der vom Androiden gelenkte Gleiter die Stadt.

Das Bild war bewundernswert und trostlos zugleich. Die Menschen bestaunten die atemberaubenden architektonischen Leistungen, dagegen wirkten die unbelebten Straßen deprimierend. Der Wind blies Fetzen aus einem papierähnlichen Material und ausgerissene Sträucher vor sich her. In einem großen Schaufenster entdeckte Danielle Modepuppen, die ebenso neu wirkten wie die klaren Scheiben. Die Figuren hatten annähernd menschliche Gesichtszüge und glichen verblüffend den plastikgepreßten Mannequins irdischer Ausstellungsräume.

»Fällt euch etwas auf?« fragte Sirghia. Die anderen schüttelten die Köpfe. »Eigentlich müßten auf den Straßen streunende Hunde oder ähnliche Tiere zu sehen sein.«

Spooky konnte nur zustimmen; das einzige Tier in Sichtweite war Soleil.

»Vielleicht haben die Menschen auf ihrer Flucht auch alle Tiere mitgenommen«, meinte Danielle.

»Schwerlich!« sagte Giri. »Dann hätten sie auch anderes mitnehmen können – wer nimmt Fliegen mit und läßt dafür Kleidung zurück? Ich befürchte, daß vor sehr langer Zeit alle Lebewesen dieser Welt gleichzeitig getötet wurden.«

Das Ziel kam allmählich in Sicht. Zuerst war die große Mauer zu erkennen, die sich rings um den »Palast« zog; das Bauwerk bestand aus glasierten Ziegeln. Der Androide lenkte den Gleiter auf ein Tor zu, eine zehn Meter hohe Bronzekonstruktion mit zwei reich ornamentierten Flügeln.

Vor dem Tor blieb der Gleiter stehen, die Insassen stiegen aus und musterten das Tor. Erstaunt betrachtete Spooky die Reliefs auf den Flügeln. Wie in den Höhlen auf Mainares fanden sich auch hier Abbildungen von Götzen und Dämonen der irdischen Vorzeit. Es bestand kein Zweifel, daß sowohl der Palast als auch die Höhlenanlage von den Stammeltern der Terraner und Morconen erbaut worden waren.

Probeweise drückte Giri gegen einen Torflügel; das Metall gab langsam nach. Ein Park wurde sichtbar, mit Beeten und Rondellen, die erst vor ein paar Tagen von einem meisterhaften Gärtner bearbeitet worden sein mußten. In der Mitte eines kreisförmigen Beetes mit starkduftenden, gelblichen Pflanzen schickte ein Springbrunnen seinen Wasserstrahl in die Luft; der Wind trug feine Wassertröpfchen herüber und besprühte die Gruppe.

»Im Kontrollturm jahrtausendealte Staubschichten«, murmelte Spooky ratlos. »Und hier barocke Wasserspiele. Keine Zeichen des Verfalls. Wieso lebt hier niemand mehr?«

Die Neugierde war größer als jede Furcht und trieb die Menschen vorwärts; während die Gruppe den weitläufigen Park durchquerte, machte sich Soleil daran, die Blumenbestände einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Mißtrauisch sah sich Spooky um, während er über den feinkörnigen, bräunlichen Sand ging; verzweifelt fragte er sich, wer hier für Ordnung und Sauberkeit sorgte. »Jetzt fehlt nur noch ein Orchester, das uns mit Trompetenklängen willkommen heißt«, murmelte er grinsend, um sein Unbehagen zu verdecken. Die Szenerie schrie förmlich nach einer jählings hereinbrechenden Katastrophe.

Das Hauptgebäude war zwanzig Meter hoch und mehrere hundert Meter lang; die gesamte Vorderfront bestand aus einem verwirrenden System von halbverspiegelten Gläsern, die sich im Wind sacht bewegten und Farbkaskaden über die Landschaft sprühten. Der einzige Ruhepunkt in dem sich unaufhörlich verändernden Lichterspiel war das Bronzeportal; auch hier fanden sich Reliefs mit den Göttergestalten der Antike.

»Waffen einstecken!« ordnete Giri ruhig an. »Wenn man uns bis hierher nicht angegriffen hat, wird man es jetzt erst recht nicht wagen – wir sind schließlich Gäste.«

Folgsam legte Spooky den langläufigen Laser über die Schulter. Dann grinste er kurz und klopfte an. Er war noch überraschter als seine Gefährten, als auf das Zeichen hin die Flügel lautlos nach innen schwangen und den Blick auf eine Halle freigaben. Aus dem Innern des Gebäudes strich kühle Luft über die erhitzten Gesichter der Menschen.