»Warum heißt es so?« fragte Aphros weiter.
»Weil es eines ist«, lautete die leicht erstaunt klingende Antwort. »Drei!«
Aphros schluckte. »Drei«, bestätigte er mit leisem Seufzen; Peko grinste nur. »Wer hat es so genannt?«
»Ich«, erklärte Peko schnell. »Vier!«
»Wieso du?« wollte Aphros wissen.
»Weil es eines ist, habe ich es so genannt«, sagte Peko schlagfertig. »Du hast gefragt, wer es Monument genannt hat – und das habe ich ja gerade gemacht. Fünf!«
Aphros gab auf; offenbar hatte er die so unschuldig dreinblickende Peko gewaltig unterschätzt. Nach zehn Minuten und achtunddreißig weiteren Bonbons hatte er herausgefunden, daß die Meßergebnisse der Sonde genau stimmten, daß vor Peko ihre Mutter das Monument schon Monument genannt hatte, weil deren Mutter das auch schon so gemacht hatte – an dieser Stelle brach Aphros erneut ab.
»Was kann man eigentlich damit machen?« fragte er und zeigte dazu ein ganz hinterhältiges Gesicht. Peko reagierte prompt.
»Das ist gemein!« schimpfte sie. »Jetzt muß ich dir ganz furchtbar viel von dem Monument erzählen und kriege dafür nur ein Bonbon. Für diese Frage fünf, oder ich mache nicht mehr mit!«
Mit einem halberstickten Röcheln der Verzweiflung gab Aphros sein Einverständnis.
»Vor langer, langer Zeit«, berichtete Peko, »gab es auf Makar viele Raumschiffe.«
Aphros entging nicht, daß sich die Stimme des Mädchens veränderte; vorher war sie hell und klar gewesen. Jetzt klang die Stimme anders: dumpfer, leiernd, als spule sie ein Band ab, das ein anderer besprochen hatte. Nun begriff er auch, warum das Mädchen ihn für dumm gehalten hatte – offenbar wurden alle Einwohner Jenras und wahrscheinlich auch des gesamten Planeten in frühester Kindheit mit dieser Geschichte förmlich konditioniert.
»Mit diesen Raumschiffen«, berichtete Peko weiter, »wurde Krieg geführt gegen die verbrecherischen Tanaer, die uns alle umbringen wollten. Nachdem dieser Krieg endlose Zeiten gedauert und unzählige Menschen verschlungen hatte, landete eines Tages ein ganz großes Raumschiff auf Makar, das weder den Makarern noch den Tanaern gehörte. Die Wesen in dem Schiff haben die Säule hier aufgebaut und allen verboten, jemals wieder Krieg zu führen. Und dann sind die Wesen wieder weggeflogen, nachdem sie viele unserer Raumschiffe zerstört hatten. Jeder Makarer wird, wenn er fünf Sommer gesehen hat, zu der Säule geführt. Sie öffnet sich dann und läßt das Kind herein. Wenn es nach kurzer Zeit wieder zum Vorschein kommt, kennt es diese Geschichte.
Und wenn ein Fremder auf Makar landet, wird er zu der Säule geführt. Nimmt sie ihn auf, dann ist er von diesem Zeitpunkt an ein Makarer. Die meisten aber kommen nie wieder!«
Grinsend verfolgte Giri das Geschehen auf dem Bildschirm. Sirghia war damit beschäftigt, noch einmal die Funkfrequenzen abzugrasen.
»Wenn alle Terraner so beschaffen sind wie diese beiden«, faßte der Morcone seine Eindrücke zusammen, »befürworte ich ein unbeschränktes Einreiseverbot für alle Erdmenschen.«
Selbstverständlich hatte Danielle sich durchgesetzt; sie begleitete Spooky auf seinem Ausflug nach Jenra. Da die erhöhte Schwerkraft die beiden ziemlich schnell erschöpft hätte, mußte auch Soleil den Ausflug mitmachen. Abwechselnd benutzten Spooky und Danielle den gelehrigen Mainares-Bären als Reittier – solange der jeweilige Reiter den Bären am Ohr kraulte, hatte Soleil nichts dagegen einzuwenden.
Es war Danielles Idee gewesen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu koppeln – Soleil diente einmal als Transportmittel, zum anderen lieferte das Tier auch die Maske für die beiden Menschen. Sie sollten sich, wenn sie gefragt wurden, als Vaganten ausgeben, die auf dem Jahrmarkt einen dressierten Riesenbären vorführen wollten. Entsprechend waren sie auch eingekleidet worden.
»Nun, Freunde, wie geht es?« erkundigte sich Giri erheitert.
Die Beobachtung durch die Sonde hatte ergeben, daß sich kein Makarer in der Umgebung der beiden Terraner aufhielt; daher war auch ein Wechselgespräch über die Mikrophone und Lautsprecheranlagen der Sonde möglich.
»Diese Welt ist entsetzlich rückständig!« schimpfte Danielle. »Diese weißen, knöchellangen Kleider sind zum Ritt auf Bären denkbar ungeeignet. Ich habe ständig Angst, herunterzufallen!«
»Solange du bei einem solchen Sturz nur Kopfverletzungen davonträgst«, kommentierte Spooky boshaft, »wird sich der Schaden in erträglichen Grenzen halten.«
»Beiß ihn, Soleil!« ermunterte Danielle erbost den Bären. »Friß das Scheusal auf!«
»Willst du noch mehr wissen, Aphros?« fragte Peko, nachdem sie ihren Monolog beendet hatte. »Wollen wir weiterspielen?«
»Warte einen Augenblick«, murmelte der Androide; er war noch damit beschäftigt, die Informationen zu verarbeiten, die das Mädchen ihm gegeben hatte. Unwillkürlich fragte er sich, wie die Säule wohl reagieren würde, falls er versuchte, in das Monument einzudringen. War die Säule, wie er hoffte, ein Produkt der Stammeltern von Morconen, Terranern und Makarer, dann konnte ihm nicht allzuviel geschehen. Anders sah die Sache aus, wenn ein noch unbekanntes Volk das Monument errichtet hatte.
»He, Aphros, was ist mit dir?« fragte Peko den Androiden, der mit geschlossenen Augen vor ihr stand und angestrengt nachdachte.
»Genau das möchte ich auch wissen!« erklang eine tiefe Männerstimme.
Der Androide öffnete die Augen und sah den Sprecher an, einen hochgewachsenen, stämmigen Mann in einer Uniform, die dem Androiden unbekannt war. Erschrocken stellte Aphros fest, daß der Unbekannte in seinem ledernen Gürtel eine Strahlwaffe stecken hatte.
»Rede, Mann!« herrschte der Bewaffnete den Androiden an. »Was stehst du hier und grübelst? Solltest du die Geschichte des Monuments nicht kennen?«
»Unsinn!« wehrte Aphros ab; die Lage wurde langsam brenzlig.
»Gut denn«, meinte der Uniformierte. »Sage mir, wann der letzte Fremde von dem Monument verschlungen wurde!«
»Hm«, machte Aphros und grinste dazu. »Willst du mich veralbern, Freund?«
Der Uniformierte machte ein finsteres Gesicht; offenbar war die Anrede Freund nicht angebracht. Aphros bewegte sich langsam auf das Monument zu – nur wenige Schritte trennten ihn noch von der roten Linie, die die Säule umkreiste. Ihm war aufgefallen, daß die Makarer diese Grenzlinie sorgfältig vermieden.
»Stehenbleiben, du Narr!« warnte der Uniformierte.
Aphros sah ein, daß seih Spiel verloren war. Ein gewaltsamer Ausbruch verbot sich von selbst – einige hundert Passanten waren aufmerksam geworden und starrten den Androiden feindselig an. Für Aphros blieb nur noch ein Weg – zum Monument.
»He, Aphros!« rief die kleine Peko. »Lauf nicht weg – wo bleiben meine Bonbons?«
Ohne sich zu besinnen, rannte das Mädchen auf Aphros zu. Bevor irgend jemand eingreifen konnte, hatte das Mädchen den Androiden erreicht und prallte mit beträchtlicher Wucht gegen ihn. Unwillkürlich taumelte der Androide einen Schritt zurück, zusammen mit dem Mädchen, das sich an ihn klammerte. Die Menge schrie auf, als beide in das Innere des roten Kreises traten.
Der Uniformierte ließ die gezogene Waffe sinken; mit automatenhafter Schnelligkeit hatte sich um die Säule ein undurchdringlicher Vorhang aufgebaut. Rote Blitze zuckten aus dem flirrenden, gelblichen Feld.
Als der Energievorhang wieder erlosch, waren Aphros und das Mädchen verschwunden.
Ungerührt machte sich der Uniformierte daran, die Menge auseinanderzutreiben.
Danielle und Spooky hatten es wesentlich leichter als Aphros, durch die Stadt zu wandern – sobald die Makarer den Bären sahen, machten sie furchtsam Platz. Von Zeit zu Zeit stieß Soleil ein Brummen aus, das die Bürger Jenras in noch größere Furcht stürzte. Einige Männer griffen beim Anblick des Tieres sofort zu den Waffen, ließen sie aber sinken, als Spooky den Bären sich aufrichten ließ und sich ein wenig mit ihm balgte. Mit einem leichten Grinsen stellte DeLacy fest, daß die Waffenträger, sobald sie von der Ungefährlichkeit des Bären überzeugt waren, ihr Augenmerk vornehmlich auf Danielle richteten, der diese Bewunderung sichtlich gefiel.